30
Geistliche
von selbst war damit der Begriff des G. in innere
und äußere Beziehung zu Besitz und Ausübung
eines Amts für Lehrverkündigung und Sakra-
mentsverwaltung gesetzt. Da, abgesehen von ein-
zelnen Ausnahmen, wie z. B. bei Missionaren, die
Ordination nicht absolut, sondern erst bei Ueber-
tragung eines Amtes oder selbständiger kirchen-
dienstlicher Verwendung in einem solchen erteilt
wird, so ist nach allem Regelbegriff evangelischer
Geistlicher erst derjenige, welchem die Ausübung
des ministerium verbi in einem örtlich zugewie-
senen Wirkungskreise übertragen ist. Dieser
evangelisch-kirchenrechtliche Begriff liegt auch der
so zu sagen erstmaligen staatlichen Legaldefinition
im Preuß. ALN 1I1 11 &59 zu Grund. Hiernach
sind G. „dicjenigen, welche bei einer christlichen.
Kirchengemeine zum Unterricht in der Religion,
zur Besorgung des Gottesdienstes und zur Ver-
waltung der Sakramente bestellt sind“.
Nach beiderlei Recht sind demnach G. diejenigen
kirchlichen Amtsträger, welche spezifisch, wenn
auch in verschichdenem Sinne, die potestas ordinis
verwalten. Nicht unter den Regelbegriff fallen
daher die kirchlichen Amtsträger auf den ver-
schiedenen Stufen der hierarchia jurisdic-
tionis. In der katholischen Kirche also nicht
Bischoftum [Uund Papsttum. Verbinden sich zwar
auf beiden Stufen, und zumal auf der des bischöf-
lichen Ordo, Weihe- und Jurisdiktionsgewalt, so
liegt doch der Schwerpunkt der amtlichen Tätig-
keit in der äußeren und inneren Leitung der Kirche.
Als katholische „Geistliche“ kommen deshalb vor-
nehmlich in Betracht die Pfarrer, Kapläne oder
Vikare, Kooperatoren, Sacellaue, Primissare und
einfachen Hilfsgeistlichen (Hinschius, K R. 2, 321).
Ebenso sscheiden in der evangelischen Kirche (#Il aus
die Mitglieder der verschieden abgestuften kolle-
gialen Behörden des Kirchenregiments, auch wenn
sie, wie die geistlichen Konsistorial= und Ober-
konsistorialräte die Ordination empfangen haben.
Ihre staatsrechtliche Stellung ist analog derjenigen
der unmittelbaren Staatsbeamten geregelt. Eben-
so fallen nicht unter den Begriff die General=
superintendenten, wohl aber nach alter Regel die
Superintendenten oder Dekane. Zwar war ihr
Amt ursprünglich als rein kirchenregimentliches
Aufsichtsamt gedacht. Dieser Standpunkt ist aber
nur vereinzelt aufrecht erhalten (Mecklenburg).
In allen übrigen Landeskirchen bekleiden sic ein
geistliches Amt. Evangelische „Geistliche“ sind
hiernach die Superintendenten, Pfarrer und unter
verschiedenen Bezeichnungen als gleichwertig vor-
kommenden Prediger, Archidiakonen, Diakonen,
sowie Pfarrvikare und selbständigen Hilfsorgane
(vgl. dazu Zimmermann in Z f. KR. 14, 132).
Endlich aber sind auch die im Dienst der inneren
Mission zu Anstalten oder Vereinen beurlaubten
ordinierten Kandidaten des geistlichen Standes
(vgl. Mot zum Preuß. KG v. 16. 3. 10 über die
Beanstandung der Lehre von G. f(. u. 8 10b)
im technischen Sinne zu den landeskirchlichen
G. zu zählen. Für beide Konfessionen zuletzt
die Militärgeistlichen, wenn sie auch in einigem
einem Sonderrecht unterliegen (7 Militärkirchen-
wesen!j.
II. Nach den deutschen Partikularrechten
ist der Begriff des G. zumeist (Ausnahme z. B.
Württemberg) auf Amtsverhältnisse in einer der
christlichen RKirchengesellschaften beschränkt, und
–
—
zwar in der Regel auf diejenigen, welche die
Stellung von privilegierten Anstalten oder Kor-
porationen des öffentlichen Rechts genießen, also
auf die Kultusdiener der römisch-katholischen, in
Preußen, Baden, Hessen auch der altkatholischen
Kirche, sowie der unierten oder lutherischen und
reformierten Landeskirchen (Preußen AL
II 11 3#8 59, 66, 96; G v. 11. 5. 73 § 1I; Baden
Gv. 9. 10. 60 5K5 7 f; 19. 2. 74 a 3; Hessen
Gv. 23. 4. 75 à 1, 4; v. 5. 7. 87 à 1). Die deutsche
Reichsgesetzgebung hat keinen bestimm-
ten Begriff gebildet und wechselt in der Aus-
drucksweise. Bald wird die Bezeichnung G., bald
Rcligionsdiener, bald beides nebeneinander ge-
braucht (St B 5# 130a, 196, 338; Personenstd.G
# 3, 67 vb. BS6B EG a 46, III; GVG 8 34;
3PO g8 383, 811, 850; SEtPO g8 52, 486; BGB
#s 411, 570, 1784 u. a. and. O.). Wo der Sinn
der einzelnen Gesetzesstelle nichts anderes ergibt,
ist anzunehmen, daß der Ausdruck G. sich nicht
auf Amtsträger in religiösen nicht rechtsfähigen
Vereinen und in Religionsgesellschaften mit bloß
privatrechtlicher Korporationsqualität erstreckt, daß
dagegen die Bezeichnung „Religionsdiener" auch
die G. der öffentlichen Kirchengesellschaften mit
umfaßt. In der Reichsmilitärgesetzgebung findet
sich der Begriff in verschiedener Weise gebunden:
im RMilG v. 2. 5. 74 65 ist er auf Personen,
„welche ein geistliches Amt in einer mit Korpo-
rationsrechten innerhalb des Bundesgebietes be-
stehenden Religionsgesellschaft bekleiden“ be-
schränkt; in dem R betr. Aenderungen der Wehr-
pflicht v. 11. 2. 88 àa II & 13 findet er sich auf Per-
sonen bezogen, „welche auf Grund der Ordination
oder der Priesterweihe dem geistlichen Stande
angehören“; im R betr. die Wehrpflicht der G.
v. 8. 2. 90 endlich ist er auf Militärpflichtige
römisch-katholischer Konfession, welche „die Sub-
diakonatsweihe empfangen haben“, ausgedehnt.
I. Staatsgesetzliche Borschriften über die An-
stellung der Geistlichen und die Ausübung kirch-
licher Amtshandlungen
A. Katholische Kirche
##2. Im allgemeinen. Mit Rücksicht auf den
weitgehenden Einfluß, welchen die G. der christ-
lichen Kirchen auf die Bevölkerung ausüben,
haben die modernen Staatsgesetzgebungen eine
Reihe von Garantien geschaffen, welche den Zweck
verfolgen, eine die Interessen des Staates und
die Aufrechterhaltung des religiösen Friedens
gefährdende Ausübung der geistlichen Amts-
tätigkeit möglichst zu verhindern. Sic unterschei-
den sich aber hinsichtlich des Umfanges, für den
sie diese Garantien festsetzen. Sie verlangen die
nachstehend erwähnten Erfordernisse teils für den
Erwerb der Kirchenämter überhaupt (württ.
G v. 30. 1. 62 a 3; bad. G. v P. 10. 60 89),
teils für solche, welche mit G. zu besetzen sind
(hess. Gv. 5. 7. 87 a 1), teils für den Erwerb
von Kirchenpfründen (bayer. Entschließung
v. 8. 4. 52 Nr. 8, Min E v. 20. 11. 73 Nr. 11 1),
teils bloß für den Erwerb von geistlichen Aemtern.
(preuß. G v. 11. 5. 73 81, säch s. G v. 23.
8. 76 8 19) und zwar in Preußen, Hessen
und Sachsen, gleichviel, ob das betreffende
Amt dauernd oder widerruflich übertragen wird