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betrieb nach einem seststehenden Sprachgebrauche nur diejenigen Arbeiter bezeichnet, welche eine für
ihr Gewerbe erforderliche technische Ausbildung besitzen im Gegensatze zu den Lehrlingen, welche im
Begriffe stehen, diese Ausbildung sich anzueignen und den Handarbeitern, Handlangern, welche rein
mechanische Dienste verrichten. In gleicher Weise können auch Arbeiter, die im nicht handwerks-
mäßigen Gewerbebetrieb thätig sind, als Gewerbegehilfen im Sinne des Gesetzes nur anerkannt
werden, insoweit sie für das Gewerbe, in welchem sie arbeiten, technisch ausgebildet sind.
Bereits unter der Herrschaft des preußischen Gesetzes vom 21. Mai 1855, welches in Art. 5
die gleichen Kategorien von Personen, wie §. 29 des Reichsgesetzes aber mit dem Zusatze .und so
weiter“ aufählte war anerkannt, daß nur dieser Zusatz es ermögliche, gewöhnliche Fabrikarbeiter,
sofern sie in einem festen Dienstverhältnisse standen, dem Gesetze zu unterstellen. Nachdem
Redaktion des aus Art. 5 cit. hervorgegangenen §. 29 des Neichsgesetzes der Zusatz gestrichen
worden ist, um einer schrankenlosen Ausdehnung des Gesetzes vorzubeugen, kann um so weniger
angenommen werden, daß der Ausdruck „Gewerbegehilse“ in einem von der bisherigen Auslegung
abweichenden Sinne gebraucht worden sei, der den Kreis der unter das Gesetz fallenden Personen
noch mehr erweitern würde, als die frühere Fassung zuließ.
Präjudizien des Bundesamtes für das Heimathwesen.
36. Wenn die Aufnahme eines während seines Dienstverhältnisses erkrankten Dienstboten in ein
Krankenhaus auf Veranlassung des Dienstherrn und gegen das Erbieten desselben zur Kostenerstattung erfolgt
ist, so ist der sechswöchentliche Zeitraum, während dessen der Armenverband des Dienstortes nach §. 29 des
Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 Erstattung der verauslagten Kur= und Verpflegungskosten zu fordern nicht
berechtigt ist, erst von dem Tage an zu rechnen, an welchem die Kostenerstattung des Dienstherrn aufgehört hat
und in Folge dessen die Nothwendigkeit der öffentlichen Fürsorge eingetreten ist.
172/72. L. A. V. Alt-Pommern contra Demmin.
37. Auslagen für die gewöhnliche Wäschereinigung gehören zu den unter Nr. 1 des preußischen Tarifs
vom 21. August 1871 pauschalisirten Verpflegungskosten.
Erk. 14. Januar 1873. Prritz contra Bromberg 157)/72.
Erk. 8. Februar 1873. Prritz contra Heiligenstadt 5/73.
38. Unter dem vermeintlich verpflichteten Armenverbande, welchem nach §. 34 des Reichsgesetzes vom
6. Juni 1870 der Ersatzanspruch des vorläufig unterstützenden Armenverbandes bei Verlust desselben binnen
sechs Monaten angemeldet werden muß, ist derjenige Armenverband zu verstehen, welcher demnächst klagend in
Anspruch genommen wird.
Von dem Verluste werden bei fortlaufender Unterstützung nur diejenigen Erstattungsforderungen betroffen,
welche außerhalb des sechsmonatlichen vor der Anmeldung liegenden Zeitraums entstanden sind.
39. Der Lauf der in 5. 34 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 geordneten sechsmonatlichen Prä-
klusivfrist begann für Ersatzansprüche, welche vor der Geltung des Reichsgesetzes entstanden sind, mit dem Tage,
an welchem das Gesetz in Kraft trat, dem 1. Juli 1871. ’
Erk. 19. November 1872. Weslpreußen contra Kulm 102/72.
40. Arbeiter, welche für ein Gewerbe thätig sind, ohne die zu dessen Betreibung erforderliche technische
Auebllhung. u besitzen, zählen nicht zu den Gewerbegehilfen im Sinne des §. 29 des Reichsgesetzes vom
.Juni