DIE VERFOLGUNG AUF SAINT-QUENTIN 231
hinter der nächsten Höhe. Nach wenigen Minuten hatten aber auch die
Husaren die große Straße erreicht, die Tete schwenkte links, und weiter
ging es, einer Mulde zu, in die die eingeschnittene Chaussee hinabführte.
In dem etwa sechshundert Schritt breiten Grund stand quer über der
Straße die feindliche Kavallerie aufmarschiert. Rudolphi ließ die Tete
seiner Eskadron in Schritt fallen. Drei Kilometer waren in langem Galopp
und in der Formation zu dreien zurückgelegt. Das Straßendefil& verbot den
Aufmarsch zur Front. Rudolphi formierte rasch entschlossen zwei Züge und
ging im Galopp vor zur Attacke. Die Franzosen erwarteten den Angriff
stehenden Fußes und gaben auf hundertfünfzig Schritt eine Salve.
Ich folge nun der Schilderung meines lieben Kriegskameraden und
langjährigen treuen Freundes, des Generals Adolfvon Deines, auf dessen
schöne Geschichte des Husaren-Regiments König Wilhelm I. (1. Rheinisches
Nr. 7) ich mich in manchen meiner militärischen Erinnerungen gestützt
habe: „Im selben Moment, wo die Franzosen die Salve abgaben, ertönte
das dröhnende ‚Marsch-Marsch!‘ des alten Rittmeisters, und unter lautem
‚Hurra‘ erfolgte der Choc. Die ersten Glieder der Franzosen wurden über
den Haufen geritten, die hinteren jagten in voller Flucht auf Saint-
Quentin hin, ihnen nach die Könighusaren. Einen feindlichen Offizier ritt
Rittmeister Rudolphi, der auf seinem Vollblutwallach ‚Lifeboy‘ seiner
Schwadron um mehrere Längen voraus war, um und um, während der
Leutnant und Regimentsadjutant Moßner, der sich der Attacke an-
geschlossen hatte, einen zweiten mit solcher Vehemenz faßte, daß beide
über Kopf gingen. Der Franzose war rasch hochgekommen und führte von
hinten vorbeijagend einen Hieb nach Rudolphi. Dieser war im Nu an seiner
Linken und traf ihn mit wuchtigem Streiche über den Hinterkopf. Ein
Dragoner schoß auf wenige Schritte seinen Karabiner auf den Rittmeister
ab, streifte aber nur den braven Lifeboy. Im nächsten Moment hieb der
Wachtmeister Steenebrügge dem feindlichen Dragoner quer durchs Gesicht.
Erst als Verfolger und Verfolgte bei dem Dorfe Epine de Dallon angelangt
waren, das stark besetzt war, ließ Rudolphi Appell blasen und ging im
Schritt zurück.
Auf der Chaussee lagen feindliche tote und verwundete Dragoner
in großer Zahl, alle durch handfeste Hiebe übel zugerichtet. Die fran-
zösische Schwadron bestand aus großen, stattlichen, ausgesucht schönen
Leuten, mit schweren und großen Pferden. Sie hatten nach Aussage der
Landleute an diesem Morgen die Bedeckung des Generals Faidherbe
gebildet. Von Feinden blieben ungefähr zwanzig Mann in der Attacke, tot
oder verwundet, ohne Andenken mögen wohl wenige Saint-Quentin
erreicht haben. Kaum ein Säbel der sechzig an der Attacke beteiligten
Husaren war noch gerade oder blutfrei.“
Ein Bericht
von Deines