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gegründet, dessen sieben Zöglinge mit Segen vorüber-
gehend als Helfer verwendet werden können — das
ist zweifellos eine gesunde, wachsthümliche Ent-
wickelung einer jungen Mission, die eine gute Aus-
sicht gewährt.
Nicht als einen Fehler wollen wir es bezeichnen,
daß die Schule, von der wir absichtlich bei den
cinzelnen Stationen nicht redeten, noch ganz in den
ersten Anfängen sieht. Mit Interesse und theilweise
mit Freude hat Verfasser die kleinen Schulen visitirt
und zum Tadel kaum Anlaß gefunden. Denn die
Anfänge des Lese-, Schreib= und Rechenunterrichts
waren mit geringen, von den Missionaren selbst
gesertigten Lehrmitteln ganz korrekt gemacht.
Auf der Synode in Kidugala wurde die Weiter-
entwickelung der Schule eingehender Berathung unter-
zogen. Der von Br. Källner entworfene, gründlich
berathene Lehrplan wird die Unterlage für die Fort-
bildung des Schulwesens bilden. Es handelte sich
natürlich zunächst um das Ziel, welches den Stations=
schulen gesteckt werden sollte. Im Komitec wird die
Gründung von Mittelschulen in Aussicht genommen,
welche die Gefördertsten in die Seminare — eins
für den zweiten Superintendenturkreis (Ubena,
Uhehe) ist geplant — abgeben sollen.
Da die Regierung von unseren Schulen die
Ausbildung von Lehrern und Unterbeamten bezw.
Dolmetschern erwartet, ist derselben unsere Bereit-
willigkeit, ihr in dieser Richtung zu dienen, aus-
gesprochen worden.“
Auch über die Missionskreise hinaus wird das
anschaulich geschriebene Werk beachtenswerth sein.
Ueber die Art und Weise, wie die Heiden mit
Waisenkindern in Ostafrika umgchen, berichtet „Der
Sammler für Afrika"“:
„Von den schwarzen Knaben, die als Missions-
zöglinge auf der Missionsstation Bumbuli in Usam-
bara wohnen und dort fleißig lernen und arbeiten,
gingen eines Tages ein paar unten im Thal an
einem Sumpf vorbei, da fanden sic im Gebüsch ver-
steckt einen kleinen Jungen von 6 bis 7 Jahren.
Er war völlig unbekleidet. Sein ängstliches Gesicht
zeigte, daß er in großer Furcht war. Er wußte
nicht, sollte er fliehen oder bleiben"? Die Knaben
redeten ihm freundlich zu und nahmen den kleinen
Burschen mit. Sie sagten ihm, sie wollten ihn zum
Msungu, zum Europäer bringen. Da war seine
erste Frage: „Schlägt der Msungu auch die kleinen
Kinder?" Und als er auf der Station angekommen
war, da war sein erstes Wort: „Mein Rind will
ich aber doch, wenn er stirbt.“ Wic kommt ein
Kind von sechs Jahren zu solcher Aeußerung?
Mlekwa hieß der Knabe. Er war ein Waisen-
kind. Ein Onlel nahm sich seiner an, aber nicht
aus Barmherzigkeit. Das zeigte die Behandlung,
die er dem Kleinen zu Theil werden ließ. Um ihn
für irgend eine Kleinigkeit zu strasen, schnürte er
ihm mit cinem Faden einen Finger ab. Infolgc-
dessen waren zwei Glieder des Fingers völlig ab-
gestorben. An der Stirn trug er zwei große, erst
halb verheilte Brandmale, die ihm ebenfalls sein
Onkel beigebracht hatte. Das linke Auge hatte der
Knabe verloren. Da hinein hatte ihm der Unmensch
Pfeffer gerieben, bis die Sehkraft geschwunden war.
Aber das war noch nicht genug. Mlekwa hatte zwei
Rinder zum Eigenthum. Nach denen stand das
Begehren des Alten. Deshalb nahm er eines Tages
den Jungen, trug ihn unten nach dem Sumpf, um
ihn dort im Wasser zu ertränken. Mlekwa konnte
sich glücklicherweise aus dem Wasser retten und irrte
dann einen Tag und eine Nacht in den Bananen-
gärten umher, bis unsere Knaben ihn aufgriffen.
Die Erregung war groß auf der Station. Der
Onkel, ein alter Mann, der schon graue Haare hat,
wurde geholt. Er wollte natürlich von Allem nichts
wissen. Das Auge habe der Junge bei einem Falle
verloren, sagte er, und die Brandwunden rührten
von einer ärztlichen Behandlung her, bei der das
Brennen allerdings eine große Rolle spielt. Aber
den abgeschnürten Finger konnte er doch nicht leugnen.
Gott sei Dank, daß jetzt eine kräftige Hand im
Lande ist, die solcher heidnischen Grausamkeit steuert.
Der Mann wurde dem Bezirksamt in Wilhelmsthal
übergeben, wo er sein Urtheil empfangen wird.
Vorher aber erschienen noch einmal die Verwandten
des Mannes und die Aeltesten von Bumbuli. Der
Missionar forderte die Herausgabe der zwei Rinder
für den Knaben. Dann sollte er aber auf die An-
zeige beim Bezirksamt verzichten, baten sie. Ja, als
Missionar Roehl nicht nachgab, boten sie ihm so
viel Rinder an, wie er haben wollte, wenn er die
Sache unterdrücke. Sie entschuldigten die That,
indem sie sagten, so pflegten die Schambala von
jeher sich der Waisenkinder zu entledigen. Es ist also
gewissermaßen Volkssitte. Gegen sie müssen Obrig-
keit und Mission gemeinsam kämpfen.
Mlekwa wurde auf der Missionsstation sofort
neu eingekleidet und fühlt sich vorläufig ganz wohl
dort, da er nnn wieder einen tate (Vater) hat. Möchte
er doch auch die Liebe des himmlischen Vaters zu
sühlen bekommen, nachdem seine Seele verbittert ist
durch den Haß gegen den, der so grausam an ihm
gehandelt.
Ueber den Stand der Mission in Kamerun lesen
wir im 87. Jahresbericht der evangel. Missions-
gesellschaft zu Basel (veröffentlicht in: „Der evan-
gelische Heidenbote"):
Es war ein Jahr ruhiger Entwicklung, das sich
bei 476 Heidentaufen durch einc verhältnißmäßig
starke Zunahme der Gemeindeglieder um 440 Seelen
auszcichnet. Die starke Zunahme kommt auf die
drei Stationen Bonaku, Bonaberi und Lobethal,
deren jede einen Zuwachs von über 100 Seeclen
hat, bei einer entsprechenden zahl von Taufen. Die
anderen Stationen haben vicl weniger Heidentaufen.
Mangamba und CEdca weisen sogar einen lleinen