Kollegen bilde eine Gruppe für sich. Gemeint damit war der
Geheime Legationsrat Raschdau, der sich mit ihm und Kiderlen
überworfen hatte. Der Grund der Entfremdung blieb mir unbe-
kannt, und ich forschte auch nicht weiter danach, dem Rate Capri-
vis folgend, daß ich mich nicht in die persönlichen Reibereien drüben
im Amt bineinziehen lassen möge. Als besonderer Gegner der
Gruppe Holstein im Amt galt der Geheime Legationsrat v. Both-
mer von der Rechtsabteilung.
Wie alle, die Holstein nähertraten, hatte ich von ihm den
Eindruck eines hochbegabten Mannes. Schon die überlegene Art,
ein Gespräch zu führen und seinen Gedanken packenden Ausdruck
zu geben, flößte Achtung vor seinen Geisteskräften ein. Ein starker
Wille und die Warnung: Nimm dich in acht! schienen ihm mit der
kurzen gebogenen Nase und den tiefliegenden, unklar flimmernden
Augen ins Gesicht geschrieben zu sein. Trotz der ausgesuchten Liebens-
würdigkeit, mit der er den unerfahrenen Neuling im Geschäft auf-
genommen hatte, blieb mir doch, vielleicht unter dem Einfluß von
früher über die Unheimlichkeit seiner Person Gehörtem, das Ge-
fühl zurück, daß etwas Anormales, Krankhaftes im Wesensgrunde
dieses Mannes sei. Ganz klar aber war es mir, daß von ihm im
guten bei der nötigen Vorsicht gegenüber seinen menschlichen Eigen-
heiten unendlich viel zu lernen sei.
Einem besonderen Umstand hatte ich es zu verdanken, daß
sich sogleich nach meinem ersten Besuch bei Holstein ein häufiger
persönlicher Verkehr mit ihm auf seinem Amtszimmer anbahnte.
Mit meinem Eintritt ins Auswärtige Amt fiel nämlich der Beginn
des Feldzuges des Kladderadatsch gegen das Trifolium Austern-
freund, Spätzle und Graf Troubadour zusammen, unter welchen
Spottnamen Holstein, Kiderlen und Graf Philipp Eulenburg, da-
mals preußischer Gesandter in München, gemeint waren. Weiteren
Kreisen blieben die Späße des Witzblattes zunächst ganz unver-
ständlich, aber in den Räumen der Wilhelmstraße 76, auf denen
noch das weihevolle Andenken Bismarcks ruhte, mußten sie das
peinlichste Aufsehen erregen. Es war unerhört dreist und für die
Nachfolger von Bismarck Vater und Sohn höchst unleidlich, daß drei
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