Full text: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz vom 22. Juli 1913.

Einbürgerung einer Witwe oder geschiedenen Ehefrau. § 10. 75 
auf ihr Gesuch wieder verliehen werde, falls sie auch nach der Heirat immer 
in ihrem Geburtslande geblieben ist, oder nach Auflösung der Ehe dorthin 
zurückkehrt. Von allen Staaten war Frankreich der erste, welcher im Code 
civil eine dahingehende Bestimmung traf (vgl. Anhang, II. Teil, Ausland; 
Frankreich Art. 19 Abs. 1 u. 2 in der Fassung d. G. vom 26. Juni 1898). Das 
französische Gesetz vom 26. Juni 1889 bestimmt auch, daß zugleich mit der 
Witwe deren minderjährige Kinder die Staatsangehörigkeit erlangen (vgl. 
ebenda Art. 19 Abs. 3). 
In seiner Naturalisationsakte vom 12. Mai 1870 Sektion 10 Abs. 2 u. 4 
hat Großbritannien eine der französischen ähnliche gesetzliche Bestimmung 
erlassen (vgl. wie oben, Großbritannien). 
In den Vereinigten Staaten, sowie auch in Südamerika sind in den 
bezüglichen Verfassungen gleiche Bestimmungen enthalten. In dem Reichs- 
gesetz vom 1. Juni 1870 fehlte eine ähnliche Bestimmung. 
Ich habe bereits in der dritten Auflage meines Kommentars, S. 114 f., 
sowie der darauffolgenden Broschüre „Zur Reform usw.“, S. 25 f., auf diesen 
Mangel hingewiesen und vorgeschlagen, daß ihm bei der in Aussicht gestellten 
Veränderung des Reichs-= und Staatsangehörigkeitsgesetzes abgeholfen werde. 
Eine dahinzielende gesetzliche Bestimmung wurde auch von dem Regierungs-= 
entwurf vorgesehen. Sie ist sodann von dem Reichstag mit einer Veränderung 
angenommen worden: Der Regierungsentwurf verlangte, daß die Einbürge- 
rung der Witwe nur durch den früheren Heimatsstaat erfolge; die Reichs- 
tagskommission erweiterte diese Bestimmung dahin, daß die Einbürgerung 
aMuch ohne weiteres von dem Bundesstaate gewährt werde, in dessen Gebiet 
die Witwe sich niedergelassen hat. 
Es ist sonderbar, daß in diesem Paragraphen gar nicht der viel zahl- 
reicheren Fälle gedacht wird, in denen die Deutsche einen in ihrem Geburts- 
land wohnhaften Ausländer ehelicht und bei der Auflösung der Ehe daselbst 
noch wohnhaft ist, so daß es also im wahren Sinne des Wortes gar keiner „Nieder- 
lassung“ bedarf. 
In seinem im Jahre 1804 veröffentlichten Code civil hat Frankreich die 
verschiedenen Fälle des Wiedererwerbs der Staatsangehörigkeit seitens einer 
Witwe klar und präzis in vier Zeilen festgelegt. Die hier angeregte Stelle heißt: 
„Si son mariage est dissous par la mort du mari ou le divorce elle 
recouvre la qualité de Française avec H’autorisation du gouvernement 
pourvu qu’'elle réside en France ou qu’'elle y rentre en déclarant du’elle 
veut 8y fixer.“ 
(Vgl. auch die Anm. zu § 17 Ziff. 6 d. G.) 
2. Witwe. 
Als Witwe im Sinne des § 10 ist auch die Frau eines für tot erklärten 
Ausländers anzusehen, wenn die Todeserklärung nach den deutschen Gesetzen 
wirksam ist. Eine als nichtig erklärte Ehe ist für die Staatsangehörigkeit der 
Frau ohne Wirkung,“) so daß hier ein Wiedererwerb der Staatsangehörigkeit 
*) So auch Seydel a. a. O. S. 145; a. M bayr. VH. 12 S. 1 ff.; vgl. 
§ 6 Anm. 8. 
8 10.
	        
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