Full text: Die Bundesexekution nach der Reichsverfassung.

unmittelbar begründet sind oder ihre unmittelbare Ableitung aus der 
Verfassungsurkunde gestatten. Der Kreis der verfassungsmäßigen 
Bundespflichten wäre damit aber viel zu eng begrenzt. Der Aus- 
druckh ist in dem Sinne des „verfassungsmäßigen Gehorsams“ 1) ge- 
braucht, in welchem verfassungsmäßig jede Pflicht ist, welcher die Nach- 
weisbarkeit ihrer rechtlichen Begründung zur SHeite steht, oder mit 
anderen Worten: Es sind darunter alle diejenigen Pflichten zu ver- 
stehen, welche sowohl durch auf Grund der Reichsverfassung erlassene 
Reichsgesetze den Einzelstaaten erwachsen sind, als auch diejenigen Ob- 
liegenheiten, welchen ihren Rechtsgrund in den auf verfassungsmäßigem 
Wege zustande gekommenen Anordnungen und Verordnungen der 
Organe der Reichsgewalt haben. 
Diiese Bundespflichten der einzelnen Bundesglieder können sich 
nach verschiedenen Richtungen hin bewegen: 
1. gegen den einzelnen Untertan, den Staatsbürger, 
2. gegen jedes andere Bundesglied, 
3. gegen die Gesamtheit der Bundesglieder, das Reich, 
4. gegen fremde Nationen bezw. deren Angehörige. 
Das staatsbürgerliche Recht, dem Staate auch tatsächlich anzu- 
gehören, beschränkt sich nicht auf das bloße Existieren in dem Gebiete, 
sondern es erhält seinen bedeutungsvollen Inhalt in dem Anspruche, 
daß die bestehenden Gesetze, welche für den Staatsbürger Rechte be- 
gründen oder seinem Interesse förderlich sind, auch wirklich zu seinen 
Gunsten angewendet werden. In einer Verweigerung der Anerkennung 
solcher Rechte, welche dem Staatsbürger durch Reichsverfassung und 
Reichsgesetzgebung eingeräumt sind, kann die Verletzung der Bundes- 
pflicht eines Gliedstaates gegen den Einzelnen, den Staatsbürger liegen. 
Wenn Art. 3 der Reichsverfassung für das ganze deutsche Reich ein 
Indigenat mit der Wirkung in das Leben ruft, daß hinsichtlich der 
im genannten Artikel aufgezählten Fälle, z. B. des Rechtes auf Ge- 
werbefreiheit, kein Deutscher in rechtlicher Beziehung ungünstigeren 
Regeln unterworfen werden darf als der Angehörige des eigenen 
Staates, so ist eine Aberkennung und Versagung des jedem Staats- 
bürger garantierten Rechtes die Verletzung einer verfassungsmäßigen 
Bundespflicht. Hat im Falle des Art. 77 a. a. O. der Bundesrat 
Beschwerden über — einem Staatsbürger vom Einzelstaate bezw. seinen 
Organen — verweigerte oder gehemmte Rechtspflege angenommen und 
erfolgslos die gerichtliche Hilfe bei der Bundesregierung, die zur Be- 
schwerde Anlaß gegeben hat, zu bewirken versucht, so hann es nicht 
zweifelhaft sein, daß, wenn alle Aufforderungen oder Mahnungen als 
1) Hänel I HS. 446. 
Gleiche Ansicht Rönne S. 71. 
Meyer Ö. 678. 
Laband 1 S. 102. 
Löning S. 41. 
Schulze S. 12. 
  
 
	        
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