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daß dasselbe „lediglich durch Entwickelung der im ehemaligen fürst-
lichen Patrimonialrechte enthaltenen Keime zu seiner heutigen Ge-
staltung gelangt ist,“ daß die Landeshoheit in älterer Zeit eine „in
Land und Leuten bestehende Vermögensmacht“ gewesen "7): man
kann nicht mehr behaupten, als daß in der Landeshoheit Staats-
und Privatrechte zusammengeflossen und ebenso die in Betreff der-
selben zur Geltung gelangten Rechtsgrundsätze ein Gemisch von
Staats= und Privatrecht waren. Jedenfalls sind aber seit Unter-
gang des Deutschen Reichs die ehemaligen Territorien zu wirklichen
Staaten geworden; wenn man dies zugesteht und also eine essentielle
Veränderung des Inhalts des Deutschen Fürstenrechts statuirt, so
kann das Recht auf dieses Recht den Wirkungen jener Veränderung
nicht entzogen bleiben; auch die Berechtigung, Souverain eines
Deutschen Staates zu werden, muß jetzt durchaus unter staatsrecht-
liche Gesichtspunkte fallen #15). Die Aufhebung von Thronfolgerech-
ten (resp. einer schon aktuellen Berechtigung auf die Staatsgewalt)
durch einen neuen, in allgemein gültiger Form zu Stande gekom-
menen Rechtssatz mag ein materielles Unrecht enthalten, ihre formelle
Rechtsbeständigkeit ist nicht anzufechten“#).
Durch die vorangehenden Erörterungen glauben wir alle Gründe
widerlegt zu haben, welche für die juristische Unmöglichkeit einer
rechtmäßigen Aufhebung eines Rechts auf die Herrschaft, sei es in
Erbmonarchien überhaupt oder in den Deutschen insbesondere geltend
gemacht worden sind. Damit ist zugleich die Möglichkeit der Legi-
timirung einer im Widerspruch zu diesem Recht neu entstandenen
47) Gerber, Staatsrecht, S. 81.
48) Dies hat in gründlicher Weise ausgeführt: Held, Deutsches Verfassungs-
recht, § 306—309 (II, S. 204—210).
49) In England hat dieser Grundsatz mindestens in Bezug auf einen Akt
der Gesetzgebung unbezweifelte Geltung erlangt: s. Stephen, New Commen-
taries on the Laws of England, II, S. 393. Schon unter Elisabeth wurde
es gesetzlich (13 Eliz. c. 1) für Hochverrath, resp. ein schweres Vergehen erklärt,
die Befugniß der Königin und des Parlaments zur Aenderung der Thronfolge
in Abrede zu stellen (Stephen, II, S. 407). Das bekannte stat. 6 Anne c. 7
enthält im Wesentlichen nur eine Wiederholung dieser Bestimmung. Die Ana-
logie Englands ist in diesem Punkte für unsere Deutschen Staaten um so wich-
tiger, als England in der That nach der Normannischen Erpberung eine Domaine
des Königs war und als die Englische Krone noch jetzt ähnlich wie ein Grund-
stück vererbt wird. (R. Gneist, Das heutige Englische Verfassungs= und Verwal-
tungsrecht, I, S. 273—274.)