Full text: Deutsches Kolonialblatt. XIII. Jahrgang, 1902. (13)

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gegründet, dessen sieben Zöglinge mit Segen vorüber- 
gehend als Helfer verwendet werden können — das 
ist zweifellos eine gesunde, wachsthümliche Ent- 
wickelung einer jungen Mission, die eine gute Aus- 
sicht gewährt. 
Nicht als einen Fehler wollen wir es bezeichnen, 
daß die Schule, von der wir absichtlich bei den 
cinzelnen Stationen nicht redeten, noch ganz in den 
ersten Anfängen sieht. Mit Interesse und theilweise 
mit Freude hat Verfasser die kleinen Schulen visitirt 
und zum Tadel kaum Anlaß gefunden. Denn die 
Anfänge des Lese-, Schreib= und Rechenunterrichts 
waren mit geringen, von den Missionaren selbst 
gesertigten Lehrmitteln ganz korrekt gemacht. 
Auf der Synode in Kidugala wurde die Weiter- 
entwickelung der Schule eingehender Berathung unter- 
zogen. Der von Br. Källner entworfene, gründlich 
berathene Lehrplan wird die Unterlage für die Fort- 
bildung des Schulwesens bilden. Es handelte sich 
natürlich zunächst um das Ziel, welches den Stations= 
schulen gesteckt werden sollte. Im Komitec wird die 
Gründung von Mittelschulen in Aussicht genommen, 
welche die Gefördertsten in die Seminare — eins 
für den zweiten Superintendenturkreis (Ubena, 
Uhehe) ist geplant — abgeben sollen. 
Da die Regierung von unseren Schulen die 
Ausbildung von Lehrern und Unterbeamten bezw. 
Dolmetschern erwartet, ist derselben unsere Bereit- 
willigkeit, ihr in dieser Richtung zu dienen, aus- 
gesprochen worden.“ 
Auch über die Missionskreise hinaus wird das 
anschaulich geschriebene Werk beachtenswerth sein. 
  
Ueber die Art und Weise, wie die Heiden mit 
Waisenkindern in Ostafrika umgchen, berichtet „Der 
Sammler für Afrika"“: 
„Von den schwarzen Knaben, die als Missions- 
zöglinge auf der Missionsstation Bumbuli in Usam- 
bara wohnen und dort fleißig lernen und arbeiten, 
gingen eines Tages ein paar unten im Thal an 
einem Sumpf vorbei, da fanden sic im Gebüsch ver- 
steckt einen kleinen Jungen von 6 bis 7 Jahren. 
Er war völlig unbekleidet. Sein ängstliches Gesicht 
zeigte, daß er in großer Furcht war. Er wußte 
nicht, sollte er fliehen oder bleiben"? Die Knaben 
redeten ihm freundlich zu und nahmen den kleinen 
Burschen mit. Sie sagten ihm, sie wollten ihn zum 
Msungu, zum Europäer bringen. Da war seine 
erste Frage: „Schlägt der Msungu auch die kleinen 
Kinder?" Und als er auf der Station angekommen 
war, da war sein erstes Wort: „Mein Rind will 
ich aber doch, wenn er stirbt.“ Wic kommt ein 
Kind von sechs Jahren zu solcher Aeußerung? 
Mlekwa hieß der Knabe. Er war ein Waisen- 
kind. Ein Onlel nahm sich seiner an, aber nicht 
aus Barmherzigkeit. Das zeigte die Behandlung, 
die er dem Kleinen zu Theil werden ließ. Um ihn 
für irgend eine Kleinigkeit zu strasen, schnürte er 
ihm mit cinem Faden einen Finger ab. Infolgc- 
  
dessen waren zwei Glieder des Fingers völlig ab- 
gestorben. An der Stirn trug er zwei große, erst 
halb verheilte Brandmale, die ihm ebenfalls sein 
Onkel beigebracht hatte. Das linke Auge hatte der 
Knabe verloren. Da hinein hatte ihm der Unmensch 
Pfeffer gerieben, bis die Sehkraft geschwunden war. 
Aber das war noch nicht genug. Mlekwa hatte zwei 
Rinder zum Eigenthum. Nach denen stand das 
Begehren des Alten. Deshalb nahm er eines Tages 
den Jungen, trug ihn unten nach dem Sumpf, um 
ihn dort im Wasser zu ertränken. Mlekwa konnte 
sich glücklicherweise aus dem Wasser retten und irrte 
dann einen Tag und eine Nacht in den Bananen- 
gärten umher, bis unsere Knaben ihn aufgriffen. 
Die Erregung war groß auf der Station. Der 
Onkel, ein alter Mann, der schon graue Haare hat, 
wurde geholt. Er wollte natürlich von Allem nichts 
wissen. Das Auge habe der Junge bei einem Falle 
verloren, sagte er, und die Brandwunden rührten 
von einer ärztlichen Behandlung her, bei der das 
Brennen allerdings eine große Rolle spielt. Aber 
den abgeschnürten Finger konnte er doch nicht leugnen. 
Gott sei Dank, daß jetzt eine kräftige Hand im 
Lande ist, die solcher heidnischen Grausamkeit steuert. 
Der Mann wurde dem Bezirksamt in Wilhelmsthal 
übergeben, wo er sein Urtheil empfangen wird. 
Vorher aber erschienen noch einmal die Verwandten 
des Mannes und die Aeltesten von Bumbuli. Der 
Missionar forderte die Herausgabe der zwei Rinder 
für den Knaben. Dann sollte er aber auf die An- 
zeige beim Bezirksamt verzichten, baten sie. Ja, als 
Missionar Roehl nicht nachgab, boten sie ihm so 
viel Rinder an, wie er haben wollte, wenn er die 
Sache unterdrücke. Sie entschuldigten die That, 
indem sie sagten, so pflegten die Schambala von 
jeher sich der Waisenkinder zu entledigen. Es ist also 
gewissermaßen Volkssitte. Gegen sie müssen Obrig- 
keit und Mission gemeinsam kämpfen. 
Mlekwa wurde auf der Missionsstation sofort 
neu eingekleidet und fühlt sich vorläufig ganz wohl 
dort, da er nnn wieder einen tate (Vater) hat. Möchte 
er doch auch die Liebe des himmlischen Vaters zu 
sühlen bekommen, nachdem seine Seele verbittert ist 
durch den Haß gegen den, der so grausam an ihm 
gehandelt. 
Ueber den Stand der Mission in Kamerun lesen 
wir im 87. Jahresbericht der evangel. Missions- 
gesellschaft zu Basel (veröffentlicht in: „Der evan- 
gelische Heidenbote"): 
Es war ein Jahr ruhiger Entwicklung, das sich 
bei 476 Heidentaufen durch einc verhältnißmäßig 
starke Zunahme der Gemeindeglieder um 440 Seelen 
auszcichnet. Die starke Zunahme kommt auf die 
drei Stationen Bonaku, Bonaberi und Lobethal, 
deren jede einen Zuwachs von über 100 Seeclen 
hat, bei einer entsprechenden zahl von Taufen. Die 
anderen Stationen haben vicl weniger Heidentaufen. 
Mangamba und CEdca weisen sogar einen lleinen
	        
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