Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

118 II. Abschnitt. Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate. § 19. 
sich aus dem Reichsgebiete zu entfernen und seiner Eigenschaft als Deutscher zu 
entsagen, ist, wenn man die Sache mit nüchternen Augen betrachtet und sie 
mit den Gesetzgebungen anderer großer Staaten vergleicht, doch, gelinde gesagt, 
Überaus seltsam. Jedenfalls steht ein solches unter der Bürgschaft des Reiches 
von den Staatsregierungen betriebenes Hinauswerfen aus dem Reichsgebiet 
einzig da unter allen Gesetzgebungen der ganzen zivilisierten Welt. 
Wenn wir übrigens in § 17 Anm. 2 den Erlaß des kgl. preuß. Justiz- 
ministeriums vom 24. Okt. 1905 (s. Anhang, Anl. Nr. 35) erwähnt haben, 
so wird es hier nicht ohne Interesse sein, auch die nachstehenden Entschei- 
dungen des Kammergerichts (KG J. 33 A 49; Recht 1907 S. 894 Nr. 2094) zu 
bringen: 
„à) Für die Erteilung der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung 
des Antrags auf Entlassung eines Minderjährigen aus dem Staatsverband 
kann die Erwägung ausschlaggebend sein, daß dem Minderjährigen durch die 
Erfüllung der Wehrpflicht im Inland die Ausbildung und die Tätigkeit in 
seinem erwählten Beruf im Ausland unmöglich gemacht oder wesentlich 
erschwert wird. 
b) Das Vormundschaftsgericht darf die Genehmigung nicht um des- 
willen versagen, weil die Befreiung des Minderjährigen von der Militär- 
pflicht dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung der Wehrkraft des Staats 
widerspricht. Die Wahrung des öffentlichen Interesses ist ausschließlich Sache 
der Verwaltungsbehörde, welche die Entlassung zu erteilen hat.“ 
Mit Rücksicht auf diese Entscheidungen möchte ich auf einen Aufsatz von 
Josef im Archiv des öffentlichen Rechts (31. Bd. S. 450 ff.) hinweisen, der auch 
das Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft bei der Frage der Entlassung von 
nicht unbeschränkt Geschäftsfähigen behandelt. Josef kommt zu folgendem 
Ergebnis: „Die Mitwirkung der Staatsanwaltschaft sei vom Gesetze lediglich 
dazu eingeführt, um eine Geltendmachung der öffentlichrechtlichen Inter- 
essen zu sichern (Reg.-Entw. S. 26 zu § 15; Komm.-Ber. S. 49). Nach geltendem 
Rechte könne aber für die Entschließung des Vormundschaftsgerichts nur das 
Interesse des Mündels, nicht das öffentliche Interesse in Betracht kommen. 
Auch die Staatsanwaltschaft könne demnach eine etwaige Beschwerde nur darauf 
stützen, daß die Genehmigung dem Besten des Mündels widerspreche, nicht aber 
darauf, daß das öffentliche Interesse — etwa an der Erhaltung der deutschen 
Wehrmacht — die Versagung der Genehmigung erfordere.“ 
Aus den vorausgehenden Beispielen, die ich um zahlreiche Fälle ver- 
mehren könnte, kann man ersehen, wie wenig nutzbringend die gesetzliche Be- 
stimmung der Entlassung für das Reich ist. 
Über elterliche Gewalt, Vormundschaft, gesetzliche Vertretung, Vormund- 
schaftsgericht, vgl. 9 7 Anm. 15 u. 16; Staatsanwaltschaft insbesondere 88 143, 
146 Gerichtsverfassungsges.; über das Verfahren vor dem Vormundschafts- 
gericht und die Beschwerdeverfahren § 1827 BGB.; 8§ 16, 19, 20, 21, 23, 
27, 28, 29, 57 Ziff. 9, 59 d. RG. über die freiwillige Gerichtsbarkeit; über 
die Sorge für die Person vgl. §§ 1627—1637, 1666, 1685 BEB. über Beistand- 
schaft §§ 1687—1695 BE#B. 
§ 10.
	        
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