Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Sechster Jahrgang. 1878. (6)

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Deutschen adoptirten Systeme der Gesetzgebung der Vater als Ortsarmer, seine hülfsbedürftig 
gewordenen Kinder als Landarme behandelt werden können. Hiervon als selbstverständlich ist 
das Bundesamt auch bereits in dem Erkenntnisse vom 9. Dezember 1876 — Wohlers Heft 8, 
Seite 142 — bezüglich der unehelichen Kinder einer Mutter ausgegangen, welche, obgleich Aus- 
länderin, im Sinne des Reichsgesetzes den Unterstützungswohnsitz in Preußen vom 1. Juli 1871 
an auf Grund des §. 64 des Ausführungsgesetzes erworben hatte. Die Anwendung gleicher 
Grundsätze auf den Ausländer wie auf den Deutschen kann sich auch nicht beschränken auf die- 
jenigen Familienglieder des ersteren, welche sich in seinem Hausstande und somit mit ihm in 
demselben Ortsarmenverbande befinden. Denn das Gesetz und die dasselbe erläuternden Mate- 
rialien sprechen dagegen, daß in dieser Richtung eine Grenze habe gezogen werden sollen. Behält 
mithin auch das Kind eines in Preußen zum Unterstützungswohnsitze berechtigten Ausländers das 
Hülfsdomizil des letztern nach §. 18 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 so lange bei, bis es 
dasselbe nach S§. 22 Nr. 2, 23 bis 27 ib. verloren oder selbst einen anderweitigen Unterstützungs- 
wohnsitz nach Vorschrift der §§. 9 bis 14 ib. erworben hat, so fehlt gleichmäßig jeder gesetzliche 
Anhalt dafür, dem Kinde, welches an dem Hausstande des Vaters nicht theilgenommen hat, 
vielmehr im Auslande verblieben ist, nicht dessen Unterstützungswohnsitz in gleichem Umfange 
beizulegen. Selbstverständlich tritt der getheilte Unterstützungswohnsitz des Vaters erst alsdann 
in Wirksamkeit, wenn das im Auslande verbliebene Kind im Geltungsgebiete des Reichsgesetzes 
hülfsbedürftig wird, da die Armengesetzgebung des Reichs nur den in ihrem Geltungsgebiete 
bestehenden Armenverbänden Rechte verleiht und Verpflichtungen auferlegt. Der Unterstützungs- 
wohnsitz des Vaters bethätigt mithin jene Wirksamkeit auch hinsichtlich des im Auslande verblie- 
benen Kindes so lange, als nicht durch 2jährige Abwesenheit nach vollendetem 24. Lebensjahre 
von dem Ortsarmenverbande des Unterstützungswohnsitzes die Beziehungen des Kindes zu dem- 
selben gelöst sind, oder letzteres einen andern Unterstützungswohnsitz erworben hat. Der von 
dem ersten Richter betonten, mit vollendetem 24. Lebensjahre vorhandenen Großjährigkeit und 
Selbständigkeit des Ausländers kann bei ihm armenrechtlich keine weitere Bedeutung beigelegt 
werden, als bei einem Deutschen, nämlich die, daß der 24jährige fähig wird, den Unterstützungs- 
wohnsitz selbständig zu erwerben und zu verlieren. 
Im vorliegenden Falle hat nun, wie der Verklagte in dieser Instanz nicht mehr be- 
streitet, der Vater des Jakob H., Mathias H., welcher bayerischer Staatsangehöriger, mithin, da 
in Bayern das Reichsgesetz vom 6. Juni 1870 nicht eingeführt worden, Ausländer im Sinne 
dieses Reichsgesetzes resp. des preußischen Ausführungsgesetzes ist, durch langjährigen Aufenthalt 
in Elversberg Unterstützungswohnsitz daselbst erworben. Sein am 23. März 1852 geborner 
Sohn Jakob H. war bei dem Eintritte seiner Hülfsbedürftigkeit in Kassel — am 11. Januar 
1877 — erst 24 Jahre alt, theilte mithin nach den zufolge des §. 64 des preußischen Aus- 
führungsgesetzes auf ihn anwendbaren Grundsätzen des Reichsgesetzes in diesem Zeitpunkte noch 
das Hülfsdomizil des Vaters. Elversberg kann sich daher nicht entziehen, die von ihm gesor- 
derten Kosten zu erstatten. 
  
7. Konsulat— Wesen. 
Seie Mgjestät der Kaiser und König haben im Namen des Reichs den Kausmann Wilhelm von Khaynach 
in Madrid zum Konsul zu ernennen geruht. 
  
Den Kaiserlichen Vize-Konsul C. Stoeß in Liverpool ist die nachgesuchte Entlassung aus dem Kon- 
sulatsdienste ertheilt worden. 
 
	        
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