Full text: Deutsches Kolonialblatt. III. Jahrgang, 1892. (3)

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see erforschen und dabei die Möglichleit der 
Herstellung einer besseren und kürzeren Ver- 
kehrsstraße zwischen der Küste und dem Viktoria- 
see als diejenige über Mpwapwa—Tabora ist, 
ermitteln. Als Entgelt für den geleisteten 
Zuschuß sollte die Expedition zugleich die Ver- 
hältisse für die etwaige Fortführung der 
projektirten Eisenbahn Tanga — Korogwe nach 
dem Viktoriasee einerseits, nach Tabora anderer- 
seits klarlegen. 
Die Vorbereitungen zu dieser Expedition 
nahmen unter der umsichtigen und sachver- 
ständigen Leitung des Dr. Baumann einen 
schnellen Fortgang. Die Anwerbung von Sol- 
daten und Trägern erfolgte ohne erhebliche 
Schwierigkeiten, so daß Ir. Baumann am 
15. Januar, dem feslgeseßtzten Termin, mit 
25 Soldaten und 175 Trägern, 1 Kameecl 
und einer Anzahl Lasteseln von Tanga ins 
Imnere abmarschiren konnte. 
Ungleich schwieriger gestaltete sich die In- 
gangsetzung der von der Petersstiftung begon- 
nenen und dem Afsrikareisenden Oscar Bor- 
chert übertragenen Expedition. 
Zunächst ließ die nähere Prüfung des 
Dampferprojekts der Petersstiflung dessen Aus- 
führbarkeit beziehungsweise Zweckmäßigkeit sehr 
zweifelhaft erscheinen. Die Petersstiftung hatte 
beabsichtigt, zu dem Dampfer nur das eiserne 
Gestell in Deutschland herstellen und zum 
Viktoriasee transportiren und die Beplankung 
und Ausbauung erst mit Holz am See vor- 
nehmen zu lassen. 
welcher Art das am Sce vorkommende Holz 
ist, diese Kenntmiß aber für die Konstruktion 
des Schiffskörpers wesentlich ist, so mußte das 
Prosekt fallen gelassen werden. Die Neube- 
arbeitung des Projekts, welche in engerer Aus- 
schreibung erfolgte und dann von einer Sach- 
verständigenkommission, bestehend aus den 
Herren Schiffsbauingenieur Timm zu Ham- 
burg, Schiffswerftdirektor Zimmermann und 
Marinebauinspektor Rudloff in Kiel begut- 
achtet wurde, ergab, daß der Dampfer zur 
Verschickung nach Ostafrika vor dem Frühjahr 
1892 nicht fertiggestellt werden konnte. Es 
wurde deshalb beschlossen, daß Oscar Vorchert 
zunächst mit einer Vorexpedition nach dem 
Viktoriasee abgehen, daselbst nach Errichtung 
einer Schiffswerft mit dem Bau von Segel- 
schiffen beginnen und dann mit den für den 
Transport des Dampfers nothwendigen Trä- 
gern im Sommer 1892 nach der Küste wieder 
hinuntergehen sollte, um den bis dahin fertig- 
gestellten Dampfer abzuholen. 
Oscar Borchert wurde Ende August 1891 
beauftragt, die Vorbereitungen für diese Vor- 
. truppe der Expedition anzuwerben. 
Da nicht bekannt war, 
  
expedition so schleunig zu treffen, daß dieselbe 
mit dem im Anfang Oktober fälligen Dampfer 
der deutschen Ostafrikalinie nach Ostafrika 
abgehen konnte. Dort die erforderlichen 
Träger anzuwerben, wurde Kurt Toeppen 
von Oscar Borchert bereits mit dem 
September-Dampfer der deutschen Linie nach 
Ostafrika gesendet, die Fertigstellung der Aus- 
rüstung gelang ihm bis zum Oktober jedoch 
nicht. Nur Graf Schweiniß, der erste 
Osfizier seiner Expedition, ging im Oktober 
hinaus, um in Aden Somalis für die Schutz- 
Die Aus- 
rüstung folgte mit fünf Schiffshandwerkern, 
welche beim Schiffsbau am Viktoriasee Ver- 
wendung finden sollten, und dem zweiten Offi- 
zier der Expedition, Lieutenant Lutteroth, 
welch' letzterer zugleich den Auftrag hatte, noch 
eine Anzahl Sudanesen in Massauah für die 
Schutztruppe anzuwerben, mit dem November= 
Dampfer, während Oscar Borchert Deutsch- 
land erst Aufang Dezember verließ. Er ver- 
mochte jedoch mit den Vorbereitungen zum 
Aufbruch seiner Expedition nicht rechtzeitig fertig 
zu werden, so daß der Abmarsch von Baga- 
moyo erst am 2. März 1892 erfolgte, als der 
Beginn der großen Regenzeit unmittelbar vor 
der Thür stand. Da Lieutenant Lutteroth 
infolge einer Augenverletzung aus der Expe- 
dition ausgeschieden war, hatte Oscar Bor- 
chert bei der Expedition den Grasen Schweinitz 
als einzigen Offizier; außerdem an Europäern 
den mit den ostafrikanischen Verhältnissen be- 
reits vertrauten Rechnungsführer Wiegand 
und fünf Schiffshandwerker. Seine Schut- 
truppe umfaßte, nachdem mehrere Entlassungen 
stattgefunden hatten, beim Abmarsch noch 41 So- 
malis und 21 Sudanesen, welche sämmtlich mit 
Repetirgewehren bewaffnet waren. Außerdem 
führte er ein der Expedition von Herrn Friedrich 
Krupp in Essen geschenktes 3,7 cm Schnell- 
senergeschütz mit sich. 
Die Wiederaufnahme des Wissmann-Dampfer- 
unternehmens, welche nach Rückkehr des Majors 
v. Wissmann mit den Ersatzmannschaften für 
die Schutztruppe nach Ostafrika in Aussicht 
genommen war, hatte durch die schwere 
Erkrankung des Majors in Aegypten einen 
unerwarteten mehrmonatlichen Aufschub erfahren. 
Der Zug Emin Paschas durch das 
Hinterland des Viktoriasees und die Anlage 
der Stationen des Reichs an diesem See 
hatten unterdessen den Sklavenjagden und dem 
Sklavenhandel in jenen Gebieten so erfolgreich 
entgegengearbeitet, während das Unwesen der 
Sllavenjäger am Tanganyika und Nyassa in 
so erschreckender Weise zunahm, daß die Aus- 
führungskommission des deutschen Antisklaverei=
	        
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