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die Unterscheidung des Stearins von dem sogenannten Preßtalge, d. i. dem unreinen Preßrückstande
des unzersetzten Talgs von der Kunstbutterfabrikation, dessen Erstarrungspunkt in der Regel über 40° C.
liegt, so hat eine Untersuchung der von der Waare zu entnehmenden Durchschnittsprobe in Bezug auf
ihren Gehalt an Fettsäure im Wege des Titrirverfahrens durch Sachverständige einzutreten. Wird
bei der Titration in der Waarenprobe ein Gehalt von mehr als 25 Prozent freier Fettsäure ermittelt, so
ist die betreffende Waare als Stearin oder Stearinsäuremasse anzusehen.
II. Bestehen bei der zollamtlichen Abfertigung eines nicht in Schmalz von Schweinen oder
Gänsen bestehenden thierischen Fetts Zweifel darüber, ob dasselbe bei einer Temperatur von 14 bis 15° R.
beziehungsweise 17,) bis 18,5° C. schmalzartige Konsistenz zeigt oder nicht, so hat eine Untersuchung
des Fetts auf seine von dem Gehalt an flüssigen Oelen bedingte größere oder geringere Diffusions-
(Fleckenbildungs-Fähigkeit zu erfolgen und sind solche Fette, deren Diffusionsfähigkeit diejenige eines
aus gleichen Gewichtsmengen Schweineschmalz und Rindertalg zusammengesetzen Normalfetts übersteigt,
als Fette von schmalzartiger Konsistenz zu behandeln.
Das Normalfett haben die Zollabfertigungsstellen selbst zu bereiten, indem sie Schweineschmalz
und Rindertalg von einem als reell bekannten Schlächter kaufen, gleiche Gewichtsmengen derselben in
einem Gefäß mischen und das Gemisch durch Eintauchen des Gesäßes in heißes Wasser zusammenschmelzen.
Beim Einkauf des Schweineschmalzes ist besonders darauf zu achten, daß dasselbe nicht bereits, wie häufig
geschieht, vom Schlächter mit Talg versetzt worden ist. Das Normalfett ist in dicht verschlossenen, mit
eingefetteten Glasstöpseln versehenen Präparatenflaschen aufzubewahren und von Zeit zu Zeit, spätestens
nach Ablauf von drei Monaten, zu erneuern.
Von dem zu prüfenden Fett ist eine Durchschnittsprobe nach dem unter I angegebenen Ver-
fahren herzustellen. ·
Die Vergleichung der Diffusionsfähigkeit dieser Durchschnittsprobe mit derjenigen des Normal-
fetts ist in einem zugfreien Raum vorzunehmen, dessen Temperatur etwa 17,)7 C. beträgt. Sowohl
die Durchschnittsprobe als auch das Normalfett sind bei der Prüfung gleichzeitig, jedoch gesondert,
wie folgt zu behandeln: zunächst ist das Fett einer Umschmelzung zu unterziehen, um eine etwa einge-
tretene Abthranung (Abscheidung der härteren Bestandtheile, des Stearins und Palmitins, von den
weicheren, dem Olein) zu beseitigen. Nach dem vollständigen Erkalten wird das Fett in einem Porzellan-=
mörser während zehn Minuten mäßig zerrieben und demnächst sofort mittelst eines Metallspatels in ein
dünnwandiges Gefäß von Glas oder Porzellan übergeführt. Eine Viertelstunde nach dem Aufhören des
Reibens wird es mittelst des Spatels in eine auf englischem Löschpapier festgehaltene Metallhülse über-
tragen. Die letztere, ein Stück einer Messingröhre, muß ½ mm stark, innen 20 mm weit und 5 mm hoch
sein und an zwei gegenüberliegenden Stellen angelöthete Fortsätze besitzen. Beim Uebertragen des Fettes
ist das Löschpapier mit einer Glasplatte zu unterlegen und die Metallhülse durch Anlegen des Zeige= und
des Mittelfingers auf die angelötheten Fortsätze auf das Papier aufzudrücken; die Hülse ist mit dem Fett
so sorgfältig bis zum Rande zu füllen, daß Luft enthaltende Lücken nicht entstehen. Eine Stunde nach
dem Aufsetzen des Fettes erfolgt die Vergleichung der von der Durchschnittsprobe und von dem Normalfett
auf dem Löschpapier erzeugten Fettflecke. Ist derjenige der Durchschnittsprobe größer als derjenige des
Normalfetts, so ist das zu prüfende Fett als solches von schmalzartiger, ist er gleich groß oder kleiner,
so ist dasselbe als von nicht schmalzartiger Konsistenz anzusehen.
Bei größeren Fettposten von augenscheinlich gleicher Beschaffenheit und gleichem Ursprung genügt
es, wenn aus einem Viertel der Zahl der zugehörigen Fässer je eine Durchschnittsprobe entnommen und
mit dem Normalfett verglichen wird. Ergiebt sich jedoch hierbei die schmalzartige Konsistenz des Fetts
auch nur für ein Faß der Post, so ist die Prüfung auf sämmtliche Fässer derselben auszudehnen.
Besteht über das Ergebniß der nach dem vorstehend angegebenen Verfahren angestellten Ermitte-
lung Meinungsverschiedenheit, so hat in zweiter Instanz eine Ermittelung des Erstarrungspunktes
der durch Verseifung einer entsprechenden Durchschnittsprobe aus der streitigen Waare gewonnenen
Fettsäuren durch einen Sachverständigen zu erfolgen. Wird hierbei ein Erstarrungspunkt von 40° C.
oder weniger ermittelt, so ist die betreffende Waare als schmalzartiges Fett im Sinne der Nr. 26h des
Zolltarifs anzusehen. » - ·
Der betreffende Sachverständige hat folgendes Verfahren anzuwenden:
100 g des zu prüfenden Fetts werden in einem mit einem Uhrglase bedeckten, ungefähr 1,5 Liter
fassenden Becherglase mit 30 g Kalihydrat, 100 cem absolutem Alkohol und 40 cem Wasser ¾ Stunden
lang auf einem siedenden Wasserbade erwärmt und mit einem Liter kochendem Wasser vermischt; die