Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Dritter Jahrgang. 1875. (3)

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häufig entgegenstellen, sowie um eine schleunigere Feststellung und Abwickelung der Entschädigungsansprüche 
und dadurch eine Verminderung der Prozesse herbeizuführen, hat die Kaiserliche General-Direktion der Eisen- 
bahnen in Elsaß-Lothringen die im Bereiche des Bahngebiets befindlichen Handelsvereine und Handels- 
kammern veranlaßt, für die verschiedenen ee des Handels, der Industrie und der Gewerbe ein= für 
allemal bestimmte Sachverständige zur Feststellung des Thatbestandes und zur Begutachtung des Geldwerths 
der Beschädigung, zu wählen. 
" Diese Sachverständigen sind als solche vor Gericht ein= für allemal vereidet und ist bezüglich deren 
Zuziehung folgende Anordnung getroffen: 
1. Wird bei Entladung einer Waare seitens der Expedition eine Beschädigung entdeckt, so ist 
der Adressat der Sendung ohne Verzug hiervon zu benachrichtigen. 
2. In dringenden Fällen, insbesondere dann, wenn Verlust oder Verderb des Gutes zu be- 
fürchten steht, hat gleichzeitig durch die Expedition Berufung der betreffenden Sachver- 
ständigen zu erfolgen und zwar, wenn der Schaden bis zu 25 Franken geschätzt wird, ein 
Sachverständiger, wenn er sich voraussichtlich höher belaufen wird, zwei Sachverständige. 
3. Liegt keine Gefahr für die Erhaltung des Gutes vor, so werden die Sachverständigen erst 
dann berufen, wenn der Adressat Entschädigung verlangt und eine Einigung ohne Zuziehung 
der Experten nicht erfolgt, bezw. nicht erfolgen kann. In diesem Falle wird ein  
Sachverständiger seitens der Güter-Expedition und einer seitens des Adressaten bezeichnet und hat 
deren Heranziehung alsbald durch die Expedition zu erfolgen. 
Das gleiche Verfahren tritt ein, wenn der Adressat bei Entladung seiner Waaren eine 
Beschädigung vorfindet und für dieselbe die Eisenbahnverwaltung verantwortlich zu machen 
beabsichtigt: 
4. Sowohl dem Vertreter der Eisenbahnverwaltung, als auch dem Adressaten steht es frei, 
bestimmte Fragen über die Entstehung, den Werth ect. der Beschädigung an die Sachver- 
ständigen zu richten und sind deren Antworten in dem Gutachten niederzulegen. 
5. In allen Fällen, in welchen voraussichtlich die Beschädigung den Betrag von 25 Franken 
übersteigen wird, haben die Expeditionen außer den Adressaten auch den Güter-Inspektor 
behufs etwa erforderlich erscheinender spezieller Instruktion zu benachrichtigen. 
Wenngleich bezüglich der Entschädigungsfrage selbst es beiden Theilen überlassen bleibt, sich dem 
Gutachten der Sachverständigen zu fügen oder nicht und eventuell den Rechtsweg zu beschreiten, so steht doch 
die Zweckmäßigkeit der getroffenen Einrichtung außer Frage. Durch sie wird insbesondere erreicht, daß der 
Umfang und der Geldwerth einer jeden Entschädigung alsbald festgestellt, die Abnahme des Guts von 
Seiten der Empfänger erlangt, der Gegenstand des Streits begrenzt und eine Vergrößerung des Schadens 
vermieden wird. Die Einrichtung hat in Elsaß-Lothringen dadurch bedeutend an Werth gewonnen, daß die 
sämmtlichen Mitglieder der Handelsvereine bezw. der Handelskammern sich verpflichtet haben, den durch die 
Sachverständigen festgestellten Thatbestand anzuerkennen, wie auch andererseits die Eisenbahnverwaltung 
solchen gegen sich gelten läßt und daß ferner bei Beschreitung des Rechtsweges wegen der Entschädigungs- 
pflicht die Handelsgerichte die Zuziehung der ständigen Experten als Regel zugesichert baben. 
Die Unparteilichkeit der aus den besten Kreisen des Handelsstandes ect. gewählten Sachverständigen 
hat sich bethätigt und ist seit Handhabung dieser Einrichtung nicht nur eine Beschränkung der Prozesse, son- 
dern auch eine Abnahme der Reklamationen, insbesondere solcher bemerkbar gewesen, welche in der unreellen 
Absicht, die Eisenbahnverwaltung zu übervortheilen, angebracht werden. 
Das Reichs-Eisenbahn-Amt nimmt deshalb Anlaß, den übrigen deutschen Eisenbahnverwaltungen, 
namentlich solchen, deren Linien große Handelsplätze berühren, die Nachahmung dieser Einrichtung mut. mut. 
dringend zu empfehlen. 
Einer Anzeige über das Veranlaßte sieht das Reichs-Eisenbahn-Amt innerhalb 6 Monaten entgegen. 
  Berlin W., den 11. Januar 1875. 
                        Das Reichs-Eisenbahn-Amt. 
                                           Maybach. 
An sämmtliche Eisenbahnverwaltungen Deutschlands 
(exkl. derienigen Bayerns). 
  
 
 
 
  
 
	        
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