118 II. Abschnitt. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. § 19.
sich aus dem Reichsgebiete zu entfernen und seiner Eigenschaft als Deutscher zu
entsagen, ist, wenn man die Sache mit nüchternen Augen betrachtet und sie
mit den Gesetzgebungen anderer großer Staaten vergleicht, doch, gelinde gesagt,
Überaus seltsam. Jedenfalls steht ein solches unter der Bürgschaft des Reiches
von den Staatsregierungen betriebenes Hinauswerfen aus dem Reichsgebiet
einzig da unter allen Gesetzgebungen der ganzen zivilisierten Welt.
Wenn wir übrigens in § 17 Anm. 2 den Erlaß des kgl. preuß. Justiz-
ministeriums vom 24. Okt. 1905 (s. Anhang, Anl. Nr. 35) erwähnt haben,
so wird es hier nicht ohne Interesse sein, auch die nachstehenden Entschei-
dungen des Kammergerichts (KG J. 33 A 49; Recht 1907 S. 894 Nr. 2094) zu
bringen:
„à) Für die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung
des Antrags auf Entlassung eines Minderjährigen aus dem Staatsverband
kann die Erwägung ausschlaggebend sein, daß dem Minderjährigen durch die
Erfüllung der Wehrpflicht im Inland die Ausbildung und die Tätigkeit in
seinem erwählten Beruf im Ausland unmöglich gemacht oder wesentlich
erschwert wird.
b) Das Vormundschaftsgericht darf die Genehmigung nicht um des-
willen versagen, weil die Befreiung des Minderjährigen von der Militär-
pflicht dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Wehrkraft des Staats
widerspricht. Die Wahrung des öffentlichen Interesses ist ausschließlich Sache
der Verwaltungsbehörde, welche die Entlassung zu erteilen hat.“
Mit Rücksicht auf diese Entscheidungen möchte ich auf einen Aufsatz von
Josef im Archiv des öffentlichen Rechts (31. Bd. S. 450 ff.) hinweisen, der auch
das Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft bei der Frage der Entlassung von
nicht unbeschränkt Geschäftsfähigen behandelt. Josef kommt zu folgendem
Ergebnis: „Die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft sei vom Gesetze lediglich
dazu eingeführt, um eine Geltendmachung der öffentlichrechtlichen Inter-
essen zu sichern (Reg.-Entw. S. 26 zu § 15; Komm.-Ber. S. 49). Nach geltendem
Rechte könne aber für die Entschließung des Vormundschaftsgerichts nur das
Interesse des Mündels, nicht das öffentliche Interesse in Betracht kommen.
Auch die Staatsanwaltschaft könne demnach eine etwaige Beschwerde nur darauf
stützen, daß die Genehmigung dem Besten des Mündels widerspreche, nicht aber
darauf, daß das öffentliche Interesse — etwa an der Erhaltung der deutschen
Wehrmacht — die Versagung der Genehmigung erfordere.“
Aus den vorausgehenden Beispielen, die ich um zahlreiche Fälle ver-
mehren könnte, kann man ersehen, wie wenig nutzbringend die gesetzliche Be-
stimmung der Entlassung für das Reich ist.
Über elterliche Gewalt, Vormundschaft, gesetzliche Vertretung, Vormund-
schaftsgericht, vgl. 9 7 Anm. 15 u. 16; Staatsanwaltschaft insbesondere 88 143,
146 Gerichtsverfassungsges.; über das Verfahren vor dem Vormundschafts-
gericht und die Beschwerdeverfahren § 1827 BGB.; 8§ 16, 19, 20, 21, 23,
27, 28, 29, 57 Ziff. 9, 59 d. RG. über die freiwillige Gerichtsbarkeit; über
die Sorge für die Person vgl. §§ 1627—1637, 1666, 1685 BEB. über Beistand-
schaft §§ 1687—1695 BE#B.
§ 10.