Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

[Medizinal- und Veterinärpolizei.] $ 75. 189 
Vierter Abschnitt. 
[Medizinal- und Veterinärpolizei‘.] 
1. [Begriff und Umfang der Medizinalpolizei]®. 
$ 75. 
Die [Medizinalpolizei]® hat für die Verhütung und Heilung 
von Krankheiten und die Herstellung allgemeiner Bedingungen 
für eine gesunde Entwicklung der Bevölkerung zu sorgen. 
Ihre Organe sind die allgemeinen Organe der inneren Verwaltung. 
Diesen stehen jedoch für die Bearbeitung der technischen Fragen 
besondere medizinisch gebildete Personen, teils als Beiräte, teils als 
Hilfsbeamte zur Seite. Als Beirat der Zentralbehörden fungiert ein 
wissenschaftliches Kollegium, den Mittelbehörden sind medizinisch 
gebildete Räte beigegeben; bei den unteren Behörden besondere 
Physici, Kreis- oder Bezirksärzte angestellt*. Die Befähigung zur 
Erlangung der Physikatstellen ist von der Approbation als prak- 
tischer Arzt und dem Bestehen einer besonderen Physikatsprüfung 
abhängig. Die Bestimmungen über Prüfung und Niederlassung des 
Heilpersonals haben durch die Gesetzgebung für das Deutsche Reich 
in den wesentlichen Beziehungen eine einheitliche Regelung erfahren. 
! Eulenberg, Handbuch des öffentlichen Gesundheitswesens, 2 Bde.. 
1881; Guttstadt, Deutschlands Gesundheitswesen, 2 Bde., 1890, 96; Jolly, 
H.P.Oe.* 3, II. 339; Flesch, Art. öffentliche Gesundheitspflege. H.W.B.?4, 246. 
® [Laband, R.St.R. $ 33. I. versteht unter Medizinalpolizei nur solcha 
Maßregeln, welche ausschließlich dem Zweck dienen, den Ausbruch oder 
die Verbreitung von Krankheiten zu verhüten, und welche nicht einen Teil 
einer andern staatlichen Gesetzgebung oder Einrichtung bilden. 
a [Die Einteilung in Sanitätswesen (zur Verhütung) und Medizinalwesen 
(zur Heilung von Krankheiten) ‘unter dem Gesamttitel „Gesundheitswesen“ ist 
in der Neubearbeitung nicht beibehalten.] . 
* In Preußen steht die obere Leitung des Medizinalwesens dem Ministerium 
für geistliche, Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten zu; ihm ist als kon- 
sultative Behörde die wissenschattliche Deputation für das Medizinalwesen bei- 
gegeben. Für jede Provinz besteht ein Medizinalkollegium, bei jeder Regierung 
ist ein Regierungsmedizinalrat angestellt, in den einzeluen Kreisen fungieren 
Kreiephysiei und Kreiswundärzte. In Bayern gehört die Medizinalverwaltung 
zum Ressort des Ministeriums des Innern, dem als technischer Referent ein 
bermedizinalrat beigegeben ist. Außerdem besteht der Obermedizinalausschuß 
als beratendes Organ des Ministeriums, welchem der Obermedizinalrat angehört. 
Bei den Kıreisregierungen fungiert je ein Kreismedizinalrat und ein Kreis- 
medizinalausschuß, ‘der außer dem Kreismedizinalrat sechs Mitglieder zählt, bei 
den Bezirksämtern Bezirksärzte. Eine gleichartige Stellun haben in Würt- 
temberg das Medizinalkollegium, die Kreismedizinalräte und Oberamtsärzte, in 
Sachsen das I izinalkollegium, die Medizinalbeisitzer der Kreishaupt- 
mannschaften und die Bezirksärzte. In Baden liegt die obere Leitung des Ge- 
snndheitswesens dem Ministerium des Innern ob, welchem mehrere Medizinal- 
referenten beigegeben sind, in den Bezirken fungieren Bezirksärzte. Ahnliche 
inrichtungen bestehen auch in den übrigen Ländern. Als konsultatives und 
wissenschaftliches Organ für das ganze Gebiet des deutschen Reiches fungiert 
das Reichs-Gesundheitsamt, [dem der Reichs-Gesundheitsbeirat beigegeben ist]. 
Vgl. Jolly, Art. Medizinalbehörden, V.R.W. 2, 90. 
  
  
  
 
	        
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