Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

Leute forcirten den Durchmarsch, wobei eine große 
Zahl des Viehes zu Grunde ging. Ich habe, als 
ich die Ebene passirte, meist bis an den Gürtel waten 
müssen, oft ging mir das Wasser bis über die 
Schultern. 
Das Wasser erreicht nicht jedes Jahr diese Höhe. 
Die Klagen der Eingeborenen sind groß, Unmassen 
von Hänsern sind weggeschwemmt, die Ernten ver- 
nichtet, die Bauanenstauden niedergelegt. 
Euere Excellenz erinnern sich wohl der frucht- 
baren Landschaft, der so kunstvoll gebauten Häuser. 
Jetzt ist alles dies eine sumpfige Wassermasse, theil- 
weise sind die Eingeborenen geslohen, theilweise 
wohnen sie auf den Dächern, ja oft in Bäumen. 
Hoffentlich ist diese Wasserfluth nicht über die 
ganze Ebene verbreitet, denn sonst würde ich wohl 
bald ohne Proviant für meine Station bleiben. 
In meiner Abwesenheit sind so viel Rekruten 
eingestellt worden, daß ich auch nach Entlassung der 
ihre Zeit abgedienten die mir bewilligte Zahl haben 
werde. 
Auf der Station ist rüstig gearbeitet worden, ich 
denke nächstens mit dem Aufführen des Stations- 
gebäudes zu beginnen, dessen unteres Stockwerk ich 
auch ohne- Handwerker machen kann. 
Ueber verkehrsmittel in Ostafrika 
äußert sich Dr. Leut in folgender Weise: 
I. Wagentransport. 
Der Vorzug der Wagenbeförderung vor dem 
Transport durch Lastthiere liegt darin, daß die 
Zugfähigkeit der in Betracht kommenden Thiere ihre 
Tragfähigkeit im Allgemeinen um ein Vielfaches 
übersteigt. Der Vorzug der Letzteren aber wird 
dadurch gegeben, daß sie geebneter Straßen ent- 
behren kann und auch in verhältnißmäßig unweg- 
samem Terrain noch betriebsfähig bleibt, wo jene 
ausgeschlossen ist. Es wird sich also bei der Ab- 
wägung der beiderseiligen Vortheile wesentlich um 
die Schwierigkeiten handeln, welche einem Wegebau 
in unserem Gebiete entgegenstehen. 
Das bekannteste Zugthier im afrikanischen Wagen- 
verkehr ist der Ochse. Seine Verwendbarkeit und 
die Chancen dieses Betriebes hängen selbstverständlich 
von den allgemeinen Landesverhältnissen ab. h 
glaube nun nicht, daß Klima und Bodenbeschaffen- 
heit dem in unserem Gebiete erhebliche Schwierig- 
leiten entgegenstellen, anders sieht es schon mit der 
Ernährungs= und insbesondere der Zuchtfrage. 
Bekanntlich bilden Ninder einen sehr wesentlichen 
Gegenstand der Viehzucht in Ostafrika. Berühmt 
durch diese Thierproduktion ist seit Alters gerade 
Usambara, aber auch den Kilimandjaro kann man 
nicht arm an Rindvieh nennen, wenn auch das 
dortige Klima für die Zucht entschieden ungceigneter 
ist als das der den Küsten näher gelegenen Gebirgs- 
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länder. Die in normalen Zeiten günstigen Vor- 
bedingungen für die Rindviehzucht wurden aber 
Ende der achtziger Jahre von einem plößlichen, 
folgenschweren Ereigniß durchkreuzt. Es ist dies die 
bekannte Viehseuche, welche die fraglichen Gebiete in 
kürzester Zeit des größten Theiles ihres Ninder- 
bestandes beraubte. Wie ich den Darlegungen eines 
Sachverständigen?) entnehme, wurde die von den 
Eingeborenen „Sadoka“ genannte Seuche von 
Norden her aus dem Samburulande eingeschleppt 
und trat dort nach v. Höhnel bereits in den 
Jahren 1876/77 auf. 1887 trafen sie Teleki und 
v. Höhnel unter den Nindern am oberen Pangani, 
frei war damals noch das Flachland zwischen Kilima- 
ndiaro und Mern. Auch Meyer fand im selben 
Jahre am Kilimandjaro, in Taweta und Ugueno 
nur gesundes Vieh. Im Herbst 1890 herrschte sie 
in den wildreichen Gegenden am Juße des Kilima- 
ndjaro; 1891 waren nach Kallenberg Pare, 
Ugueno, Taweta, Kahe und das Dschaggaland 
immer noch seuchenrein, Wissmann aber fand zur 
selben Zeit die Heerden der zwischen dem Jipesee 
und Ugueno streichenden Massai damit behaftet. 
Im nächsten Jahre drang sie bis zur Küste vor 
und verbreitete sich dort so allgemein, daß unter 
Anderem die Heerden der Mission zu Bagamoyo 
und der Station zu Dar-es-Saläm ihr erlagen. Die 
Verheerungen der Krankheit waren schrecklliche. 
Thomson, Baumann und Wissmann verdanken 
wir Schilderungen derselben. Leßterer fand auf 
seiner Expedition zum Kilimandjaro an Stelle ver- 
lassener Massaikraals Hunderte von Rindern, welche 
die Luft verpesteten. Ueberall lagen gefallene Büssel 
umher. Es ist kein Zweifel, daß die in vielen 
Zügen unserer „Rinderpest“ ähnliche Seuche durch 
die Massai eingeschleppt und verbreitet wurde. Es 
läßt sich konstatiren, wie sie ihren Raubzügen folgte; 
wo eine wehrhafte Bevölkerung saß oder die Massai 
aus anderen Gründen nicht erschienen, blieb das 
Land dauernd oder lange verschont. Am Kilima- 
ndjaro scheint die Krankheit nur in Moschi Ein- 
gang gefunden zu haben, wiewohl das Vieh nicht 
in die Steppe hinunterkam und Massaivieh ebenso- 
wenig hinauf. Sander meint, daß die Bakterien mit 
dem von den Wadschagga in der Steppe geschnittenen 
Grase übertragen worden seien, wie auch Fleisch- 
fresser und Naubvögel, die selbst nicht empfänglich, 
zur Ausbreitung indirekt beitrugen. 
Es ist natürlich, daß in einem solchen Kala- 
mitäten ausgesetzten Gebiete der Befürwortung einer 
intensiveren Nindviehzucht, namentlich soweit dieselbe 
zur Unterlage eines rentablen Wirthschaftsbetriebes 
dienen soll, ernste Bedenken entgegengestellt werden 
können. Demgegenüber aber darf man billigerweise 
daran erinnern, daß auch bei uns gefährliche Vieh- 
seuchen nicht fremd sind, und daß gleichwohl die 
*) Vortrag des Dr. Sander auf der Nakurforscher- 
versammlung in Nürnberg 1898.
	        
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