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Trotzdem das Ansehen des Kaiserlichen Gouver=
nements eine nachdrückliche Züchtigung der frechen
Miangesen erforderte, wollte ich es doch noch einmal
in Güte versuchen, die Leute zum Gehorsam zu
bringen. Jch war durch die Missionsstation in
Mangamba in Kenntniß gesetzt worden, daß der
Häuptling Mbia mit dem Gonvernement in Friedens-
unterhandlungen zu treten wünsche. Infolge dessen
bot ich ihm Frieden unter der Bedingung der sofor-
tigen Auslieferung der Hauptschuldigen Pens und
Mbias und voller Entschädigung für die Beraubung
der Herschellschen Faktorei in Miang.
Als am dritten Tage, dem 1. Mai d. Is., keine
Antwort eingetroffen war, ging am folgenden Morgen
die Schutztruppe ab, geführt von Hauptmann
Morgen als Oberbefehlshaber, Lieutenant Dominik,
dem zur Zeit hier weilenden Lieutenant v. Mallink-
rodt II., den Unteroffizieren Krause, Zimmer-
mann und dem in gleicher Eigenschaft verwandten
Lazarethgehülfen Seebe. S. M. Kanonenboot
„Hyäne“ hatte in zuvorkommender Weise die mit
einem Revolvergeschüb bewaffnete Stationspinasse zur
Verfügung gestellt und den Lieutenant zur See
Vleß sowie den Marinearzt Dr. Raß nobst einigen
Matrosen kommandirt für den Fall, daß der Landung
Widerstand entgegengesetzt werden solle.
Dies war glücklicherweise nicht der Fall, denn
die Miangesen erwarteten eine so prompte Eröffnung
der Feindseligkeiten nicht, und die benachbarten Dörfer
Koki und Fiko, welche mit Miang nicht auf gutem
Fuße leben, hatten die Ankunft des „Soden“, wel-
cher die Soldaten trug, nicht ausgetrommelt. So
konnte denn am Strande von Miang die Landung
unbemerkt von Statten gehen. Das Landungskorps
betrug etwa 80 Sudanesen und 70 Weis. Rasch
wurde nun nach dem ½ Stunde entfernt auf steiler
Anhöhe liegenden Hauptdorfe Malende marschirt und
die Miangesen, die, weil überrascht, nur geringen
Widerstand leisteten, hinausgeworfen und bis nach
dem Mungo hin verfolgt. Eine Mitwirkung der
Kaiserlichen Marine bei der Aktion im Innern war
nicht veranlaßt, und so konnte die Stationspinasse
mit „Soden“ schon am dritten Tage hierher zurück-
kehren, nachdem eine Militärstation in Malende er-
richtet worden war. Hauptmam Morgen überließ,
nachdem der Hauptschlag gegen die Miangesen geführt
war, die weitere Verfolgung dem Lieutenant Dominik,
der in Anbetracht des ausgedehnten Operationsfeldes
wohl für längere Zeit Beschäftigung finden wird.
Eine Anzahl der unruhigsten Elemente des Stammes
ist im Kampse gefallen. Die Haltung der Schutz-
truppe war eine vorzügliche.
Regierungsarzt Dr. Plehn hatte mich gebeten,
ihm die Theilnahme an der Expedition zu gestatten.
Da nicht vorauszusehen war, daß die Miangesen sich
würden überraschen lassen, und man wenigstens bei
der Erstürmung Malendes auf einen verzweifelten
Widerstand gefaßt sein mußte, glaubte ich seiner
Bitte um so eher willfahren zu sollen, als mir auch
von der Missionsstation Mangamba die Mittheilung
zugegangen war, die Miangesen hätten sich ver-
schworen, Jeden zu tödten, der fliehen würde.
Welchen Eindruck schon dieser erste Schlag gegen
Miang gemacht hat, zeigt die Thatsache, daß die
Miangesen bereits zu benachbarten Stämmen zu
fliehen beginnen, bei diesen jedoch aus Furcht vor
dem Gonvernement keine Aufnahme finden, sowie daß
entfernte Stämme nach dem Gonvernement kommen
und um Flaggen bitten. Das Ansehen des Gonver-
nements ist weit und breit wieder hergestellt.
Die Zusammensehzung der Schutztruppe aus zwei
Elementen erachte ich für sehr günstig. Die ernsten,
kriegslustigen und absolut verlässigen Sudanesen
werden überall den Stamm zu bilden haben, während
die beweglichen Weis, welche mit dem westafrikanischen
Busch und der Kampfweise der Eingeborenen wohl
vertraut sind, ein vorzügliches Ergänzungsmaterial
bilden.
Ueber die Vorgänge bei der Expedition berichtet
Hauptmann Morgen:
Am 10. April war ich mit den 87 in Aegypten
angeworbenen Sudanesen in Kamerun angelangt;
einer der Angeworbenen war auf See an Lungen-
entzündung gestorben. Da diese Leute theils durch
ihre frühere militärische Thätigkeit, theils durch ein
fünfwöchentliches, täglich 8 Stunden währendes
Exerzitium auf dem Dampfer eine für den afrika-
nischen Krieg genügende Ausbildung erhalten hatten,
und auch die in Kamerun befindlichen etwa 70 West-
afrikaner — meist Weyleute — einen äußerst
günstigen Eindruck machten, konnte ich nach bereits
14tägigem Aufenthalt in Kamerun dem Herrn Gou-
verneur v. Zimmerer, der mir bereils von seiner
Absicht, die Miangesen zu strasen, Mittheilung ge-
macht hatte, die Meldung erstatten, daß die Truppe
gefechtsbercit sei. «
Daß eine erneute Bestrafung der Miangleute
durchaus erforderlich war, darüber waren sich in
Kamerun alle Europäer, einschließlich der Missionare,
und sämmtliche Eingeborenen einig; denn nicht nur
hatten sie eine am Abo gelegene Faktorei der Firma
Herschel ausgeplündert und den schwarzen Faktorei-
vorsteher getödtet, sondern auch sich dem nur vier
Stunden enlfernt wohnenden Gouverneur gegenüber,
wo sie nur konnten, unbotmäßig und widerspenstig
gezeigt. Nachdem der Forderung des Gouverneurs,
die beiden Hauptschuldigen Häuptlinge Pen und
Mbia unter Garantie des Lebens auszuliesern, nicht
Folge gegeben war, brach ich am 2. Mai früh (.
den am Schluß wiedergegebenen Detachementsbefehl)
von Kamerun auf.
Ich hatte gehofft, das neben dem allen Miang-
dorfe neu erbaute Hauptdorf Malende noch an dem-
selben Tage stürmen zu können, da ich bei schnellem
Erscheinen — wie ich von früher her aus Erfahrung
weiß — auf Bestürzung und somit auf leichtere