Full text: Die Stellung des deutschen Kaisers

_- 46 — 
rechtliche Folge geknüpft ist“. Wenn ich nun auch zu- 
gebe, dass sprachlich Seydels Ansicht keineswegs unge- 
rechtfertigt erscheint, so ist doch ebenso gut möglich, 
die Worte „werden erlassen“ als einen Indikativ mit im- 
perativischer Bedeutung aufzufassen, wie dies in der 
Sprache der Gesetze eine häufig zu beobachtende Er- 
scheinung ist. M. E. kann man die genannten Worte sehr 
wohl im Sinne von „sind zu erlassen“ auffassen, sodass 
eine Nichtbeachtung dieser Vorschrift als einer Vorschrift 
zwingenden Rechts ebenso die Ungültigkeit der Ausferti- 
gung herbeiführen würde, wie das Fehlen der Gegen- 
zeichnung des Reichskanzlers. Indessen will ich nicht so 
weit gehen, zu behaupten, dass eine Ausfertigung, die 
nicht ausdrücklich die Worte „im Namen des Reichs“ 
enthält, ungültig sei, wenn ich andererseits freilich auch 
Seydel widerspreche, der diese Bestimmung des Art. 17 
für durchaus unwesentlich ansieht. M. E. dürfte man hier 
zur richtigen Auffassung kommen, wenn'man darauf zurück- 
greift, was der Gesetzgeber wohl mit dieser Bestimmung 
bezweckt hat. Und da dürfte man wohl nicht fehl gehen, 
wenn man die ratio legis darin erblickt, dass eine vom 
Kaiser in seiner Eigenschaft als Kaiser erlassene Anordnung 
als eine solche hat kenntlich gemacht und von vornherein 
im einzelnen Falle der Gedanke ausgeschlossen werden 
sollen, dass es sich nur um eine private Anordnung des 
Kaisers oder um eine solche handele, die der Kaiser in 
seiner Eigenschaft als König von Preussen!) erlässt. 
Speziell für unseren Fall ist also der Zweck der Bestim- 
mung, dass die Ausfertigung eines Gesetzes „im Namen 
des Reichs“ erfolgen soll, der, dass von vornherein die 
Ausfertigung das ausgefertigte Gesetz als ein deutsches 
Reichsgesetz kennzeichnen soll. Haben wir nun diesen 
Zweck als die ratio legis erkannt, so müssen wir nun auch 
annehmen, dass diese lex bei jeder Gesetzesausfertigung 
befolgt sein muss, wenn anders die Ausfertigung gültig 
sein soll. Der Zweck des Gesetzes?) wäre vereitelt, wenn 
  
— 
I) vgl. Frormann a. a. O0. S. 74. 
2) sc. der in Rede stehenden Bestimmung des Art. 17 R.-V.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.