Contents: Fürst Bismarck und der Bundesrat. Erster Band. Der Bundesrat des Norddeutschen Bundes (1867-1870). (1)

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ist. Früher fuhr ich nach der Sitzung nach Hause, aß ein paar Gerichte und 
ennuyirte mich dann bis zum Zubettegehen. Seitdem ich aber unterrichtet 
worden, daß um 4 Uhr die Mehrzahl der Minister im Restaurant des Hotel 
Royal zusammen in einem reservirten warmen Saale speist, steige ich zu Fuß 
inter ceteros auch dahin, vom Staatsministerium in der Wilhelmstraße bis 
Eckhaus der Linden; etwa 500 Schritt. Dort essen wir dann zusammen vor- 
trefflich, zum Beispiel Schildkrötensuppe, Spargel, Eis und wer weiß was noch, 
unterhalten uns vorzüglich und schließen bis sieben Uhr mit Cigarren. Wenn man 
nur noch zehn Jahre jünger wäre! Doch bin ich von manchem beneidet wegen 
meines Appetits im Essen und Trinken. Vier Minister trinken eine Flasche 
Rotwein; ich eine ganze Moselblümchen. Heute zum Beispiel waren wir folgende: 
Der Hamburger Kirchenpauer und Lauer v. Münchhofen, meine Nachbarn, dann 
links weiter v. Bertrab, v. Watzdorf, v. Seebach, v. Rössing, v. Harbou, 
Klapp, Hofmann (Darmstadt), v. Krosigk, Hermann (Greiz), v. Oertzen, v. Campe, 
(Braunschweig), v. Oheimb (Lippe) und v. Wolffersdorff, der an v. Keysers 
Stelle getreten, welcher plötzlich sehr leidend geworden und zu Hause geblieben 
ist. Eine äußerst fidele Gesellschaft! Dieses vom häuslichen so total ver- 
schiedene Leben kann ich doch noch vertragen und respektive aushalten. 
„Einen Spaß muß ich erzählen. Bei Tische kam, Gott weiß wie, Watz- 
dorf mit dem überaus gesprächigen Greizer Hermann in eine Unterhaltung über 
den Stil der Pandekten; letzterer meinte, er sei allerdings klassisch, aber 
doch sehr eigentümlich und verflucht schwer. Da konnte ich mich nicht länger 
halten und fragte letzteren, ob er nicht eine deutsche Uebersetzung davon kenne, 
meines Wissens existire eine solche. Da guckt mich der „kute Kreizer“) an 
wie ein Gespenst; die Augen traten ihm zum Kopf heraus, und er reicht mir 
über den Tisch die Hand mit tiefer Rührung: „Sind Sie derjenige?“ und 
dunkle Erinnerungen der Literarhistorie tauchen in ihm auf. Nun entstand 
jubelnder Spektakel und ich mußte genau beschreiben, wie diese Unthat möglich 
gemacht worden sei, wofür sich der Hamburger wie für den Import eines 
neuen überseeischen Produkts interessirte. 
„Darnach fing der Greizer an, nach den Zahlen mancher Pandektentitel 
zu fragen, worin er bald die schrecklichste Niederlage erlitt, als ich die Rolle 
des Fragens übernahm; denn er kannte überhaupt nur noch zwei: „de Rei 
Vindicatione, 6, 1.“ und „de Verborum oblig. 45, 1.““ 
* 
8. Januar 1867. 
„Gegen 1 Uhr fuhr ich zur Sitzung. Mit Aussetzung der Abteilung für 
das Militär kamen wir bis zu Ende des Entwurfs, worauf Savigny erklärte, 
daß die nächste Sitzung noch nicht angesagt werden könne, sondern dies später 
n *) „Kute Kreizer“ ist absichtlich geschrieben, um den thüringischen Dialekt zu kenn- 
zeichnen.
	        
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