Full text: Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes.

II. Verwaltungsgerichtsbarkeit. $ 9. 37 
stattgefunden hat. So lange eine solche nicht existiert, entscheidet 
über die Vornahme der Verwaltungsfunktionen lediglich das Ermessen 
der Verwaltungsorgane. Die höheren Verwaltungsorgane sind durch 
keinerlei rechtliche Schranken, die niederen nur durch die Instruk- 
tionen der höheren gebunden. Der Einzelne besitzt gegenüber der 
Verwaltung nur Pflichten, keinerlei Rechte. Dies ändert sich mit 
er gesetzlichen Regelung des Verwaltungsrechtes. 
Die Tätigkeit der Verwaltungsorgane wird nunmehr objektiven, von 
ihrem eigenen Ermessen unabhängigen Vorschriften unterworfen, und 
es findet eine Abgrenzung der individuellen Rechtskreise gegenüber 
der Verwaltung statt. Durch die Verwaltungsgesetze werden ‚den 
Einzelnen subjektive Rechte beigelegt, sowohl eine gewisse Freiheit 
von den Einwirkungen der Verwaltungsorgane, als Ansprüche auf 
eine positive Tätigkeit derselben. Durch die Verwaltungsgesetze 
werden ferner die den Einzelnen obliegenden Pflichten näher be- 
grenzt. Aber die Beilegung subjektiver Rechte und die Begrenzung 
subjektiver Pflichten ist weder die einzige noch die Hauptaufgabe 
der gesetzlichen Vorschriften auf dem Gebiete der Verwaltung. 
Während das Privatrecht lediglich den Zweck verfolgt, die indi- 
viduellen Rechtskreise gegen einander abzugrenzen, ist der prinzipale 
Zweck des Verwaltungsrechtes die Aufstellung von Vorschriften für 
die Verwirklichung öffentlicher Interessen ; die Abgrenzung der indi- 
viduellen Rechtskreise hat nur die Bedeutung, dieser Verwirklichung 
der öffentlichen Interessen bestimmte Schranken zu ziehen. Die Ver- 
waltungsgesetze sind daher in erster Linie dazu bestimmt, die Or- 
ganisation und Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im öffentlichen 
Interesse zu regeln, und dienen erst in zweiter Linie der Abgrenzung 
des individuellen Rechtskreises. 
Mit der gesetzlichen Regelung der Verwaltungsbefugnisse und 
der Abgrenzung des individuellen Rechtskreises gegenüber der Ver- 
waltung tritt nun auch die Möglichkeit hervor, besondere Organe zu 
  
und Verwaltungsgerichtsbarkeit, mit Rücksicht auf die Errichtung eines Ver- 
waltungsgerichtshofes in Österreich. 1875; Grünwald, Der österreichische Ver- 
waltungsgerichtshof. 1875; Pann, Die Verwaltungsjustiz in Österreich. 1876; 
eiträge zur Reform des Verwaltungsrechtes. 1877; Roesler, Der öster- 
reichische Verwaltungsgerichtshof, Grünhuts Zeitschrift 4, 201. , 
(Vgl. Meyer- Arschütz 8 182; G. Meyer, Die Verwaltimgsgerichts- 
barkeit. H,P.Oe.* 8. II. 189; Jellinek, System?, 8.358; Otto Mayer 1, 161; 
Anschütz, Verw.R.S. 947; v. Meier, Fncyel. 3, 729; Müller, Die Begriffe 
der Verwaltungsrechtspfle 6 und des Verwaltungsstreitverfahrens nach preußi- 
schem Recht 1895; Frie richs, Die Besonderheiten des preußischen Verwal- 
tungsstreitverfahrens im Verhältnis zu den Verfahren, welche über andere 
Rec tsstreitigkeiten stattfinden und ihre Berechtigung. Verw.Arch. 6, 358 
(Literatur daselbst S. 557); Zorn, Kritische Studien zur Verwaltungs erichts- 
barkeit. Verw.Arch. 2, 74; v. Stengel, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit und 
die öffentlichen Rechte. Verw.Arch. 8, 177; Tezner, Die deutschen Theorien 
der Verwaltungsrechtspflege. Verw.Arch. 8, 220, 475; 0, 159, 515; Tezner, 
Handbuch des österreichischen Administrativverfahrens 1896; vgl. darüber 
G. Meyer, Arch. f. ff. R. 12, 283; Otto Mayer, Verw.Arch. ö, 184. Le- 
mayer, Apologetische Studien zur Verwaltungsgerichtsbarkeit. Grünhuts 
Zeitschr. 22, 353; ausländische Literatur bei Meyer-Anschütz $ 182°] 
9% [Über den Begriff der Verwaltungsgerichtsbarkeit vgl. $ 11.] 
 
	        
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