Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

Der in unserem letzten Berichte erwähnte Ver- 
trag mit der Kaiserlichen Regierung,-") wonach uns 
die wirthschaftliche Entwickelung der Atolle der Ost- 
Karolinen übertragen wird, ist am 2. Juli v. Is. 
unterzeichnet worden, und wir sind sogleich an diese 
schwierige Aufgabe herangetreten. Die genauere 
Untersuchung dieser über Tausende von Meilen zer- 
streuten Inselchen hat ergeben, daß brachliegendes 
zum Anbau der Kokospalme geeignetes Land nur 
auf wenigen Gruppen in größerer Ausdehnung vor- 
handen ist. Durch rationellere Ausnutzung der 
bereits tragenden Palmen und spystematische An- 
pflanzung des Brachlandes wird sich zwar der 
Ertrag nach und nach heben lassen, und wir dürfen 
nach Verlauf einiger Jahre auf eine angemessene 
Verzinsung des investirten Kapitals hoffen; aber die 
Grenzen der Entwickelungsfähigkeit sind hier doch so 
eng gezogen, daß ein Feld für den freien Wettbewerb 
nicht vorhanden ist. 
Um so erfreulicher ist es, daß es gelang, wie 
früher die amerikanischen, so jetzt die englischen 
Faktoreien zu erwerben und dadurch die wirthschaft- 
liche Ausnutzung der Atolle der Marshall Gruppe 
und der Ost-Karolinen ausschließlich deutschen 
Händen dauernd zu sichern. Die zum Erwerb der 
englischen Faktoreien und zu der Ausdehnung unseres 
Betriebes erforderlichen Gelder beabsichtigten wir 
durch Erhöhung unseres Aktienkapitals zu beschaffen. 
Inzwischen ist jedoch die geplante Phosphat-Gesell- 
schaft ins Leben getreten. Hierdurch wird nicht 
nur eine günstige Ausbeutung der Läger gewähr- 
leistet, sondern es ist uns auch außer dauernder 
Betheiligung an den aus der Ausbeute resultirenden 
Gewinnen ein größeres Kapital zugeflossen. Wir 
sind danach in der Lage, unseren Geschäftsbetrieb 
auszudehnen, ohne eine Vermehrung des Aktien- 
kapitals vorzunehmen. Die finanzielle Einwirkung 
dieser Transaktionen auf die Vermögenslage unserer 
Gesellschaft wird erst in der pro ultimo 1902 auf- 
zumachenden Bilanz sichtbar werden. 
Der für 1901 erzielte Bruttogewinn ist 
335 207,61 Mk., wir verwenden zu Abschreibungen: 
auf Schisse 92 039,15; auf Stationsgebäude 
27 676,93 Mk.; auf Böte und Inventar 12693,03 Mk.; 
zusammen 132 409,11 Mk., und stellen auf Asse- 
kuranz-Reservekonto zurück 23.000 Mk. 
Den sichergebenden Reingewinn von 179798,50 Mk. 
schlagen wir vor, wie folgt, zu vertheilen: 5 pCt. 
an den Reservesonds 8 989,93 Mk.; 4 PéCt. Divi- 
dende 48 000 Mk.; Tantième an den Aussichtsrath 
und Vorstand 26 423,95 Mk.; 8 PpCt. Superdivi- 
dende 96 000 Mk. und den verbleibenden Saldo 
von 384,62 Mk. auf neue Rechnung vorzutragen. 
Unsere Gesammtreserve wird sich nunmehr auf 
349 000 Mk. belaufen. 
*) Vergl. Deutsches Kolonialblatt 1901, S. 391. 
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Aus dem PBereiche der Wissionen und 
der Ankiskhlaverei-Bewegung. 
Auf dem Jahresfeste des Kollegiums der evangelisch- 
lutherischen Mission zu Leipzig erstattete Missions- 
direktor von Schwartz den Jahresbericht, worin es 
nach dem „Evang. Luth. Missionsblatt“ heißt: 
Ein wichtiger Schritt vorwärts geschieht mit der 
Errichtung eines Seminars, das Missionar Raum 
am 8. April mit 9 Zöglingen in Moschi eröffnet 
hal. Der Kursus wird wohl zwei Jahre in An- 
spruch nehmen, denn wenn die Gehilfen zum Unter- 
richte in den Landschaften gute Dienste leisten sollen, 
so ist eine gründliche Ausbildung nöthig. Einige 
von ihnen haben schon bisher den Brüdern beim 
Unterricht geholfen, so daß ihre Einberufung ins 
Seminar eine Lücke hervorruft. Daß wir acht 
Jahre nach der Ankunft der ersten Brüder am 
Berge schon christliche Dschagga-Jünglinge haben, 
die nach Begabung und Charakter sich eignen zur 
Aufnahme in ein solches Seminar, ist doch mit 
dankbarer Freude zu begrüßen. Noch lebhafter fast 
ist die Bewegung unserer Herzen darüber, daß endlich 
die Zeit gekommen zu sein scheint, wo es möglich 
ist, am Meru wieder festen Fuß zu fassen. Die 
Brüder Krause und Fickert bauen bei der Boma 
des jetzigen Häuptlings in einer fruchtbaren, reich- 
bevölkerten Gegend, von der neuen Militärstation 
etwa drei Stunden entfernt. Auch dort haben sich 
wie in Schigatini gleich junge Burschen gefunden, 
die als Kostschüler auf der Station bleiben wollen. 
Man weiß eben, wie freundlich auf den älteren 
Stationen sich das Verhältniß zwischen der Be- 
völkerung und unseren Missionaren gestaltet. 
–. — — 
Im „Afrika-Boten“ schildert P. Hamberger eine 
am Rukwa-See (Deutsch-Ostafrika) vorgenommene 
Taushandlung: 
Das Klingen unseres Glöckchens hatte eine zahl- 
reiche Schar von Gläubigen herbeigezogen, welche in 
der Kirche einen guten Platz zu erhaschen suchten, 
um der heiligen Handlung gut folgen zu können. 
Ich stellte die Täuflinge in Ordnung auf, und bald 
konnten die Ceremonien beginnen. Ich lege den 
Täuflingen noch einmal die Bedeutung des Augen- 
blickes nahe und erwecke in ihnen Reue und Leid 
über die vergangenen Lebenstage, vielfach so reich an 
Schmutz und Unordnung aller Art. Wie ich diese 
ergriffenen Gesichter vor mir sehe, die sonst einen so 
unbesorgten, leichtlebigen Ausdruck zu zeigen pflegen, 
kann ich nicht umhin, das geheimnißvolle Gnaden- 
walten Gottes zu bewundern, der mit seinem Finger 
diese seltenen ernsten Linien daraufschrieb. Obwohl 
nicht übermäßig rührselig veranlagt, kostete es mich 
einige Mühe, die glückliche innere Erregung, die mir 
die Kehle zuschnüren wollte, zu überwinden und mit 
den Taufceremonien fortzufahren. Ueberglücklich voll- 
zog und vollendete ich den Taufakt und hatte in der 
Freude des Augenblickes kaum eine Ahnung, daß ob
	        
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