Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Elfter Jahrgang. 1883. (11)

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3. Heimath-Wesen. 
  
Zur Auslegung des §. 34 des Unterstützungswohnsitz-Gesetzes vom 6. Juni 1870. 
Bezüglich der Rechtsfolgen, welche die Versäumung der in §. 34.des Unterstützungswohnsitz-Gesetzes 
vom 6. Juni 1870 vorgeschriebenen Anmeldefrist hat, steht die Anschauung des Großherzoglich badischen 
Verwaltungsgerichtshofes zu Karlsruhe mit der Rechtsprechung des Bundesamts für das Heimathwesen in 
Widerspruch. Während nach der Auffassung des letzteren durch die Versäumniß rechtzeitiger Anmeldung der 
Kostenerstattungsanspruch nur insoweit präkludirt ist, als die Kosten früher als sechs Monate vor der 
Anmeldung erwachsen sind (Wohlers Entscheid. Heft II S. 104, 105; Heft III S. 114, 115), erachtete 
der Großherzogliche Verwaltungsgerichtshof bisher den ganzen Anspruch als verwirkt. In einem neuerdings 
anhängig gewordenen Rechtsstreite verließ der Gerichtshof diese Auffassung und erklärte den Ersatzanspruch 
nur bezüglich der vor der Anmeldung entstandenen Kosten, nicht auch hinsichtlich der erst nach diesem 
Zeitpunkte erwachsenen, für erloschen. 
Der Ortsarmenverband Ottenhausen, Königlich württembergischen Oberamts Neuenburg, hatte den 
Christian K. mit geringen Unterbrechungen vom 25. Juni 1880 bis zu seinem am 25. April 1881 erfolgten 
Ableben unterstützt. Der Pflegefall wurde zunächst am 31. März 1881 beim Königlichen Oberamt Neuen- 
burg, als der vorgesetzten Aufsichtsbehörde der Gemeinde Ottenhausen, und demnächst am 3. Juni 1881Föbei 
dem Landarmenverband des Kreises Karlsruhe, als dem vermeintlich definitiv unterstützungspflichtigen Armen- 
verband, angemeldet. 
Letzteren Verband nahm Ottenhausen darauf wegen Ersatzes der in den letzten 6 Monaten vor 
dem 1. April 1881 erwachsenen Auslagen mit zusammen 169 —¾ 81 in Anspruch. 
Der in erster Instanz entscheidende Bezirksrath zu Karlsruhe wies im Anschluß an die von dem 
dortigen Verwaltungsgerichtshofe bisher vertretene Auffassung die Klage zurück. 
Der Großherzogliche Verwaltungsgerichtshof, an welchen die Sache auf die Berufung des Klägers dem- 
nächst zur Entscheidung gelangte, bestätigte zwar das erste Urtheil, verließ aber, wie schon bemerkt, seine 
bisherige Praxis. Die 6 d 
ründe 
des Erkenntnisses vom 23. Januar 1883, in welchem die neue Ansicht dieses Gerichtshofes ausführlich 
motivirt wird, lauten: 
Das abpweisende unterrichterliche Erkenntniß erscheint gerechtfertigt, weil Kläger unterlassen hat, die 
am 26. Juni 1880 begonnene öffentliche Unterstützung K's. binnen der gesetzlichen Frist von 6 Monaten ge- 
hörigen Orts anzumelden (§. 34 Unterst. W. Ges.), diese Meldung dem Ortsarmenverbande Karlsruhe viel- 
mehr erst mit Zuschrift vom 3. Juni 1881 hat zugehen lassen. Der Kläger beruft sich zwar auf die in der 
bisherigen Praxis des Bundesamtes kund gegebene Ansicht, der gemäß die Bestimmung des §. 34 des Reichs- 
Unterstützungswohnsitzgesetzes im Sinne einer 6 monatlichen Verjährung einer Tag für Tag fällig werdenden 
Forderung auszulegen sei, so daß ein Ersatz nur bezüglich derjenigen Unterstützungsleistungen wegfalle, welche 
schon mehr als 6 Monate vor der bewirkten Anmeldung gemacht worden sind, weshalb im vorliegenden Falle 
noch ein Unterstützungsrest von 168.¾“ 81 4&V zum Ersatz verbleibe. Allein die rechtliche Ueberzeugung des 
Verwaltungsgerichtshofs verstattet demselben nicht, dieser Auslegung des §. 34 des Unterstützungswohnsitz- 
Gesetzes beizutreten. 
Indem der Gesetzgeber die öffentliche Unterstützungspflicht auf den Unterstützungswohnsitz als ein in 
gewissem Sinne dauerndes Verhältniß gründete, mußte er gleichzeitig für den Fall Vorsorge treffen, in welchem 
der Hülfsbedürftige an einem anderen Orte, als an dem des pflichtigen Unterstützungswohnsitzes seinen Auf- 
enthalt hat. Es geschah dies durch Konstituirung der provisorischen Unterstützungspflicht des Auf- 
enthaltsortes. 
Indem sonach letzterer für den definitiv pflichtigen Ort des Unterstützungswohnsitzes einzutreten, 
also dessen Geschäft zu besorgen hat, erscheint er schon nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen verpflichtet, sich 
dieser Besorgung in einer Weise zu unterziehen, daß dabei das Interesse des Geschäftsherrn, d. i. des definitiv 
pflichtigen Armenverbandes in keiner Weise beeinträchtigt wird. Diese rechtlich gebotene Rücksicht erfordert 
 
	        
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