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ausgehen. Findet der reichsfeindliche Wille des Herrschers in Maß-
regeln Ausdruch, die, weil die Reichsinteressen gröblich verletzend und
einen Verstoß gegen verfassungsmäßige Bundespflichten enthaltend,
eine sofortige Beseitigung seitens des Reiches erheischen, so Kkann nur
ein Thronwechsel eine genügend sichere Gewähr für die Zukunft bilden.)
Daß der Kaiser natürlich nicht irgend eine beliebige Person auf den
Thron berufen und damit die verfassungsmäßige Thronfolgeordnung
umstoßen kann, ist eine Folge der Tatsache, daß sich die Exehution in
diesem Falle nur gegen den betreffenden Landesherrn, nicht das ganze
Herrscherhaus richtet. Wenn allerdings das ganze Herrscherhaus
reichsfeindlicher Gesinnung sein sollte und diese Gesinnung in ver-
fassungsverletzender Weise betätigt, dann müßte mit der rechtlichen
Möglichkeit gerechnet werden, daß der Kaiser als Regent die Stelle
des Landesherrn einnehmen wird. Seiner Befugnis, zur Ausübung
der Regierungsgewalt einen Regenten zu ernennen, steht Reine gesetz-
liche Vorschrift entgegen. An die Stelle widerspenstiger landesrecht-
licher Organe würde der Kaiser als Inhaber der Regierungsgewalt nach
den Formen des Landesstaatsrechts reichstreue und gehorsame zu
setzen haben. .
Hänel hält das Reich nur zu einer mittelbar wirksamen Exe—
kution befugt mit der Begründung, daß der Rechtssatz nicht mehr in
Kraft stehe, welcher zu einer vollen und teilweisen Ergreifung der
Regierungsgewalt und damit zu einer unmittelbar wirksamen Exe-
kution ermächtige. Diese Annahme findet ihre Erklärung darin, daß
Hänel die Aenderung, die der Artikel 19 erfahren hat, als sachliche
auffaßt, obgleich sie nach der Aeußerung Delbrüchs nur in Höflich-
heitsrüchsichten ihren Grund hat.
„Dagegen", fährt Hänel fort,) „ist damit für die Kompetenz
des Reiches nichts entschieden. Vielmehr schließt die volle Allgemein-
heit der Klausel jede Deutung aus, welche das Reich verhinderte, im
Wege der Gesetzgebung sich alle diejenigen Zwangsmittel anzueignen,
welche es zur Durchsetzung seiner verfassungsmäßigen Anordnungen
gegenüber dem verfassungswidrigen Ungehorsam der Einzelstaaten für
notwendig und zwechdienlich erachtet. Zur Verhinderung dessen hätte
es einer ausdrüchlichen Beschränkung bedurft“ und schließt diese Aus-
führungen mit den Worten:
„Es ist verfassungsmäßige Kompetenz des Reiches im
Wege der einfachen Gesetzgebung sich alle jene Vollstrechungs-
maßregeln beizulegen, welche ihren letzten Ausdruch in der
Sequestration des betreffenden Landes und seiner Regierungs-
gewalt finden."
1) Gleiche Ansicht Wunder S. 99.
Thudichum S. 325.
) Hänel S. 452.