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bereits fünf Wochen hindurch verpflegt hatte, event. nur bereit, die in der ersten Woche der Königsberger
Kur erwachsenen Kosten zu tragen.
Das Königliche Bezirksverwaltungsgericht zu Königsberg verurtheilte den Beklagten nach dem Klage-
antrage und das Bundesamt hat auf die Berufung des Beklagten dieses Urtheil durch Erkenntniß vom
28. April 1883 bestätigt. Die
Gründe
lauten:
Es ist dem Beklagten zuzugeben, daß für ihn, wenn D. unter Verzichtleistung auf die weitere Ver-
pflegung sich freiwillig von Mahnsfeld nach Königsberg begeben hätte, keine Veranlassung bestand, den Er-
krankten zwangeweise zurückzuhalten. Er durfte ihm aber unter keinen Umständen bei seinem Fortkommen
behülflich sein; jede Beförderung der Entfernung, in welcher Form sie auch erfolgt sein mag. würde eine
Verletzung des in §. 28 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 aufgestellten Grundsatzes enthalten, wonach
jeder Hülfsbedürftige am Orte seines jeweiligen Aufenthalts zu unterstützen ist. Nun hat aber D., wie die
vorliegenden Verwaltungsakten des Klägers ergeben, bei seiner Vernehmung am 31. März 1881 erklärt, er
sei Tags zuvor von seinem Arbeitgeber — dem zugleich als Vertreter des beklagten Armenverbandes fungi-
renden Gutsbesitzer G. mittelst Fuhre von Mahnsfeld nach Kobbelbude geschickt, um sich mit der Bahn
nach Königsberg zu begeben und in einer Krankenanstalt kuriren zu lassen. Hierdurch hat sich der Beklagte,
mag diese Fortschaffung auch auf Wunsch des D. geschehen sein, der ihm obliegenden Fürsorgepflicht ent-
ledigt und er haftet deshalb für die durch die weitere Verpflegung entstandenen Kosten. Ohne Bedeutung
ist es, wenn Beklagter einwendet, es sei D. von Königsberg her bereits krank und hülfsbedürftig gekommen,
da nicht behauptet ist, daß derselbe schon damals in Königsberg Armenpflege in Anspruch genommen hat,
beziehungsweise, daß seine Hülfsbedürftigkeit in sonst erkennbarer Weise daselbst hervorgetreten sei. Ebenso
verfehlt ist es, wenn Beklagter, da er nach seiner Angabe den D. bereits fünf Wochen verpflegt hatte, unter
Berufung auf §. 29 des Reichsgesetzes sich eventuell nur für verpflichtet erachtet, die in der ersten Woche der
Königsberger Kur entstandenen Kosten zu tragen, da der dem F. 28 des Reichsgesetzes zuwiderhandelnde
Armenverband, auch wenn er zugleich Dienstort ist, dem benachtheiligten Armenverbande die aufgewendeten
Armenpflegekosten unbeschränkt ersetzen muß und es ihm überlassen bleibt, sich wegen der etwaigen Ansprüche
an den Armenverband des Unterstützungswohnsitzes zu halten. Der aus der angeblichen Verspätung der An-
meldung des Pflegefalles in erster Instanz hergeleitete, in der Berufungsschrift nicht wiederholte Einwand er-
ledigt sich dadurch, daß §. 29 des Reichsgesetzes nur den verpflegenden Dienstort verpflichtet, dem fürsorge-
pflichtigen Armenverband spätestens sieben Tage vor Ablauf des sechswöchentlichen Zeitraums Anzeige zu
machen, aber auf das Verhältniß zwischen dem vorläufig unterstützenden Verbande und dem Dienstort keine
Anwendung sindet.
Zu §. 56 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870
hat das Bundesamt in konstanter Judikatur angenommen, daß die in jener Vorschrift angeordnete Zu-
ständigkeit der Spruchbehörde des Aufenthaltsorts erst dann eintrete, wenn vorab mittelst vollstreckbaren Er-
kenntnisses oder doch durch ein nach §. 53 Reichsgesetz vollstreckbares, ein solches Erkenntniß ersetzendes
Anerkenntniß die dauernde Hülfsbedürftigkeit und die Uebernahmepflicht festgestellt worden sei, daß aber,
wenn in einem auf Grund des §. 56 a. a. O. anhängig gemachten Rechtsstreit die Uebernahmepflicht an
sich von dem betreffenden Armenverbande ohne weiteres anerkannt werde, die Klage auf Belassung am
Aufenthaltsorte nicht deshalb abzuweisen sei, weil die Uebernahmepflicht nicht vorher mittelst besonderen
Erkenminisses festgestellt worden wäre. Wohlers, Entscheid. Heft V. S. 126 ff.; VII. S. 141, 147;
S. 140.
Neuerdings wurde auf Grund des §. 56 a. a. O. ein Rechtsstreit anhängig gemacht, in welchem
der Beklagte im Laufe des Verfahrens das Vorhandensein von Hülfsbedürftigkeit bestritt, das angerufene
Gericht aber sowohl für die Klage auf Uebernahme wie für den Antrag auf Belassung am Aufenthaltsorte
zuständig war.
Der Ortsarmenverband Thorn, welcher die in Mocker bei Thorn ortsangehörige unverehelichte K.
seit November 1881 unterstützt hatte, beantragte in einer Eingabe vom 10. Juni 1882 bei dem Königlichen