Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

Bedenken gegen die Einbürgerung. §8 9. 71 
auferlegt. Insbesondere konnte die Abweisung des in einem Bundesstaate 
um die Einbürgerung nachsuchenden Ausländers illusorisch gemacht werden, 
wenn derselbe sein Gesuch in einem anderen Bundesstaate wiederholte 
und Erhörung fand. Der Aufnahme des Eingebürgerten in denjenigen 
Bundesstaat, der ihn früher abgewiesen hatte, konnte dann gemäß § 7 des 
alten Gesetzes nicht mehr entgegengetreten werden. Um solches zu verhindern, 
hat die preußische Regierung am 18. Juni 1890 beim Bundesrat beantragt, 
dahin Beschluß zu fassen: „die Bundesregierungen zu ersuchen, auf 
Naturalisationsgesuche früherer Reichsangehöriger und solcher 
Reichsausländer, welche sich in einem anderen Bundesstaate auf- 
gehalten haben oder noch aufhalten, nicht eher Entscheidung zu 
treffen, als bis Gelegenheit zur Außerung den Behörden der- 
jenigen Bundesstaaten gegeben worden ist, welche entweder als 
Heimatstaat des Antragstellers oder weil dieser auf ihrem Ge- 
biete sich aufgehalten hat oder noch aufhält, im Hinblick auf § 1 
Nr. 1 des Gesetzes über die Freizügigkeit vom 1. Nov. 1867 oder 
§# 7 des Gesetzes vom 1. Juni 1870 ein Interesse zur Sache haben.“ 
In seiner Sitzung vom 22. Jan. 1891 hat der Bundesrat den vorstehenden 
Antrag zum Beschlusse erhoben. Durch diesen Beschluß wurde aber die Er- 
kundigung über den Einzubürgernden nur auf denjenigen Bundesstaat be- 
schränkt, zu dem der Antragsteller vorher in irgendwelcher Beziehung, sei es 
durch früheres Heimatrecht oder durch vorhergehenden Aufenthalt, gestanden hat. 
Zu bemerken ist, daß dem Wortlaute des Regierungsentwurfs, welchem 
der erste Satz des § 9 wesentlich entspricht, von der Reichstagskommission der 
zweite Satz des § 9 Abs. 1 hinzugefügt worden ist. — Lenel a. a. O. sagt hierzu: 
„Diese Einschränkung dürfte jeder praktischen Bedeutung entbehren. 
Auf der einen Seite werden Bedenken der vom Reichstag gemeinten Art 
nie der Entscheidung des Bundesrats unterliegen, solange das Reich einiger- 
maßen bei Gesundheit ist. Bestehen solche Bedenken, so ist vielmehr nur 
zweierlei möglich. Sind sie dem Bundesstaat, bei dem die Einbürgerung 
nachgesucht wird, bekannt, so weist er den Antrag von vornherein zurück. 
Erfährt er von ihnen in dem Verfahren nach § 9 Abs. 1 durch Mitteilung 
von seiten eines anderen Bundesstaats, so wird er nun von sich aus sofort 
erklären, daß er den Antrag ablehnen werde, und schon mit Rücksicht auf die 
bundesfreundlichen Beziehungen und die Gegenseitigkeitsverhältnisse es nicht 
erst auf die Entscheidung des Bundesrats ankommen lassen. Ich glaube, daß 
es eine politisch im höchsten Maße bedenkliche Erscheinung sein würde, wenn 
der Bundesrat jemals in die Lage käme, eine Entscheidung nach § 9 fällen 
zu müssen. Auf der anderen Seite hindert der vom Reichstag beschlossene 
Zusatz keinen Bundesstaat, jedes beliebige Bedenken außerhalb des Ver- 
fahrens nach § 9 Abs. 1 ganz in derselben Weise wie bisher mit Erfolg geltend 
zu machen. Kein Bundesstaat wird eine Einbürgerung vornehmen, wenn 
ein anderer irgendein ernsthaftes Bedenken dagegen erhebt. Insbesondere 
dürfte sich an den durch den Bundesratsbeschluß vom 22. Januar 1891 ge- 
schaffenen tatsächlichen Verhältnissen nichts ändern, mit der einzigen Aus-
	        
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