Full text: Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich Sachsen vom Jahre 1915. (81)

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blick auf die Sprachentwickelung und systematische ÜUberschau über die deutsche Sprach- 
lehre. 
Zusammenfassende Behandlung der Gattungen der Dichtkunst. 
Übungen usw. wie in Klasse II, dazu kurze Ansprachen. 
Jährlich 4 bis 5 Aufsätze wie in Klasse II. 
§ 17. (1) An jedem Seminare muß für den deutschen Unterricht ein eingehender 
Plan vorhanden sein, der die Lehraufgaben sämtlicher Klassen und Teilfächer feststellt. 
(2) Die Aufgabe, die Schüler zur Selbsttätigkeit und zur Urteilsfähigkeit auf Grund 
eigener Geistesarbeit, zur Erfassung und Anwendung größerer Gesichtspunkte und der 
typischen Arbeitsweisen, die den einzelnen Fächern eigentümlich sind, anzuleiten, hat 
der deutsche Unterricht besonders fest im Auge zu behalten. Bloßer Vortrag und 
bloße Aneignung von Leitfadenwissen ist zu vermeiden; die Erkenntnisse sind tunlichst 
aus der Lektüre und den Erscheinungen der Sprache durch möglichste Eigentätigkeit 
der Schüler, auch durch arbeitsteiliges Verfahren zu gewinnen. 
(s) So sehr auch der Unterricht an die in der Volksschule oder anderweit erlangten 
Kenntnisse anzuknüpfen und sie zu verwerten hat, darf doch mit bloßer Wiederholung 
des früher erlernten Stoffes keine Zeit verloren werden. 
(4) Dem Unterrichte der unteren Klassen dient vor allem ein sprachlich muster- 
haftes, die Entwickelungsstufen des persönlichen Lebens beachtendes Lesebuch, dessen 
Stoffe geeignet sind, nächst der sprachlichen die sittlich-religiöse Bildung und die 
Liebe zu deutschem Schrifttume und Volkstume zu fördern und Beziehungen zwischen 
dem deutschen Unterrichte und den übrigen Unterrichtsgebieten herzustellen. Zu dem 
Lesebuche treten geeignete Ausgaben der eingehender zu behandelnden Literaturwerke, 
besonders gute Schulausgaben. 
(6) Bei der Prosalektüre sind die Schüler, soweit die Stücke sich zu einer gedank- 
lichen Durcharbeitung eignen, von unten herauf zum Auffinden und Erkennen der 
Hauptgedanken, der Gliederung und des Gedankenfortschrittes, charakteristischer Einzel- 
züge, sprachlicher Eigentümlichkeiten anzuleiten. Etwa nötige Einleitungen oder so- 
genannte Vorbereitungen sind kurz zu halten, Abschweifungen bei der Behandlung 
zu unterlassen. 
(e#) Bei Erklärung dichterischer Stoffe ist das „Zerpflücken“ des Kunstwerkes, 
alles, was seinen poetischen Duft zerstört, zu unterlassen; dagegen ist darauf zu halten, 
daß die Schüler die Dichtung als Ganzes verstehen, ihren Gehalt erfassen und das 
Dargestellte nachfühlen und miterleben. Bei kurzen Dichtungen von leicht verständ- 
lichem, gefühlsmäßigem Inhalte ist tunlichst von einer Erklärung abzusehen, der 
Stimmungsgehalt aber durch ausdrucksvollen Vortrag wirksam zu machen. Bei 
1915. 13 
Bemerkungen.
	        
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