Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

8 443. Der Pflichtteilsanspruch. 903 
oder es ihm zum Schätzungspreise samt einem Zuschlage von 10 % zu überlassen. Hier 
können, wenn A. auf den Pflichtteil gesetzt ist, seine als Erben B.s berufenen Geschwister 
diese Bitte nach Gutdünken abschlagen und das Schloß an einen Fremden veräußern, der einen 
geringern Kauspreis bietet als ihr Bruder. 
2. Die Pflichtteilsberechtigten sind Nachlaßgläubiger. Demnach unterliegen 
sie grundsätzlich den gleichen Regeln wie die übrigen Nachlaßgläubiger, namentlich 
was die beschränkte oder unbeschränkte Haftung der Erben als Schuldner des 
Pflichtteils betrifft. Ausnahmen: 
a) Der Grundsatz, daß bei Mehrheit der Erben alle Miterben den Nach- 
laßgläubigern als Gesamt-, Gesamthand= oder Teilschuldner haftbar sind, er- 
leidet eine Ausnahme, wenn sowohl der Gläubiger wie einer der Erben pflicht- 
teilsberechtigt ist: der pflichtteilsberechtigte Erbe kann nach der Nachlaßteilung 
die Befriedigung des Pflichtteilsgläubigers soweit verweigern, daß ihm sein 
eigner Pflichtteil verbleibt; für den Ausfall haften die übrigen Erben (2319). 
Beispiel. Der Witwer A. hat von seinen drei Söhnen B., C. und D. den B. auf 
⅜, den C. auf ½ als Erben eingesetzt, während D. den Pflichtteil erhalten soll; der Nach- 
laß wird von B. und C. sofort geteilt. Hier kann D. wegen seines Pflichtteils nur den B. 
haftbar machen: denn C. hat ja selber aus dem väterlichen Nachlaß nur soviel erhalten, als 
sein Pflichtteil ausmacht, braucht also hiervon nichts abzugeben. 
b) .Die Pflichtteilsberechtigten gehn sowohl im Fall des Nachlaßkonkurses 
wie dann, wenn der Nachlaß konkursfrei bleibt, den Vermächtnisnehmern vor, 
während sie den übrigen Nachlaßgläubigern nachstehn; mehrere Pflichtteils- 
berechtigte haben den gleichen Rang, es sei denn, daß einzelne von ihnen durch 
Fristablauf ausgeschlossen sind; erschöpfen die Erben oder Nachlaßvertreter den 
Nachlaß, indem sie einen Pflichtteil zum Schaden eines bevorrechtigten Nachlaß- 
gläubigers auszahlen, so gelten die gleichen Regeln, wie wenn sie zum Schaden 
bevorrechtigter Nachlaßgläubiger ein Vermächtnis berichtigen (1979, 1978, 
1985 II, 1991 I, IV, 1992, 1973 I, 1974 II; Konk Ordn. 226 II Nr. 4, IV, 
227, 222; Anfechtungsgesetz v. 17. Mai 1898 § Za). 
c) Wird beim gerichtlichen Aufgebot der Nachlaßgläubiger ein Pflichtteils- 
berechtigter mit seinem Pflichtteilsanspruch ausgeschlossen, so leidet er unter 
diesem Ausschluß nur in gleichem Umfange wie ein im Aufgebotsverfahren aus- 
geschlossener Vermächtnisnehmer (1972, 2060 Nr. 1). 
4) Bei einem Zwangsvergleich im Nachlaßkonkurse sind die Pflichtteilsberechtigten 
so wenig beteiligt wie die Vermächtnisnehmer (Konk-Ordn. 230 II). 
III. Der Pflichtteilsanspruch ist vererblich, veräußerlich und pfändbar; 
doch beginnt Veräußerlichkeit und Pfändbarkeit erst, wenn er durch Vertrag mit 
den Erben anerkannt oder rechtshängig wird (2317 II, 400; 8 PO. 852). 
IV. Der Pflichtteilsanspruch verjährt (2332 1) 
1. in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Berechtigte von 
dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung des 
Erblassers Kenntnis erlangt hatt, 
  
1) RG. 66 S. 31, 70 S. 361.
	        
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