Lothars, die flandrischen Gebiete, Lothringen und die Freigraf—
schaft abzutrennen, als Zeichen des Geisteszustandes im deut-
schen Volke hingestellt. Ferner erschien 1895 eine vom Ver--
bandsvorsitzenden Hasse günstig beurteilte Schrift „Großdeutsch-
land“ mit einer Karte, nach der zu dem künftigen großdeutschen
Bunde gehören sollten: 1. Das jetzige kleindeutsche Kaiserreich
nebst Luremburg; 2. Holland und Belgien; 3. der deutsche Teil
der Schweizer Eidgenossenschaft; 4. das österreichische Kaiserreich.
Das Werk bot nicht nur Kriegshetzern, wie André Chéradame,
willkommenen Anlaß zur Verdächtigung der deutschen Friedens-
liebe, sondern diente auch neutralen Schriftstellern, wie dem Dänen
Gudmund Schütte, als Schreckbild pangermanistischen Machthungers.
Wer sich näher mit diesem politischen Most, der sich absurd ge-
bärdete, und seiner Wirkung im Auslande befaßt, kann nicht mehr
so erstaunt darüber sein, wie leicht sich das französische Volk im
August 1914 von den Pariser Machthabern zu dem Glauben an
den deutschen „Uberfall“ überreden ließ und wie wenig günstig
die Stimmung in anderen Ländern, auch stammverwandten, für
Deutschland nach Kriegsausbruch war und geblieben ist, trotz mancher
tauglichen neben vielen untauglichen Mitteln der deutschen Auf-
klärungspropaganda.
Die Forderung der Zeit während der neunziger Jahre lautete
nicht: Schmiedet Eroberungspläne, sondern: Baut Schiffe, Schiffe,
Schiffe zur Sicherung unserer weltwirtschaftlichen Interessen. Das
Mißverhältnis, das sich zwischen der Schutzbedürftigkeit unseres
Handelsverkehrs in der Ubersee, sowie unserer Küsten, und den
vorhandenen Machtmitteln herausgebildet hatte, stellte die auswär-
tige Politik vor die außerordentlich schwierige Aufgabe, Ansprüche
zu erheben, für die der nötige Nachdruck fehlte, und actes de
présences zu machen, wo andere Mächte schon beati possidentes
waren. Auf der einen Seite konnte der Schwerpunkt unserer
gesamten auswärtigen Politik, der nun einmal nach unserer geo-
graphischen Lage und unserer Geschichte in Europa lag, nicht ver-
rückt werden, und bestand die Notwendigkeit fort, möglichst dauer-
hafte Bündnisse zu unterhalten. Auf der anderen Seite konnten
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