Full text: Deutsches Kolonialblatt. V. Jahrgang, 1894. (5)

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vorgeschlagenen Verkehrseinrichtungen weniger einem 
bereits vorliegenden Bedürfniß entgegenkommen, als 
vielmehr dazu bestimmt sind, erst ein wirlhschaftliches 
Leben im Lande zu entwickeln, das sich ihrer bedienen 
soll.“) Diese Sachlage ist entscheidend für die Ren- 
tabilitätsaussichten, von denen es wieder abhängt, ob 
sich die Privatinitiative solcher Unternehmungen be- 
mächtigt oder sie dem Staate überläßt. Je größer 
im Allgemeinen das Risiko ist und in je weiterer 
Ferne erst eine Rentabilität winkt, um so weniger 
wird das Privatkapital zur Betheiligung geneigt 
sein, um so nothwendiger wird das Eingreifen des 
Staates. Ich möchte mich auf das Urtheil eines 
Praktikers 57) stützen, der sich über die Finanzirung 
deutscher Kolonialunternehmungen wie folgt äußert: 
„Es ist nicht ausgeschlossen, daß große Privat- 
kapitalien verbraucht werden, ohne daß in die Augen 
springende Erfolge erzielt würden; dann aber wird, 
wie wir unser deutsches Volk von heute noch kennen, 
die Erneuerung dieser Kapitalien, um die allzu theuer 
bezahlten Erfahrungen nun auszunußzen, eine sehr 
schwierige, vielleicht unmöglich sein — wenn bis 
dahin nicht britischer Welthandelsgeist auch bei uns 
seine Heimstätte aufschlug. Dann ist der Wagen in 
den Sumpf gefahren, und der Reichstag, der viel- 
leicht heute verhältnißmäßig geringfügige Summen 
versagt, wird dann, um die Ehre des deutschen 
Namens zu retten, unendlich viel tiefer in die Tasche 
des Reiches greifen müssen.“ 
Es handelt sich in unserem Falle um keine um- 
fangreichen Unternehmungen. Der Grundsatz, den 
wir stets zu befolgen uns bemühten, war der, mit 
geringen Mitteln wo nicht Großes, so doch praktisch 
Werthvolles zu erreichen. Die Betriebskosten aller 
vorgeschlagenen Verkehrsmittel sind geringfügig, ebenso 
eduziren sich die erforderlichen Vorarbeiten mit viel- 
lech einigen Ausnahmen des Straßenbaues zwischen 
Korogwe und Buiko und etwaiger Flußregulirungen 
auf ein finanziell unbedeutendes Maß. Wenn ich 
weiter zugebe, daß der Staat das Prinzip befolgen 
soll, der Privatindustrie alle Geschäfte zu überlassen, 
welche diese allein ebenso gut vollbringen kann, so 
möchte ich mich doch hier für eine ausschließlich 
staatliche Inangolffnahre dieser Arbeiten aussprechen 
und zwar aus prinzipiellen Gründen. 
Einmal ist bei dem in Deutschland für koloniale 
Zwecke noch nicht gänzlich entwickelten finanziellen 
Unternehmungsgeist nicht zu erwarten, daß leicht 
  
  
Roscher meint: „Während im Ganzen die Regel gilt, 
daß u— intensiven Transportmittel eine hohe Kultur zwar 
befördern, aber auch voraussetzen, ist es in Kolonien gar 
wohl möglich, z. B. eine Eisenbahn durch eine für jetzt 
bheese Gegend mit Hülse von Anleihen zu 
bauen, für die man die künftige Werthsteigerung der in #er 
Nähe der Vahn liegenden Grundstücke als Pfand bestellt.“ 
Kolonien, Kolonialpolitik und Auswanderung. Von 
elm Roscher und Robert Jannasch. 3. Auflage n 
oschers Kolonien. 1885, S. 1 
)Hermann Soyaux, Deutsche Arbeit in A#r- 
Erfahrungen und Betrachtungen. Leipzig 1888, S. 
  
  
Leute gefunden werden, die eine derartige, gänzlich 
neue Aufgabe mit Gewähr auf konsequente Durch- 
führung übernähmen. Die Regierung hat schon ein- 
mal mit einer Privatfirma (Schülke & Mayr) 
einen Vertrag bezüglich Herstellung einer Postver- 
bindung im Innern Deutsch-Ostafrikas geschlossen.“) 
Das Unternehmen ist sehr rasch und gänzlich ge- 
scheitert. Ich glaube auch nicht, daß die Hebung 
finanzieller Bedenken durch Leistung einer Zins- 
garantie seitens des Reiches genügen wird, um im 
vorliegenden Falle eine exakte Durchführung zu ge- 
währleisten. Bei der Usambara-Bahn liegen die 
Verhältnisse ganz anders und verbieten eine Verall- 
gemeinerung. Promptheit und Sicherheit sind aber 
gerade die Momente, auf welche es im Verkehrs- 
wesen nächst der Billigkeit am meisten ankommt, und 
diese kann die Regierung eher erreichen als eine 
Privatgesellschaft. 
Während ferner letztere, wenn es sich nicht um 
ein großes kombinirtes Unternehmen handelt, auf die 
Einnahmen aus dem Betriebe angewiesen ist, kann 
der Staat eine lange ausbleibende Rentabilität leichter 
verschmerzen, da alle Ausgaben aus einer General= 
kasse bestritten werden, in welche durch andere Unter- 
nehmungen wieder Mittel hineinfließen. Diese Kom- 
pensation fehlt im Allgemeinen privaten Betrieben. 
Des nicht zu leugnenden Risikos halber empfiehlt es 
sich, derartig neue Bahnen durch staatliche Mittel zu 
erschließen, um Präcedenzfälle zu schaffen, aus denen 
die Privatindustrie Belehrung schöpfen kann. In 
ähnlicher Weise wie ein reicher Gutsbesitzer unter 
der kleinbäuerlichen Bevölkerung seiner Gegend wirth- 
schaftliche Fortschritte anzubahnen vermag, indem er, 
dem cs auf etwaige Verluste weniger ankommt, mit 
neuen Maschinen, Düngemitteln u. s. w. Versuche au- 
stellt, an welche sich die Bauern selbständig nicht 
heramvagen würden, so sollte auch die Regierung, 
wenn sie es mit der Entwickelung des Landes ernst 
meint, dem in Deutschland leider mangelnden Unter- 
nehmungsgeist zu Hülfe kommen. Eine abwartende 
und rein schützende Haltung ist in einem Lande nicht 
angebracht, dessen Bürger erst zu dem neuen Erwerbs- 
zweige erzogen werden müssen. Es wäre gerade so, 
als wenn ein Lehrer sich darauf beschränken wollte, 
von seinen Schülern äußere Störungen fernzuhalten, 
im Uebrigen es ihnen aber selbst überließe, wie sie 
mit ihrer Materie fertig würden. Hieraus möge 
nicht das Bestreben gefolgert werden, dem Staate 
eine bevormundende Rolle zuzuschieben, die einer 
gesunden Entwickelung leicht verhängnißvoll werden 
kann. Es handelt sich allein um das Beispiel, nicht 
um den Zwang. Es mag immerhin für die Privat- 
rührigkeit betrübend sein, duß sie auch jenes so sehr 
bedarf. 
Der weitere Grund, weshalb ich die staatliche 
Initiative hier besürworte, schließt sich dem vorigen 
  
*)Vergl. Deulsches Kolonialblatt. III. Jahrgang 1892, 
#. g sch Jahrgang
	        
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