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Fremden, sondern nur gegenüber den anderen Mitgliedern der Völker-
rechtsgemeinschaft, insbesondere gegenüber dem Staate, dem der Fremde
angehört. Wie das Völkerrecht nur Staaten verpflichtet, und die Ver-
bindlichkeit zur Duldung von Fremden eine völkerrechtliche gegenüber
anderen Staaten ist, so kann auch das der Verpflichtung entsprechende
subjective Recht eines anderen nur ein solches eines Staates sein.
Nur der andere Staat kann fordern, daß seine Angehörigen in Friedens-
zeiten nicht allgemein vom Zutritte in das fremde Staatsgebiet fern ge-
halten oder aus ihm ausgewiesen werden. Nur der andere Staat kann
in einzelnen zweifelhaften Fällen kraft des Schutzes, den er seinen An-
gehörigen im Auslande schuldet, von dem ausweisenden Staate Auskunft
über die Gründe fordern. Nur er kann endlich für eine Rechtsverletzung,
die ihm in seinem Angehörigen zugefügt wird, die völkerrechtlich zulässige
Genugthuung sich verschaffen.
II.“
Das Völkerrecht zieht die äußersten Grenzen, innerhalb deren ein
Staat, so weit seine Rechtsbeziehungen zu anderen Staaten in Betracht
kommen, zu handeln befugt ist. Das englisch-amerikanische Recht be-
trachtet geradezu die völkerrechtlichen Grundsätze als Theil des Land-
rechtes und erklärt sie daher auch in dem Verhältnisse von Staat und
Unterthanen für unmittelbar anwendbar. In den meisten anderen Staaten
geht man nicht so weit. Der Staat erscheint berechtigt, kraft seines un-
beschränkbaren Herrschaftsrechtes auch Anordnungen zu erlassen, die dem
Völkerrechte widersprechen. Er setzt sich dann aber für sein völkerrechts-
widriges Verhalten, das in seinen inneren Beziehungen zu seinen Unter-
thanen und den im Gebiete sich aufhaltenden Fremden unanfechtbar ist,
anderen Staaten gegenüber den Folgen des Rechtsbruches aus. Unter
ke inen Umständen muß aber ein Staat von den Befugnissen, die ihm
völkerrechtlich zustehen, auch Gebrauch machen. Er kann insbesondere
durch die Gesetzgebung sich selbst und seinen Organen weitere Be-
schränkungen auferlegen, als das Völkerrecht ihm zieht.
Nach englisch-amerikanischem Rechte hat der Staat, soweit nicht
Auslieferungsverträge eine Ausnahme festsetzen, nicht nur das Rechtt,
sondern auch die Pflicht, Asyl zu gewähren. Dieser Pflicht entspricht
4) Vgl. Bes de Berc, De H’expulsion des strangers, Paris 1888; J. Lang-
hard, Das Recht der politischen Fremdenausweisung mit besonderer Berücksichtigung
der Schweiz, Leipzig 1891; eine Uebersicht der Gesetzgebung giebt Bulmerincq, Völker-
recht, in Marquardsen's Handbuch S. 238ff.