Full text: Deutsches Kolonialblatt. II. Jahrgang, 1891. (2)

vor.“) Derselbe ist nicht nur wegen der Ver- 
wandischat der Verhältnisse für unser der 
Goldküsten Kolonie benachbartes Togo Gebiet, 
sondern theilweise auch für Kamerun und in 
manchen Beziehungen auch für Ost-Afrita von 
jo erheblichem Interesse, daß wir uns nicht 
versagen können, den wesentlichsten Inhall hier 
wiederzugeben. 
Nachdem die natürlichen Verhälmisse der 
Goldtüsten Kolonie unter besonderer Berück- 
sichtigung der meicorologischen Bedingungen 
geschildert sind, wird auf den Ackerbau näher 
cingegangen. 
„In diesem trovischen Lande“, so sagt der 
Bericht, „wo die Natur jede Bemühung in 
tultureller Hinsicht hundertfach belohnt und 
die Bedürfnisse des Menschen sich sast allein 
auf seine tägliche Nahrung beschränten, liegt 
lein Anreiz zur Ansirengung vor: obwohl die 
Hauptbeschöstigung der Bevöllerung der Acker 
bau ist, so tönnen wir doch unbedenklich an 
nehmen, daß wahrscheinlich nicht mehr als 
:3 n Ct., sicherlich nicht mehr als 5 PCt. des 
Bodens jährlich kultivirt werden. 
Die Bevöllerung wird auf 1 106 150 
Köpfe angegeben, was 11,1 auf die (englische) 
Quadratmeile ergeben würde. Der größere 
Theil derselben lebt im Innern des Landes 
in lleinen DTörsern zerstreut, welche auf Wald 
rodungen belegen sind. Es giebt wenig Städte, 
Sitze der bedentendsten Häuptlinge, welche eine 
jede 1000 bis 2000 Einwohner zählen mögen. 
Im Allgemeinen belrägt die Einwohnerzahl 
unter Hundert. Ein jedes Dors ist mit einem 
dichten Hain von Planlanen umgeben, welche 
die Haupinahrung der Leute bilden: in der 
Nähr befinden sich die wenig ausgedehmen 
Rodungen, wo sie ihr Korn (Mais!, Yams 
und Gemüse banecn. “ 
Es solgt nun die Beschreibung der Land 
besitzoerhälmisse, der Veräußerung und Ver 
bfändung des Landes. Dann fährt der Ve 
richt jort: 
„ Der Eingeborene des Innern lann, solweit 
seine persönlichen Bedürfnisse in Betracht 
kommen, ohne Geld leben. Er besizt einige 
Plantanenbäume in der Dorsgemarkung, welche 
ihn mit seiner Haupmahrung, dem Fufüul, ver 
sehen: sein Korn und Gemüsefeld reichen nich! 
nur für seinen Bedarf aus, sondern geben ihm 
noch einen Ueberschuß, um Fische und andere 
Bedürfnisse einzulauschen oder um zu verlausen 
und für das erlöste Geld Tuch, Tabal rc. zu 
erwerben; die Marktgeschäfte besorgen seine 
ler Alujesy'’s Coloninl Possessions No. 110 
Cold Const. Economie Agriculture on ihe Gold 
Const, 1889. London. 1N 10 X Spottiswoode 
[C. — 5897. 40). I’reis 212 
208 
Frauen, und so lebt er sorgenfrei. Wenn aber 
ein Todesfall in seiner Familie sich ereignet, 
wenn er so unglücklich ist, eine Fran, ein Kind, 
seinen Vater oder — und das ist am folgen 
schwersten — seinen Onkel zu verlieren, dann 
ändert sich alles. Danu muß dem „Gebrauche“ 
genügt werden ohne Rücksicht auf die Kosten. 
Es muß mit Flinten geknallt und für Rum 
gesorgt werden. Zeder, der dazu kommt, muß 
wenigstens eine Woche lang bewirthet werden. 
Dies wiederholt sich nach sechs Wochen und 
ein drittes Mal nach Jahresfrist. Bei dem 
Begräbniß und, je nach Bestimmung des Fetisch 
mannes, auch an anderen Tagen müssen Ziegen 
und Schafe geschlachtet, ja vielleicht muß Forisch 
gemacht werden, um den Geist des Verstorbenen 
zu beruhigen. Für diese Ansgaben reicht seine 
und seiner Frauen und Angehörigen Arbeit 
nicht mehr aus. Er gehl zum „Broompon“, 
dem reichen Manne in der Gegend, und macht 
eine Anleihr. Von nun an ist er bis zur Rück 
zahlung des Geldes ein Stlave. Zinsen bis zu 
50, 75, ja 100 vC werden dem Kapital zu- 
geschlagen und bis zur Rückzahlung der Anleihe 
muß der Schuldner für seinen Gläubiger zwei 
Tage in der Woche arbeiten, ohne etwas für 
seine Arbeit zu erhalten. Dies dauert häufig 
Jahrc hindurch, bis der Schuldner so glücklich 
ist, Mitiel zu erhalten, um Kapital und zZinsen 
zu bezahlen. Ein Mann ist für die Schulden 
seiner verstorbenen Verwandten ebenso wie für 
seine eigenen haftbar. Derienige, welcher den 
„Gebrauch“ erfüllt, haftet für die Schulden 
des Verstorbenen.. Sieben Achtel der Schulden 
im Lande sind auf die „Gebräuche“ zurück 
Zuführen, welche wie ein Alp auf dem Manne 
lasten, denn sie verursachen sehr bedeutende 
nutlose Ausgaben und pflanzen dem Volk die 
Liebe zum Trunl und zur Faulheit ein. Die 
Sitte ist durch Aberglauben geheiligt und man 
kommt ihr aus Furcht nach: aus Jurcht vor 
dem Zorn des Todien, vor der Nache des 
Fctisch und vor der össentlichen Meinung. In 
den Küstenstädten haben die Missionare und 
Mäßigleitsgesellschaften viel zur Abschaffung 
der „Gebräuche“ gethan und es sieht zu hofsen, 
daß dieselben durch verbesserte Verkehrsmittel 
bald ihren Einfluß auf das Innere ausdehnen 
tönnen. Gewöhnlich wird zur Bestreitung 
dieser „Gebräuche“ der Grundbesitz verpfändet. 
Bearbeitung des Landes. — Nachdem 
ein geeignetes Stück Land ausgewählt worden 
ist, beginnt, wenn es mit Nams bepsflanßt 
werden soll, die Abholzung etwa um Weih- 
nachten, bei anderen Feldfrüchten von Mitte 
bie Ende März, das Buschwerl bleibt am 
Boden liegen, bis es trocken ist, was ctwa 
eine Woche dauert. Es wird dann verbrannt
	        
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