Full text: Die Weltgeschichte. Dritter Theil. Die neue Zeit. (3)

Schlachten bei Lützen und Bautzen. 379 
die Tage der Noth und Schmach hatten das Volk geläutert; Glaube, 
Gottvertrauen und ernste Sitte waren wieder zurückgekehrt. Das Heer 
bestand nicht mehr aus angeworbenen Söldlingen, sondern aus Landes- 
kindern, denn der Krlegsdienst war allgemeine Bürgerpflicht geworden, 
und wer die Waffenführung bei der Linie erlernt hatte, trat in die Reihe 
der Landwehr. Scharnhorst war der Mann, der mit Gneisenau 
und Grolmann Preußens neue Wehrordnung schuf, welche dem ganzen 
Deutschland so treffliche Dienste leisten sollte. Auch in bürgerlicher Be- 
ziehung hatten Stein und Hardenberg den Staat neu geordnet und 
jene Verwaltung geschaffen, welche mit der Wehrordnung es Preußen seit- 
dem möglich machte, ein bei weitem größeres Ansehen unter den Staaten 
Europas zu behaupten, als ihm seiner Größe und Seelenzahl nach zu- 
kommen würde. Der König befahl in seinem Aufrufe nicht, er munterte 
bloß zur allgemeinen Ergreifung der Waffen auf und begeistert folgte 
man ihm. Vom Pfluge, aus der Werkstätte, aus dem Hörsaale eilten 
Jünglinge und Männer den bezeichneten Sammelplätzen zu;z an den un- 
geheuren Kosten steuerte Arm und Reich nach Vermögen Geld, Kleidung, 
Lebensmittel, Pferde; es war ein edler Wetteifer, es galt einen heillgen 
Krieg: die Befreiung Preußens von dem fremden Joche. Am 28. Fe- 
bruar wurde der Bund zwischen Preußen und Rußland geschlossen, und 
am 25. März erging in der Proklamation von Kalisch ein Aufruf 
an das andere Deutschland: „Rußlands siegreiche Krieger, begleitet von 
denen ihres Bundesgenossen, des Königs von Preußen, kündigen den 
Deutschen die Rückkehr der Freiheit und Unabhängigkeit an. Sie kom- 
men nur in der Absicht, ihnen diese entwendeten aber unveräußerlichen 
Stammgüter der Völker wieder erringen zu helfen und der Wiedergeburt 
eines ehrwürdigen Reiches mächtigen Schutz und dauernde Gewähr zu 
leisten. Nur dieser große und über alle Selbstsucht erhabene und deß- 
wegen Ihrer Majestäten allein würdige Zweck ist es, der das Vordringen 
ihrer Heere gebietet und leitet." Daß dieser Aufruf Anklang gefunden 
habe, bewies sich später, für den Augenblick aber blieben Rußland und 
Preußen allein. Noch hatte Napoleon alle Festungen von Wesel bis 
Danzig und Thorn inne, deren Besatzungen allein über 100,000 Mann 
betrugen; dazu hob er 300,000 Franzosen aus, der Rheinbund stellte 
abermals seine Schaaren, und für wie viel hunderttausend Mann sollte 
man Napoleons Person rechnen? 
Schlachten bei kützen und Pautzen (2. Mai; 19.—21. Madi). 
Die Franzosen waren nach Preußens Kriegserklärung rasch aber nicht 
ohne schwere Verluste von der polnischen Gränze bis an die Elbe und 
Saale zurückgewichen, die Russen und Preußen aber in Sachsen einge- 
drungen, wo schon so mancher Blutstrom geflossen ist; hier dröhnten auch
	        
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