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Indessen würde der geforderte Verpflegungssatz von 10 resp. 121½ Sgr. täglich als ange-
messene Vergütung des Verpflegungsaufwandes zu betrachten und auch von Armenverbänden zu
vergüten sein, wenn erweislich dieser Aufwand, soweit er durch das individuelle Bedürfniß des
einzelnen Kranken verursacht ist, in den Jahren 1870 und 1871 durchschnittlich ebensoviel oder mehr
betragen hätte. Dies ist nicht dargethan. Kläger gelangt zu dem Ergebnisse eines durchschnlttlichen
Aufwandes von 13½/ Sgr. excl. Verwaltungskosten nur auf dem Wege, daß er von den Verwal-
tungskosten diejenigen Ausgaben ausscheidet, welche durch den Hinzutritt von auswärtigen Kranken
im Ganzen vermehrt werden, ohne durch das Bedürfniß des einzelnen Kranken eine Steigerung zu
erfahren. Diese Rechnungsweise entspricht dem Begriffe, welchen das Relchsgesetz in §. 30 mit
dem Ausdrucke allgemeine Verwaltungskosten verbindet, schlechterdings nicht. Derselbe umfaßt alle
Kosten, welche nicht durch die Verpflegung des einzelnen Kranken und dessen individuelles Bedürfniß
verursacht werden. Mit demselben Rechte, wie Kläger beispielsweise die Ausgaben für Feuerung
und Beleuchtung des Krankenhauses, oder den Expeditionsaufwand antheilig zu den indivlduellen
Kosten rechnet, könnte der Armenverband, welcher sein Krankenhaus mit Rücksicht auf den Hinzu-
tritt von auswärtigen Kranken größer angelegt hat, als das Bedürfniß der einheimischen Kranken
erfordert, die Zinsen des Anlagekapitals und den Unterhaltungsaufwand repartiren. Es wird kaum
eine Ausgabe zu finden sein, welche nach dieser Auffassung der Kategorie der allgemeinen Verwal-
tungskosten unbedingt angehört, da fast alle Ausgaben durch die Zahl der Kranken mehr oder
weniger beeinflußt werden, also nicht unverrückbar feststehen.
Mit Recht hat daher der erste Richter im Anschlusse an die Aufstellung des Klägers ange-
nommen, daß ausschließlich der besonders nachzuweisenden etwaigen Ausgaben für Kleidung der
durchschnittliche Betrag an individuellen Verpflegungs- und Arzeneikosten sich nicht höher als auf
7½ Sgr. täglich stellt. Wenn der Armenverband Dresden der formell getrennten Kasse des Stadt-
Krankenhauses mehr vergütet, so ist er doch nach §. 30 cit. nicht berechtigt, dieses Plus anderen
Armenverbänden zur Erstattung zu liquidiren, da dasselbe als ein Beitrag zu den allgemeinen Ver-
waltungskosten einschließlich des Honorars der Krankenhaus-Aerzte erscheint, welche, wie Kläger zu-
giebt, sämmtlich fest remunerirt, wenn auch theilweise nicht definitiv angestellt find. Daß übrigens
das städtische Krankenhaus in Dresden eine Armenanstalt ist, obwohl es auch zahlungsfähige Kranke
verpflegt und besonders verwaltet wird, unterliegt keinem Zweifel, indem dasselbe zur Verpflegung
aller derjenigen armen Kranken dient, welche der Krankenpflege in einer Anstalt bedürfen.
Daß der erste Richter bei Feststellung der Ersatzforderung nur 325 Verpflegungstage ange-
nommen hat, während Kläger 328 Tage in Rechnung slellt, gereicht letzterem deshalb nicht zur
Beschwerde, weil ihm ohnehin mehr zugebilligt worden ist, als ihm gebührt. Denn da vor dem
Inkrafttreten des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 kein sächsischer Armenverband gegen einen
preußischen, Anspruch auf Ersatz von
Armenpflegekosten hatte, und zwischen den durch die Eisenacher
Konvention vom 11. Juli 1853 verbundenen Staaten, zu welchen auch Sachsen und Preußen ge-
hörten, die Erstattung von Aufwendungen für Krankenpflege sogar vertragsmäßig ausgeschlossen
war, so kann Kläger von dem jetzigen Verklagten für die Verpflegung in der Zelt vom 23. Mai
bis 30. Juni 1871 überhaupt nichts fordern. Dles ist vom Kläger selbst in den Vorverhandlungen
auch anerkannt, bei der Klageerhebung aber unberücksichtigt gelassen, und vom ersten Richter über-
sehen worden. Wenn hiernach Kläger höchstens 272 Verpflegungstage in Rechnung stellen durfte,
so ist ihm dadurch keln Unrecht geschehen, daß die Zahl der Verpflegungstage in erster Instanz nur
auf 325 herabgesetzt worden ist.
Das erste Erkenntniß, welches zum Nachtheil des Klägers in Ermangelung einer Berufung
des Verklagten nicht abgeändert werden durfte, war daher aufrecht zu erhalten und Kläger zur
Tragung der durch sein grundloses Rechtsmittel verursachten baaren Auslagen zu verurtheilen.