Abdeckerei 3
wenn den sozialen Nachteilen nicht eine Reihe von
Privilegien gegenübergestanden hätte. Deshalb
hat die Gesetzgebung schon früh die Verhältnisse
der Abdecker einer Regelung unterzogen. Sie wur-
den für einen bestimmten Bezirk mit der ausschließ-
lichen GewBerechtigung versehen und für diesen
Bezirk mit dem Zwangs= und Bannrecht ausge-
stattet, dergestalt, daß jeder Viehbesitzer das ihm
gefallene oder das beim Schlachten untauglich
efundene Bieh dem Wasenmeister überlassen
mußte. Dieser Grundsatz hatte sich schon im 17.
Ihd. Allgemeingültigkeit errungen und für Preu-
ßen durch das Publikandum v. 29. 4. 1772 seine
Ausgestaltung erfahren (über dessen Fortbestand
OVG 21, 363). Hiernach mußten die Gemeinde-
behörden für die A. geeignete Grundstücke zur Ver-
fügung stellen, und es wurde den Abdeckern außer-
dem Befreiung von allen öffentlichen Lasten und
Abgaben zugesichert.
Diese bedeutsamen Vorzugsrechte erfuhren nun
freilich zu Beginn des 19. Ihd., als sich die Idee
Bahn brach, daß die Berechtigungen der Abdecker
doch lästige Eigentumsbeschränkungen bedeuten
und daß in den Kadavern wirtschaftliche Werte
stecken, wesentliche Einschränkungen. In denjeni-
gen Landesteilen, in welchen nach der französischen
Revolution die unbeschränkte GewFreiheit durch
die fremdherrliche Gesetzgebung Platz gegriffen
hatte, war auch das A.Gew dem allgemeinen
Gleichheitsprinzip angegliedert und seiner Privi-
legien, auch der odiosen entkleidet worden (so für
Preußen in den zum Königreiche Westfalen ge-
schlagenen Gebieten). In Preußen wurde auf
Grund der Edikte v. 2. 11. 10 und 7. 9. 11 der
Betrieb des Gew von der Lösung eines GewöScheins
abhängig gemacht und insoweit jedermann frei-
gegeben, freilich unter der Voraussetzung eines
Befähigungsnachweises. Allerdings galten diese
Vorschriften, die im übrigen die Zwangs= und
Bannrechte der Abdecker unberührt gelassen hatten,
nur im Geltungsbereiche der beiden Edikte, und
dieser Rechtszustand erhielt sich bis zur GewO
v. 17. 1. 45, von welcher das Konzessionssystem
mit Befähigungsnachweis für den Umfang der
Monarchie eingeführt wurde. Das Gesetz betr.
die Regulierung des A.Wesens v. 31. 5. 568 (GS
333) hat dann allgemein die ausschließliche Gew-
Berechtigung der Abdecker, insofern sie mit dem
Rechte verbunden war, von den Einwohnern des
Bezirks die Ueberlassung des gefallenen Viehes zu
sordern, aufgehoben, jedoch im wesentlichen nur
unter der Voraussetzung, daß dadurch keine Ent-
schädigungspflicht gegenüber dem privaten Be-
rechtigten entstand.
Eine wesentliche Aenderung hat in diesem
Rechtszustande auch die Gew nicht gebracht. Die
ausschließlichen GewBerechtigungen sind zwar
nach & 7 Ziff. 1 seit dem 1. 1. 73 aufgehoben (s.
auch pr. G v. 17. 12. 72 Ge 717), desgleichen die
mit ihnen verbundenen Zwangs= und Bann-
rechte. Die A. Berechtigungen sind aber gemäß § 7
iff. 2, aufrecht erhalten. Letztere können aller-
dings nach Maßgabe der hiefür erlassenen Landes-
besebe abgelöst werden (§8). Die darauf zielenden
cndesgesehlichen Bestimmungen (vgl. das preuß.
kutschädigungs v. 17. 1. 45, GS 73, G v.
M.. 3 68 GS 249 hinsichtlich der Verhältnisse in
* neuen Provinzen, und das zitierte G v. 17. 12.
ferner die kgl. sächs. G v. 12. und 13. 5. 73
G und Bl 428) haben aber meist nicht zu dem
gewünschten Ziele geführt, so daß auch zur Zeit
noch eine nicht unbeträchtliche Zahl privilegierter
Abdecker in Norddeutschland vorhanden ist. In
Bayerrn konnte schon zu der Zeit, als dort noch
das Konzessionssystem herrschte, der Wasenmeister
sein Zwangs= und Bannrecht nicht gegenüber der
Behörde, die eine Verkleinerung oder Umbildung
seines Bezirkes verfügte, verfolgen. In Würt-
temberg und Hessen bestehen derartige
Privilegien nicht mehr; sie sind dort durch die G
v. 48 und 49 beseitigt. In Baden sind sie,
wo sie noch bestanden haben, abgelöst; doch wer-
den den angestellten Wasenmeistern gewisse Rechte
gewährt; in Sachsen sind sie aufgehoben. In
Elsaß-Lothringen bestehen keine beson-
deren Bestimmungen.
3. Gegenwärtiger Rechtszustand. Auf Grund
des &1 GewO kann jedermann das A.Gew be-
treiben, und zwar auch da, wo noch alte A. Berech-
tigungen bestehen. Die Anlage einer A. bedarf
aber auf Grund des §16 GewO der Genehmigung
der zuständigen Behörde. (Als solche kommen in
Betracht für Preußen der Kreis-(Stadt-)
Ausschuß, in den einem Landkreis angehörigen
Städten mit mehr als 10 000 Einw. der Magistrat
gemäß 88s 109, 110. 161 Zust G: für Bayern die
Distriktsverwaltungsbehörde, für Sachsen die
Amtshauptmannschaft unter Mitwirkung des Be-
zirksausschusses bezw. der Stadtrat, für Würt-
temberg das Oberamt bezw. der Bezirksrat,
für Baden der Bezirksrat, für Hessen der
Kreisausschuß, für Elsaß-Lothringen der
Bezirkspräsident.) Selbstverständlich kann, wie die
Ausübung jedes Gew, so auch die Aus-
übung des A.Gew polizeilichen Vorschriften nach
Maßgabe der Landesgesetze unterworfen werden,
und derartige pol. Verfügungen können sich auch
gegen privilegierte A. richten.
Solche polizeilichen Regelungen sind im In-
teresse der öffentlichen Gesundheitspflege drin-
gend geboten, da der Betrieb der A. nicht nur
mit Rücksicht auf seine Anlage sondern auch we-
gen mancher Begleiterscheinungen, wie Art der
Fortschaffung der Kadaver, mißbräuchliche Ver-
wertung des Fleisches und ähnliches für das Ge-
meinwohl gefahrdrohend werden kann. In die-
ser Beziehung bleibt noch manches zu tun übrig.
In Preußen haben nur vereinzelte Regie-
rungen auf Grund des Pol VG v. 11. 3. 50 Pol BV
erlassen, wie z. B. im Reg Bez Wiesbaden jede
Gemeinde allein oder in Gemeinschaft mit anderen
einen Wasenplatz anlegen muß und einen Abdecker
anzustellen hat; doch genügen solche Einzel B
nicht zur Schaffung allgemeinbefriedigender Zu-
stände. In Bayern können nach à 70 u. 71
Pol Str GB v. 26. 12. 1874 oberpolizeil. Vorschrif-
ten über das Wegschaffen, Transportieren und Ver-
graben gefallener oder getöteter Tiere, sowie über
das Ausgraben verscharrter Tiere und Tierknochen,
ferner über die Verrichtungen der Wasenmeister
und ihrer Hilfspersonen durch die Kreisregierun-
gen erlassen werden. Nach den im wesentlichen
gleichlautend erlassenen Vorschriften der Kreis-
regierungen sind die Kadaver seuchenkranker Tiere
binnen 24 Stunden nach dem Verscharrungsplatze
zu bringen, während die Kadaver nichtseuchen-
kranker Tiere zu technischen oder ökonomischen
Zwecken verwendet werden können und die Reste
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