Full text: Central-Blatt für das Deutsche Reich. Elfter Jahrgang. 1883. (11)

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Urtheil des Reichsgerichts vom 2. Mai 1883, betreffend die Anwendung des Reichs-Stempel- 
gesetzes vom 1. Juli 1881. 
Im Namen des Reichs. 
In der Strafsache wider die Kaufleute M. und M. in M. wegen Stempelsteuervergehens, hat das Reichs- 
ailt dritter Strassenat, in der öffentlichen Sitzung am 2. Mai 1883, nach mündlicher Verhandlung für 
echt erkannt: 
daß auf die Revision der Angeklagten und der Königlichen Staatsanwaltschaft das Urtheil der 
Strafkammer des Königlich preußischen Landgerichts zu M. vom 3. Februar 1883 nebst den 
demselben zu Grunde liegenden thatsächlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache zur ander- 
weiten Verhandlung und Entscheidung an die vorige Instanz zurückzuverweisen. 
Von Rechts Wegen. 
Gründe. 
Die Angeklagten Kaufleute, M. und M., Inhaber der Firma M. & M. in M., stehen unter der 
Anklage, im Jahre 1881 am 8. und 9. November sowie am 4. Dezember, und im Jahre 1882 am 
31. Mai, 8. und 10. Juni sechs Schriftstücke, in denen die Anklage Schlußnoten über den Abschluß von 
Zuckerverkaufs= und Melasseankaufs-Geschäften erblickt, ausgestellt, dabei aber unterlassen zu haben, dieselben 
mit dem in §. 6 des Reichsgesetzes, betreffend die Erhebung von Reichsstempelabgaben, vom 1. Juli 1881 
vorgeschriebenen Stempel von je 20 Pf. zu versehen. Das Urtheil des Schöffengerichts zu M. vom 15. Sep- 
tember 1882 hat die Stempelpflichtigkeit der Schriftstücke verneint und die Angeklagten freigesprochen. Das 
dermalen angefochtene Berufungsurtheil der Strafkammer des Landgerichts zu M. vom 3. Februar 1883 
erkennt deren Stempelpflichtigkeit an und verurtheilt auf Grund der Feststellung, daß jeder der beiden 
Firmen-Inhaber je zwei der Schriftstücke unterschrieben habe, jeden derselben wegen Stempelsteuer-Kontravention 
auf Grund von §. 8 des angezogenen Gesetzes in zwei Fällen zu Strafe, während die Angeklagten je hin- 
sichtlich der vier übrigen von ihnen nicht unterschriebenen Schriftstücke von der Anklage freigesprochen worden 
sind. Gegen die Verurtheilung ist von den Angeklagten, gegen die Freisprechung von der Königlichen 
Staatsanwaltschaft Revision eingelegt; von der letzteren ist bei Einsendung der Akten auf die Entscheidung 
des Reichsgerichts angetragen worden. 
Die Zuständigkeit des Reichsgerichts zur Ertheilung dieser Entscheidung ist, da nach s. 32 des an- 
gezogenen Gesetzes vom 1. Juli 1881 der Ertrag der in dem letzteren angeordneten Abgaben in die Reichs- 
kasse fließt und der erforderliche Antrag der örtlichen Staatsanwaltschaft vorliegt, nach §. 136 Absatz 2 des 
Gerichtsverfassungsgesetzes nicht zu bezweifeln. Daß nach dem Schlußsatze des 8. 32 eit. der Ertrag der 
Abgabe aus der Reichskasse den einzelnen Bundesstaaten zu überweisen ist, schließt die Eigenschaft der Ab- 
gabe als einer in die Reichsskasse fließenden nicht aus. 
Was die Sache selbst anlangt, so hat beiden Revisionen Erfolg nicht versagt werden können. 
1. Die Revision der Angeklagten betreffend. 
Nach den in dem Berufungsurtheile getroffenen thatsächlichen Feststellungen handelt es sich bei den 
sechs in den den Untersuchungsakten beiliegenden Akten der Steuerbehörde im Originale befindlichen Schrift- 
stücken um „Geschäftsbriefe"“; der erste derselben vom 8. November 1881 lautet nach Inhalt und äußerer 
Fassung wörtlich folgendermaßen: 
  
  
An 
die Zuckerfabrik 
N. 
Wir empfingen Ihre werthe Depesche mit Zusage und freuen uns, Ihnen mittheilen zu 
können, daß wir noch 15 3 mehr herausgeholt haben, wonach der für Ihre werthe Rechnung 
vermittelte Verkauf also wie folgt in Ordnung geht: 
An Herrn Z. & B. hier 1000/1500 Nachprodukt lt. Probe und zum Preise von 
% 270 netto Ctr. incl. Sack; franko Neufahrwasser, Basis 90 % Polarisation von 
 
	        
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