Beim Festmahl zur Einweihung des neuen Kreishauses Teltow
in Berlin (18. Dezember 1891) traf nach der Rede des Kaisers
und Königs auf die Ansprache des Landrats die Nachricht ein, daß
der Reichstag die Handelsverträge mit Osterreich-Ungarn, Italien
und Belgien in dritter Lesung mit 243 gegen 48 Stimmen an-
genommen hatte. Darauf erhob sich der Kaiser noch einmal zu
einer warmen Lobrede auf den Reichskanzler mit der Aufforderung
zum Schluß, den General der Infanterie v. Caprivi, Graf v. Ca-
privi, hochleben zu lassen. An der Stelle, wo von den Schwierig-
keiten, die dem Reichskanzler von den verschiedenen Seiten gemacht
wurden, die Rede war, befand sich auch eine bittere Bemerkung,
die auf den Fürsten Bismarck bezogen werden konnte. Das Steno-
gramm wurde Stubenrauch vorgelegt. Er ging mit mir in ein
Nebenzimmer zu einer kurzen Aussprache über die mutmaßliche
Wirkung in der Offentlichkeit, die damit endigte, daß er sagte:
Dann tun wir dem Kaiser einen Dienst, wenn wir die Bemerkung
weglassen. Und er strich sie, bevor das Stenogramm zur Ver-
öffentlichung an W. T. B. abging.
So war ich denn auch in meiner Tagesschriftstellerei bemüht,
die Bismarck-Fronde gegen den neuen Kurs möglichst ausgleichend
und mit menschlichem Verständnis für die Hauptpersonen und
ihre Motive zu behandeln.
Über den Kampf, den Bismarck nach seiner Entlassung in
der Offentlichkeit führte, schreibt sein Biograph Mar Lenz: „Er
trat auch jetzt seinen Feinden gegenüber so, wie er es gewohnt
war, ohne sich zu schonen, mit voller Kraft und dem Stolze, den
ein Leben unerhörter Siege rechtfertigte, und er bewies der Welt,
wie er es stets getan, daß neben der Liebe auch der Haß das Be-
dürfnis und eine Kraft seines Geistes war.“ In der Chronik jener
Wochen und Monate und Jahre nach der Entlassung ist es eines
der trübsten Kapitel, daß der gestürzte Kanzler nicht nur wirkliche
Gegner angriff, sondern auch mit ungerechtem Verdacht vermeint-
liche verfolgte, darunter einen Mitarbeiter, der ihm so nahege-
standen hatte, wie der Minister v. Bötticher. Der Hauptvorwurf
gegen Bötticher ging dahin, daß er ihn falsch über die Absichten
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