— 932 —
Siebentes Capitel.
Von den Gründen, welche die Zurechnung ausschließen oder vermindern.
Art. 86.
Von der Zurechnung überhaupt.
Eine ihrer äußeren Erscheinung nach gesetzwidrige That kann nicht als Verbrechen zu—
gerechnet werden:
1. wenn der Thäter zur Zeit der Begehung nicht die Fähigkeit der Selbstbestimmung
besaß (Art. 87),
im Falle der erlaubten Selbsthülfe und der Nothwehr (Art. 91),
7 wenn der Thäter durch echte Noth, Zwang, Befehl oder Irrthum (Art. 92, 93, 94,
95) dazu bestimmt worden ist.
Art. 87.
Zurechnungsfähigkeit.
Die Fähigkeit der Selbstbestimmung ist bei Personen, welche das vierzehnte Jahr ihres
Alters zurückgelegt haben, vorauszusetzen, dafern nicht nachgewiesen werden kann, entweder
a) daß ihnen die Geisteskräfte, welche dazu gehören, um das Rechte vom Unrechten unter-
scheiden zu konnen, gänzlich fehlen, oder
b) daß diese Kräfte bei ihnen gänzlich unentwickelt geblieben sind, oder
) daß sie die That in einem bewußtlosen Zustande, oder während einer Seelenkrankheit
verübt haben, welche den Vernunftgebrauch entweder im Allgemeinen, oder in der be-
sonderen Richtung, welche bei der That in Betracht kommt, gänzlich aufhebt.
Art. 88.
Verminderte Zurechnungsfähigkeit.
Sind Zustände oder Voraussetzungen, welche an die im vorigen Artikel gedachten an-
grenzen, vorhanden, ohne daß die Fähigkeit der Selbstbestimmung dadurch gänzlich ausgeschlossen
erscheint, so ist, dafern nicht der Verbrecher sich absichtlich, um das Verbrechen zu begehen, in
einen solchen Zustand versetzt hat, verminderte Zurechnungsfähigkeit anzunehmen, und hat
demzufolge der Richter höchstens auf die Hälfte der ohne diesen Milderungsgrund verwirkten
Strafe zu erkennen.
Art. 89.
Unzurechnungsfähigkeit von Kindern.
Kindern vor zurückgelegtem vierzehnten Jahre kann eine gesetzwidrige Handlung nicht als
Verbrechen zugerechnet werden.