sah oder es durch Biegen und Drehen, Kneten und Treten in
Mißgestalt verwandelt hatte. Aber zu leicht kam bei ihm Persön—
liches, Allzupersönliches, ins Spiel. Wenn er sich durch Verdacht
gegen andere in seiner eigenen Machtsphäre bedroht glaubte, wenn
er unter passivem oder aktivem Terror litt, wenn ihn hysterische
Eifersucht packte, kannte er sich selber nicht und verschoben sich
die Linien seines Gesichtskreises so, daß unwahre Bilder heraus-
kamen.
In der Darstellung seines Zwistes mit mir geht Wahres und
Falsches durcheinander. Die Sache fing an gleich nach Beginn
der deutschen Marokkoaktion im Frühjahr lgo#§S. Holstein wünschte,
daß in der Norddeutschen Allgemeinen eine kriegerische Sprache
gegen Frankreich geführt würde. Ich sprach mich dagegen aus
mit der Begründung, daß wir bisher, entsprechend unserem amtlichen
Verhalten bei und nach Abschluß der französisch-englischen Entente,
in der Marokkofrage beruhigend auf die Presse eingewirkt hätten,
und daß nach der deutlichen Sprache, die schon in der Reise des
Kaisers nach Tanger lag, ein plötzlicher Ubergang zu papiernen
Kriegsdrohungen unsere öffentliche Meinung in Unruhe, Streit
und Verwirrung versetzen müßte. Der Kanzler Fürst Bülow gab
mir recht, und damit war mir das eifersüchtige Mißtrauen Holsteins
aufgeladen. Je weniger der Verlauf der Algeciras-Konferenz, die
Holstein so eifrig durchgesetzt hatte, seinen Erwartungen entsprach,
um so gespannter wurde sein Verhältnis zu dem Preßreferat, mit
Einschluß regelmäßiger Besucher desselben und selbst alter naher
Bekannter von ihm, wie des aufrechten Herrn v. Huhn von der
Kölnischen Zeitung.
Ebensowenig einwandfrei ist die Erzählung Holsteins (Köpfe I,
S. 114 f.), wie ihm Anfang 1006 die Funktionen eines Direktors
der Politischen Abteilung mit Unterstellung auch des Preßrefe-
rates übertragen worden seien, wie ich dagegen rebelliert und wie
ich aus Rache nach seinem Abgang die Preßmeute auf ihn gehetzt
hätte. Es war alles anders und namentlich von posthumer Rache
keine Spur. In der ganzen Holstein-Krisis, die sich von der Reise
des Staatssekretärs Frhrn. v. Richthofen nach Kiel beim Besuch
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