Verfassung des Deutschen Reichs. Vom 16. April 1871. 71
Appellationsgericht der drei freien und Hansestädte in Lübeck
die zuständige Spruchbehörde in erster und letzter Instanz.
Die näheren Bestimmungen über die Zuständigkeit und
das Verfahren des Ober-Appellationsgerichts erfolgen im Wege
der Reichsgesetzgebung. Bis zum Erlasse eines Reichsgesetzes
bewendet es bei der seitherigen Zuständigkeit der Gerichte in
den einzelnen Bundesstaaten und den auf das Verfahren dieser
Gerichte sich beziehenden Bestimmungen.
Artikel 76.
Streitigkeiten zwischen verschiedenen Bundesstaaten, sofern
dieselben nicht privatrechtlicher Natur und daher von den
kompetenten Gerichtsbehörden zu entscheiden sind, werden auf
Anrufen des einen Theils von dem Bundesrathe erledigt.
Verfassungsstreitigkeiten in solchen Bundesstaaten, in deren
Verfassung nicht eine Behörde zur Entscheidung solcher Streitig-
keiten bestimmt ist, hat auf Anrufen eines Theiles der Bundes.
rath gütlich auszugleichen oder, wenn das nicht gelingt, im
Wege der Reichshefebgebung zur Erledigung zu bringen.
Artikel 77.
Wenn in einem Bundesstaate der Fall einer Justizver-
weigerung eintritt, und auf gesetzlichen Wegen ausreichende
Hülfe nicht erlangt werden kann, so liegt dem Bundesrathe
ob, erwiesene, nach der Verfassung und den bestehenden Ge-
setzen des betreffenden Bundesstaates zu beurtheilende Be-
schwerden über versweigerte oder gehemmte Rechtspflege anzu-
nehmen, und darauf die gerichtliche Hülfe bei der Vundis-
regierung, die zu der Beschwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken.
XIV. Allgemeine Bestimmungen.
Artikel 78.
Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege der Ge-
setzgebung. Sie gelten als abgelehnt, wenn sie im Bundes-
rathe 14 Stimmen gegen sih haben.
Diejenigen Vorschriften der Reichsverfassung, durch welche
bestimmte Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältniß
ur Gesammtheit festgestellt sind, können nur mit Zustimmung
es berechtigten Bundesstaates abgeändert werden.
S. 85.