Full text: Deutsches Kolonialblatt. VIII. Jahrgang, 1897. (8)

Am anderen Morgen setzten wir unseren Marsch 
fort und trafen gegen 9 Uhr vormittags in der 
Residenz Rumonges, des gefürchteten Oberhäupt- 
lings oder Watwale von Urundi, ein. Unser 
Marsch an diesem Tage war ein wahrer Triumph= 
zug! Die Begeisterung des Volkes überstieg alle 
Begrisse. Tausende von Warundi begleiteten uns, 
ein Meer von Lanzen wogte vor und hinter uns 
und zu beiden Seilen. Alle Hügel, Berggipfel, 
Thäler waren schwarz von Menschen, soweit wir 
marschirten, als ob die Erde sie ausgespieen hätte. 
Wir errichteten unser Lager 100 m vom 
„Kraal“ Rumonges, und nun entwickelte sich ein 
Schauspiel, das uns unvergeßlich bleibt. Den ganzen 
Tag über waren wir Gegenstand der Ehrenbezen- 
gungen des Volkes und das gespendete Stroh wuchs 
zu großen Haufen an. Erst kamen die Männer, 
dann die Frauen und Kinder, und wenn ich hier 
und da einer Mutter einige rothe Perlen gab, so 
stieg die Begeisterung ins Ungemessene. Nach den 
Ehrenbezeugungen kamen die kriegerischen Festspiele, 
an der Tausende mit Lanzen bewaffneter Warundi 
theilnahmen. Am Nachmittag kam Rumonge selbst, 
um uns zu begrüßen und uns sein Geschenk zu 
überbringen. Er ist ein ann von etwa 70 
Jahren, aber noch recht rüstig. Natürlich brachten 
auch wir ihm unser Geschenk, das ihn entzückte. 
Wir sind die besten Freunde von der Welt ge- 
worden. 
An den folgenden Tagen besichtigten wir die 
Umgebung, um den Ort zu finden, an dem wir uns 
endgültig niederlassen wollten. Wir durftien ganz 
nach Belieben wählen. Wir hatten schon von 
Musabiko, einem der mächtigsten Häuptlinge des 
Landes, gehört, der zehn Stunden weiter am Ufer 
des Ruwuru wohnt. Mit ihm wollten wir uns in 
nähere Verbindung setzen, und so marschirten wir 
am 20. Juli von Kinani wieder ab. An diesem 
Tage kamen wir 2½ Stunden weit westlich bis 
nach Isagara, zum Häuptling Sengona. In 
Wirklichkeit hat Urundi keinen eigenklichen König. 
Der von Reisenden genannte Kisabo ist nur der 
Name einer verflossenen Herrscherfamilie. Musa- 
biko scheint so etwas zu sein wie Pipin von 
Heristall seinerzeit bei den Franken war, das 
ganze Urundi aber untersteht einer gewissen Anzahl 
von „Baronen“ oder „Herzogen", die alle mehr 
oder weniger Macht besitzen. 
In Isagara blieben wir mehrere Tage und 
sanden Gelegenheit, uns schon ein wenig das Ver- 
trauen unserer neuen „Pfarrkinder“ zu erwerben, die 
massenhaft zu uns kamen. Die Warundi bilden eine 
stattliche Negerrasse, groß und schlank, stolz, rauh 
und abgehärtet wie ein Gebirgsvolk, frei und eifer- 
süchtig auf seine Unabhängigkeit. Niemals gelang 
es den Arabern, in Urundi einzudringen. Der be- 
rüchtigte Sklavenräuber Rumaliza hat es nur ein- 
mal versucht, sich da Beute zu holen; er kam nie- 
mals wieder. Mirambo, den Stanley den 
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schwarzen Napoleon nennt, fand in Urundi sein 
Waterloo, ganz nahe bei uns, in Musale, welcher 
Ort dadurch in ganz Ostafrika berühmt geworden ist. 
Bis zum 10. August blieben wir bei Sengona 
in Isogara. Während dieser 20 Tage unterhandelten 
wir mit dem mächtigen Musabiko. Wir ließen ihm 
zunächst durch Rumonges Bruder sagen, daß wir 
seine Freunde werden und bei ihm bleiben wollten. 
Einige Tage später erfuhren wir, daß Musabiko 
ein großes Geschenk für uns vorbereite und sogar 
alle seine untergebenen Watwale (wohl Dorföltesten) 
aufgefordert habe, dazu beizutragen. Endlich, am 
31. Juli mittags, erhielten wir Meldung, daß von 
Musabikos Seite her eine Menschenmenge heran- 
ziehe. Eine halbe Stunde später war der Volks- 
haufe vor unserem Zelte. Ein Nyampara (etwa 
Minister) des Fürsten, ein strammer Neger mit 
energischem Auftreten, übergab uns als Zeichen der 
Freundschaft seines Herrn einen Prachtochsen und 
30 Ziegen. Am anderen Tage kehrte der Ge- 
sandte zurück und nahm unser Geschenk für Musa- 
biko mit. 
Am 10. August zogen wir wieder weiter, aber 
es ging langsam, denn die Leute von Urundi haben 
keine Uebung im Lastentragen, und es war sehr 
schwer, die nöthige Anzahl Träger zu finden. Die 
Häuptlinge halsen uns, indem sie ihren Unterthanen 
befahlen, unser Gepäck von einem Lagerplatze zum 
anderen zu schaffen. Ueberall auf dem Wege war 
die Bevölkerung freundlich gegen uns. So mar- 
schirten wir drei Tage westlich und ein wenig süd- 
westlich. Welch herrliches Land, das Urundi! Ueberall 
herrliche Berge, überall dichte Bevölkerung. 
Am 12. August kamen wir nach Kamunda, der 
Residenz Siwurungus, eines Bruders von Musa- 
biko, und von diesem Orte aus schreibe ich diese 
Zeilen. Siwurungu hat uns königlich aufge- 
nommen. Er ist ein sehr schöner Mann, noch ziem- 
lich jung und wohlgebaut, von nicht gewöhnlichem 
Aeußern. , 
Von hier aus gehen wir wahrscheinlich zu 
Musabiko; das sind noch drei Marschtage. Er re- 
sidirt — sagt man — am Ruwuru (Rogero) west- 
lich von hier. Sein Bruder glaubt, er werde uns 
hierher entgegenkommen. 
Die Missionare vom heiligen Herzen Jesu haben 
letzten Sommer von der deutschen Regierung Ein- 
laß auf deutschen Boden erlangt und zugleich die 
Genehmigung, zu Hiltrup bei Münster ein Missions- 
haus speziell für die deutschen Schutzgebiete der 
Südsee zu gründen. Ueber die Genossenschaft der 
Missionare vom hochheiligen Herzen Jesu berichtet 
„Kreuz und Schwert“: 
Die Genossenschaft der Missionare vom hoch- 
heiligen Herzen Jesu ist noch ganz frischen Datums. 
Ihr Stifter J. Chevalier lebt noch und befindet 
sich in Issoundun (Indre, Frankreich). Im Jahre
	        
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