noch von Regierungsexpeditionen berührte Gegenden
zu durchschreiten hatten, und in Afrika ebenso wie
überall anderswo das Sprichwort sich bewahrheitet:
„Der erste Eindruck ist der beste.“
Der Marsch bis Luhagas Uha, wo wir am
6. Juli 1893 anlangten, ging gut und ohne berich-
tenswerthe Vorkommnisse von Statten. In sämmt-
lichen Ortschaften hatte ich Schauris abzuhalten und
alle Regierungs= und Gerichtsgeschäfte anstandslos
erledigt.
In Luhagas Landschaft Wuholo bekommen Land
und Leute einen ganz anderen Charakter als im
Unyamwesilande. Man merkt in den üppigen Kul-
turen die Nähe des mächtigen Malagarasi-Flusses
(20 bis 25 Meter breit, zur Zeit 3 bis 4 Meter tief).
Die Wahas oder Watufis sind eigentlich Hirten-
völker, treiben aber auch Ackerbau, besonders jetzt
nach der Rinderpest (Satoka), die auch hier sowie
in den Ugogo-, Massai= oder Usukumagebieten gleich
verheerend gewüthet hat, was um so bedauerlicher
ist, als die Rinderrasse von Uha ganz prächtig aus-
sieht. Es sind dies die langgehörnten Rinder, die
ich nur mit der ungarischen Rasse vergleichen kann.
Die Dörfer der Watusis sind überall zerstreute
offene kleine Hüttenkolonien ohne jegliche Befestigung.
Die Hütten sind kleine runde Strohhütten, ähnlich
den Wanyamwesi-Hütten, jedoch unansehnlicher. Die
Reinlichkeit läßt viel zu wünschen übrig.
Die Bewaffnung der Watusis besteht in Speer,
Bogen und Pfeil und einem schmalen, doppelschnei-
digen, dolchartigen Messer von der Länge eines
Infanterie-Seitengewehrs in geschnitter Holzscheide.
Die Bekleidung ist außer bei den Großen nur
ein Lendentuch aus importirtem Zeuge, die Großen
tragen bessere Stoffe als „Kitambis“ und „Kikois“,
ähnlich den Wanyamwesis.
Die Watufis sind hohe, schlanke, geschmeidige Ge-
stalten, sie sind von schwarzbrauner Hautfarbe. Ihre
oft 5 bis 7 Centimeter langen Haare sind nicht ver-
filzt, sondern mehr dem gekräuselten Haarc der
Araber und Aegypter ähnlich. Sie tragen dasselbe
gut gepftegt nach rückwärks gestrichen, seltener abrasirt.
Ihre schönen ausdrucksvollen, scharfgeschnittenen Ge-
sichter mit dem schönbezahnten, schmalen Mund und
den schönen, großen, offen blickenden Mandelaugen
und dem wohlgesormten ovalen Schädel machen einen
wohlthuenden Eindruck. Sie sind den Somalis
sogar nicht unähnlich. Trozddem die Leute in
diesen Gegenden noch niemals mit Europäern in Be-
rührung gekommen waren, ist ihr Benehmen ruhig,
bescheiden, würdig und offen. Die widerwärtige
Bettelhaftigkeit und zudringliche Neugierde der Wany-
amwesi ist ebenfalls bei den Wahas nicht zu bemerken.
Der kleine, mädchenhaft schwächliche Sultan Luhaga
empfing uns mit grostem Gefolge eine kleine Strecke
vor seinem Quikurn, welches zum Unterschiede von
den übrigen Dörsern sehr ausgedehnt und mit einer
einfachen, sehr lockeren Pallisadirung, oder besser ge-
sagt Einzäunung, umgeben ist. Von allen Dörfern,
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die wir bis dahin passirt hatten, sprangen die männ-
lichen Bewohner, zum Zeichen der Freundschafts-
absichten nur mit über mannshohen Rohrstöcken in
den Händen, an beiden Seiten des Weges uns be-
gleitend herum, oder in langen Sätzen uns voraus,
um das Gefolge des Sultans zu vergrößern. Die
Menschenmenge schwoll so, ohne daß man recht
wußte, woher sie gekommen, lawinenartig an. Aehnlich
soll die Kriegerschaar in diesem Uha zusammen-
kommen, und dies macht es auch begreiflich, warum
die Araberkarawanen in diesen Gegenden so mäch-
tigen Tribut zahlen mußten.
Wir waren in Quikurn noch nicht recht zu
Lager gegangen, als uns schon einige Watusis
Klagen überbrachten, daß uns nachfolgende „Sirkali“
(Soldaten) die Dörfer plünderten und zerslörten.
Da alle unsere Manschaften und alle Träger sowie
Soldatenboys bereits im Lager an uns aufgeschlossen
eingelangt waren, so konnten diese Räuberbanden
nur heimliche Nachzügler sein; wir schickten sofort
Soldaten aus zur Einfangung dieses Gesindels.
Mittlerweile verhandelte ich mit dem Sultan
Luhaga über die gegen ihn schwebende Klagesache,
betreffend die Rückerstattung von Msorongo an den
durch ihn vertriebenen Sultan Igungulu. Luhaga
erklärte sich bereit, die Ansprüche auf diese ihm schon
vor 20 Jahren von Mirambo abgenommene Land-
schaft aufzugeben und seine wohl vor einem Jahre
dort durch List wieder eingesetzten Leute zurückziehen
zu wollen. In diesem Augenblicke wurden der Sultan
Igungulu und eine ganze Schaar von Warambo=
Ruga-Rugas eingebracht, die trotz meines ausdrück-
lichen Verbotes heimlich unserer Expedition bis hierher
gefolgt waren und zwar in der erwiesenen Absicht,
uns mit dem Luhaga in einen Krieg zu verwickeln,
um dann im Trüben fischen zu können.
Der Sultan Igunguln wollte sich außerdem
dadurch für seine Vertreibung rächen. Um ein für
alle Male solchen echt waniamwesihaften Spekula-
tionen ein Ende zu machen, und um den
harmlosen Wahas klar zu machen, daß dieses Rän-
bergesindel durchaus nichts mit dem „Sirkali“
(Regierung) zu thun hätte, ließ ich den tückischen
Igungulu und den Führer der Warambo-Ruga-
Ruga erschießen, die übrigen Warambas aber,
über 30 an der Zahl, von unseren selbst über diese
sich als Soldaten aufspielenden Räuber aufgebrachten
Soldaten mit je 100 bis 200 Stockhieben bestrafen
und dann zum Lager hinausjagen. Der Eindruck
dieser Justiz auf die Wahas war ein großer und
ebenso war die Wirkung bei unseren Leuten eine gutc.
Das Gefolge war spurlos und für immer ver-
schwunden und die Expedition verlief, wie gesagt,
unter tadellosestem Benehmen unserer Soldaten und
Träger. Das Msorongo-Gebiet habe ich dem Sultan
Luhaga zugesprochen und den Sultan von Urambo
hiervon in Kenntniß geseht.
Am 19. Juli 18983 marschirten wir bis an die
Fähre über den Malagarasi-Fluß und trafen dort