Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

durch Gründung von Werkstätten, Filialen hervor- 
treten, soweit eine tropische Kolonie dies überhaupt 
gestattet; selbständigen Handwerkern werden sich zu- 
nehmende Erwerbsaussichten eröffnen — kurz und 
gut, das Land selbst wird zur Befriedigung vieler 
Bedürfnisse die Möglichkeit bieten. um deren Willen 
man sich noch heute nach Europa wenden muß. 
Das wirkt nothwendigerweise auf den Inlandver- 
kehr zurück, und entlegene Binnenstriche werden auf 
eine prompte Küstenverbindung um so größeren Werth 
legen, je mehr Europäecr dort ansässig sind. Diesem 
Bedürfniß kommt der Telegraph in wirksamster Weise 
entgegen; der Kilimandjaro dürfte für ihn wohl am 
ehesten von allen Binnengebieten in Betracht kommen. 
Die Usambara-Eisenbahngesellschaft baut schon 
aus eigenen Betriebsrücksichten bis Korogwe eine 
Telegraphenleitung. Die Fortsetzung derselben wäre 
zweckmäßig in der Weise zu führen, daß sie sich 
immer an die Hauptverkehrsstraße hält, weil dort 
sowohl der Transport der nöthigen Materialien wie 
die Beaussichtigung der Anlage am leichtesten fällt. 
Statt der Postroute Buiko—Opui via Hedarn, 
wird die Telegraphenlinie, wenn sie sich dadurch ouch 
etwas verlängert, besser dem Pangani folgen, soweit 
die Bodenverhältnisse es gestatten. Für eine ober- 
irdische Anlage sind dort die nöthigen Hölzer vor- 
handen, welche in der Steppe gänzlich fehlen. 
Außerdem wird eine sich am User entlang ziehende 
Hochleitung nicht in demselben Maße Störungen 
ausgesetzt sein wie im offenen Lande. Von unter- 
irdischer Kabellegung wäre der Kosten halber wohl 
abzusehen. 
Am Kilimandjaro endet die Leitung natürlich 
am Centralsitz der dortigen Unternehmungen, wo die 
Einrichtung eines selbständigen Postamtes nothwendig 
wird. Ob diese Zukunftsstätte in der eben im Bau 
begriffenen Moschistation zu erblicken ist, scheint mir 
fraglich. Für die Lage der Leßteren waren aus- 
schließlich militärische Gründe maßgebend; wirthschaft- 
lich muß man sie als ungünstig bezeichnen. Wo 
aber auch die spätere Landesverwaltung ihren Siß 
aufschlagen mag, jedenfalls wird es sich empfehlen, 
die zerstreuten Kulturstätten des Berges durch ein 
telephonisches Neß mit dieser und dadurch mit der 
eivilisirten Welt zu verbinden. 
Schluß. 
Es ist dem Vorstehenden wenig mehr hinzuzu- 
fügen. Wir haben versucht, in folgerichtiger Ent- 
wickelung die Nothwendigkeit einiger kulturellen Maß- 
nahmen darzuthun, welche das Kilimandjarogebiet 
seiner praltischen Verwerkhung näher bringen. Wir 
sahen, daß die Selbständigkeit dieses Berglandes eine 
andere Art der Nugung bedingt, als sie sonst in 
unseren überseeischen Gebieten räthlich erscheint. Die 
klimatische Eigenart fordert zu einer Besiedelung mit 
deutschen Kolonisten auf. Um über die Aussichten 
eines solchen Unternehmens ein Urtheil zu gewinnen, 
prüften wir die wesentlichen Vorbedingungen des- 
  
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selben, soweit sie im Lande selbst liegen. Einen 
dieser Kardinalpunkte, die wichtige Frage der Küsten- 
verbindung, fanden wir gänzlich ungeklärt und 
wandten uns daher ihrer Untersuchung zu. Dabei 
stellten sich die derzeitigen Verhältnisse als sehr un- 
günstige heraus. Die Kostspieligkeit des Verkehrs 
überhaupt, dazu unsere Unfähigkeit, mit der Linie 
einer anderen Nation zu konkurriren, ergaben die 
Nothwendigkeit einer durchgreifenden Reform. Wir 
erkannten, daß das punctum saliens in dem Be- 
förderungsmittel liege, daß das bisher ausschließlich 
verwandte, der Mensch, das theuerste sei und eine 
Rentabilität ausschließt. Daher sahen wir uns nach 
anderen Beförderungsarten um und unterzogen die 
in Kolonialländern anwendbaren einer Fystematischen 
Untersuchung. Es ließen sich zwei Gruppen unter- 
scheiden, Verkehrsmittel 1. und 2. Grades, oder 
solche, welche die centralen Stämme bilden, und 
andere, die den Anschluß an diese herstellen. In 
beiden Gruppen kamen wir zu günstigen und un- 
günstigen Resultaten. Wir mußten Unternehmungen, 
die daheim ohne Keuntniß unserer Lokalverhälknisse 
für zweckmäßig gehalten werden, zurückweisen, andere, 
die bisher nicht oder kaum in Brtracht gezogen 
waren, für aussichtsvoll erklären, weil ihre Bedin- 
gungen mit dem Charakter des Landes harmoniren. 
Nachdem wir im Allgemeinen die Frage entschieden 
hatten, welche Beförderungsmittel für eine Verbesse- 
rung unserer Küstenverbindung in Betracht kommen, 
suchten wir das zweckmäßigste System zu eruiren, 
wie sich der Verkehr im Einzelnen zu gestalten habe. 
Wir wurden dabei vielleicht spezieller, als es nach 
der lückenhaften Kenntniß mancher Vorbedingungen 
gerechtfertigt erscheint, allein es schien mir ange- 
bracht, zu Nutz und Frommen derartiger Unter- 
nehmungen die Gedanken einmal auszuspinnen, welche 
eine längere Beschäftigung mit der Materie im 
Lande selbst in mir angeregt hatte. 
Wir wollen noch einen Schrikt weitergehen und 
die Frage aufwerfen, wem die etwaige Ausführung 
der hier gemachten Vorschläge zufällt. Im Allge- 
meinen lassen sich alle Verkehrsmittel in zwei Gruppen 
theilen, in solche, deren Betricb im Bereich und der 
Macht von Privatpersonen liegt, und andere, zu 
deren Herstellung und Betrieb öffentliche Mittel und 
die Antorität des Staates erforderlich sind. Zur 
ersten Klasse gehören Lastthiere, Wagen, Benutzung 
der natürlichen Wasserstraßen, zu letzterer Land- 
straßen, Kanäle, Eisenbahnen. 
Es geht nun nicht an, auf Kolonialgebiete ohne 
Weiteres Institutionen zu übertragen, die sich in 
Kullurländern im langen Lauf der Entwickelung 
unter wesentlich anderen Bedingungen herausgebildet 
haben. Wo dies geschieht, wird den Landes- 
verhältnissen ein Zwang angethan, der sich früher 
oder später rächt. Wenn wir den uns hier be- 
schäftigenden Gegenstand unter diesem Gesichtspunkt 
prüfen, so ergiebt sich von vornherein der wesentkliche 
Unterschied gegenüber heimischen Zuständen, daß die
	        
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