Full text: Wörterbuch des Deutschen Staats- und Verwaltungsrechts. Zweiter Band. G bis N. (2)

  
  
  
eine Stellung lediglich verschlechtern, es fehlt 
ihm also jedes rechtliche Interesse daran, sich den 
Prozeß auf den Hals zu laden. 
Das Vorgehen der strafverfolgenden Behörde 
gegen den Haftbaren untersteht im Bereiche der 
StP, soweit es sich um die staatsanwaltliche 
Klage handelt, und im Bereiche der MStGO 
dem Legalitätsprinzip. Soweit es sich um Pro- 
eduren handelt, die aus landesrechtlicher Quelle 
Heße, kommt es darauf an, ob das Einschreiten 
eben durch das Landcsrecht der Behörde zur Pflicht 
gemacht, oder (vgl. z. B. Württ. Fisk. Str Pr G v. 
25. 8. 79 a 13 IV) Opportunitätserwägungen 
Eingang goestattet ist. 
Hinsichtlich der H. für Wertsersatz gilt das bis- 
her Gesagte mit der Modifikation, daß es mög- 
licherweise noch eines besonderen Antrags des 
Geschädigten bedarf; dies dann, wenn (wie z. B. 
nach Preuß. Feld- und ForstpolG v. 1. 4. 80 
§s 68) auch dem eigentlich Schuldigen gegenüber 
der Wertsersatzanspruch an solchen Antrag ge- 
knüpft ist. Dieser Antrag muß notwendig in erster 
Instanz gestellt sein, widrigenfalls die H. Frage 
für diesen Prozeß und damit überhaupt erledigt ist. 
7. Solange der Haftbare nicht zum Prozeß 
zugezogen ist, steht er in vollem Umfang als 
„Dritter“ im prozessualen Sinne da. Von 
seiner Zuziehung ab ist er, und zwar 
als passiver Streitgenosse des eigentlichen 
Beschuldigten, Partei mit Bezug auf den 
H. Anspruch. Er hat in letzterer Begrenzung daher 
als Quasibeschuldigter auch alle prozessualen Par- 
teirechte, namentlich (so ausdrücklich z. B. Württ. 
Fisk Str Pr G v. 25. 8. 79 a 32) Entscheidungsan-à 
fechtungsrechte. Die Ausübung seiner Rechte 
wirkt aber immer nur für ihn. 
Umgekehrt entbehrt der eigentlich Beschul- 
digte der Legitimation zu prozessualem Handeln 
mit Wirksamkeit für den Dritten. Wohl können 
seine Handlungen indirekt auch diesem im Effekt 
zugute kommen (z B. uUrteilsanfechtung mit 
bezug auf das unten 8 Gesagte), aber nur ver- 
möge einer Reflexwirkung. Ihrer Beschaffenheit 
nach aber können seine Handlungen immer 
nur solche in seiner eigenen Angelegenheit sein. 
Noch viel weniger als er für den Haftbaren han- 
deln kann, kann der eigentliche Beschuldigte etwa 
die Haftbarerklärung seinerseits betreiben. Er hat 
zwar an solcher ein eventuelles Interesse, insofern 
ihn die Zahlung der Geldstrafe durch den Haftbaren 
der ihm sonst drohenden Hilfsfreiheitsstrafe ledig 
macht. Aber er hat auf dieses Freibleiben von 
Strafe jedenfalls kein Recht, und kann deshalb 
nicht wie ein Kläger gegen den Haftbaren auf- 
treten. 
Was die Pflichtseite anlangt, so hat der Haftbare, 
wie allgemein anerkannt ist (vgl. auch Preuß. G 
über d. Verw Strf Bf. 27 mit 5+ 26 II, Württ. 
FiskStr PrG a 30 11), keine Pflicht zum Erschei- 
nen. Erscheint er nicht, so wird gegen ihn in ab- 
sentia (aber nicht in contumaciam) verfahren. 
Gegen Absenzurteile nach der StprO. Wieder- 
einsetzung in den vorigen Stand. 
Das prozessuale Handeln der H. Partei und das 
an sic adressierte prozeßrechtsgeschäftliche Handeln 
(Verhandeln mit ihr, Zustellungen an sie) setzt 
Prozeßsfähigkeit voraus, oder wenn sic fehlt, Ver- 
tretung durch den gesetzlichen Vertreter voraus. 
Der Umfang der Prozeßunfähigkeit und der Zu- 
Haftung Dritter (Beweis, Entscheidung) 
  
  
lässigkeit einer Ergänzung durch den gesetzlichen 
Vertreter bestimmen sich a) für die kriminelle H. 
nach den Grundsätzen des Strafprozesses (daher 
insoweit keine Verhandlung mit dem gesetzlichen 
Vertreter eines Geisteskranken, und keine Zu- 
stellung an ihn; andererseits Prozeßfähigkeit auch 
des Minderjährigen); b) für die sonstige H. so wie 
im Zivilprozeß. 
Natürlich kann Landesrecht für die landesrecht- 
lich regelbaren Prozeduren (insbesondere das 
Strafbescheidsverfahren) Abweichungen statuieren. 
Vgl. z. B. Preuß. Ausführ. Vorschr. v. 6. 3. 99 
zum Gesetz über das Verwtrf f. Ziff. 9 lit. 
d und e. 
8. Das Verfahrern beschränkt sich auf die 
Gewinnung der Urteilsunterlagen 
im Wege des Beweises und auf die 
Entscheidung selber. Einer ausdrück- 
lichen Eröffnung des Hauptverfahrens mit bezug 
auf den Haftbaren bedarf es nicht (AM Pötsch); 
sie liegt latent in der Eröffnung gegen den eigent- 
lich Schuldigen. 
Das Beweisverfahren gestaltet sich 
nach den gewöhnlichen strafprozessualischen Regeln. 
Ob der Dritte als Zeuge mit bezug auf die 
eigentliche Strafsache und umgekehrt der eigent- 
liche Beschuldigte als Zeuge mit bezug auf die 
H. Sache vernommen und vereidigt werden kann, 
richtet sich nach der Stellung, die man zu der all- 
gemeinen Frage, inwieweit Mitbeschuldigte Zeu- 
gen sein können, einnimmt (vgl. dazu Bennecke- 
Beling, Lehrbuch des RöStr Proz. S 343 f). 
Soweit eine Tatsache durch gesetzliche Präsum- 
tion gedeckt ist loben S. 310 f.), ist sie natürlich im 
Falle eines non liquet als sestgestellt zu behandeln. 
Dagegen bedarf der Hervorhebung, daß auch hin- 
sichtlich dieser präsumierten Tatsachen keine for- 
melle Beweislast obwaltet, als ob die Behörde 
auf einen Entlastungsbeweisantritt des Haftbaren 
warten müßte, daß vielmehr die Behörde Recht 
und Pflicht hat, ctwaigen Entlastungstatsachen 
von Amts wegen nachzuspüren (überwiegende 
Meinung). 
Soweit die Präsumtionen im Landesrecht auf- 
gestellt sind, ist ferner zu beachten, daß sie nach 
§6 ESt PO nur für solche Prozeduren Gültigkeit 
haben, deren Regelung dem Landesrecht zusteht. 
Gelangt also eine H. Sache an die ordentlichen 
Gerichte, so darf die Präsumtion, weil der hier 
allein maßgeblichen St P nicht bekannt, nicht 
berücksichtigt werden (bisher regelmäßig übersehen, 
weil eine ältere Auffassung den prozeßrechtlichen 
Charakter der Präsumtion verkannte). 
Die Entscheidung mit Bezug auf die 
H. Frage, soweit sic Sachentscheidung ist, kann ent- 
weder Verhängung der H. (-— Verurteilung zu 
bedingter Leistung) oder Verneinung der Haft- 
barkeit (— Freisprechung) sein. Zur Verurteilung 
bedarf cs im Berciche der St PO bei krimineller 
H. hinsichtlich der Schuldfrage einer bejahenden 
35 Mgjorität, im übrigen, d. h. bei nichtkrimineller 
H. überhaupt und bei krimineller hinsichtlich der 
Straffrage, einfacher Majorität. 
Der Entscheidungstenor muß im Falle der Ver- 
urteilung im Hinblick auf dice künftige Vollstreckung 
erkennbar machen, daß es sich nur um „Haftung“, 
nicht um einc auf eigenen Füßen stehende Ver- 
urteilung handelt, und weiter, ob diese H. solida- 
risch oder subsidiär ist. Werden Mehrere als für
	        
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