Full text: Deutsches Kolonialblatt. XV. Jahrgang, 1904. (15)

Den Bololet ließen wir zur Linken; von Norden 
kommend, läuft er am Ostrand eines bedeutenden, 
mit großem Steingeröll und niedrigem Gestrüpp 
bedeckten Höhenrückens entlang, der in selnem südlichen 
Teil von den Wanderobbo der Dönjo Langusa in 
seinem nördlichen Nekarianduo genannt wird. In 
langgezogenen flachen Wellen breitet sich der Rand 
nach Osten hin aus, einzelne Strecken völlig frei, 
nur mit kurzem Grase, andere mit niedrigem Busch 
oder mit Schirmakazien, Euphorbien, Borassuspalmen 
und anderen Bäumen bedeckt. 
Zahlreicher zeigte sich heute wieder Wild. Harte- 
beeste, Elenn-, Swalla= und Leierantilopen, Thomson= 
und Grantgazellen, Zebras und Giraffen belebten 
das Landschaftsbild. Nach vierstündigem Marsch 
erreichten wir den Ausläufer einer großartigen, aus 
gewaltigen Granitblöcken gebildeten Mauer von viel- 
leicht 40 bis 50 m Höhe, die in Richtung Nord zu 
Süd das Land durchschneldet. Ganz unvermittelt 
steigt dieser gewaltige Granitwall aus der Steppe 
empor. Zwischen den einzelnen großen Granitblöcken 
wucherten Schlingpflanzen und Dorngestrüpp, auch 
vereinzelte Euphorbien hatten Wurzel geschlagen. 
Eine einzige tief eingeschnittene Lücke, bedeckt mit 
niedrigen Bäumen und mit auf grüner Grasnarbe 
verstreut umherliegenden großen Steinen führt eng- 
paßartig hindurch. " 
An diesem natürlichen Felsentor sprudelt eine zu 
jeder Jahreszeit reichliches und gutes Wasser liefernde 
Quelle unter den Granitblöcken hervor. Das Wasser 
sammelt sich in einer etwa 10 m langen und etwa 
5 m breiten Vertiefung, die ringsum mit frischem, 
grünem Gras bedeckt ist, gleichsam eine Oase in dem 
Steingeröll. Die Wanderobbo nennen diese Wasser- 
stelle Orgoß. Da die nächste Wasserstelle zehn 
Stunden weiter nach Osten liegen sollte, lagerten 
wir hier trotz des erst vierstündigen Marsches. Un- 
sere Führer erzählten mir, daß diese Wasserstelle 
von den Massais auf ihren Raubzügen mit Vorliebe 
aufgesucht würde, da sie, wie schon erwähnt, mit 
Sicherheit zu jeder Jahreszeit hier Wasser fönden. 
Auch hier wurde wieder eine feste Dornboma ange- 
legt. Diesmal auch zum Schutz gegen Löwen und 
andere Raubtiere, denen die zwischen den Felsen 
liegenden Löcher und Höhlen nur zu gute Schlupf- 
winkel bieten. Günstigere Existenzbedingungen kann 
# in der Tat für die großen Raubtiere kaum geben. 
Herdenweise zieht das Wild hier zur Tränke, und 
aus allernächster Nähe und sicherem Versteck können 
die großen Katzen ihre Beute beschleichen und an- 
springen. Daß wir mit unseren Vermutungen recht 
hatten, sollten die nächsten Stunden beweisen. Am 
Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang sah Ober- 
leutnant B. in unmittelbarer Nähe des Lagers zwei 
starke Löwinnen hoch oben auf den Felsen. Leider 
gelang es ihm nur, eine von ihnen krank zu schießen. 
Eine Nachsuche war, da die Dunkelheit inzwischen 
eingetreten war, ausgeschlossen, und auch am nächsten 
Tage nicht möglich, da wir mit Rücksicht auf den 
  
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zehnstündigen Marsch schon um 2 Uhr morgens auf- 
brechen wollten. Ich ließ auch hier meine Falle 
aufstellen, leider vergeblich. Am nächsten Morgen 
war die Falle verschleppt, so daß sie erst nach län- 
gerem Suchen gefunden wurde. Schließlich fanden 
wir sie zugeschlagen und zwischen den eisernen Bügeln 
eine Menge gelber Haare eingeklemmt, die entweder 
von einer Hyäne oder einem Löwen stammten. Wieder 
war die Nacht ohne Störung verlaufen. Als wir 
um 2½ Uhr früh bei empfindlicher Kühle aufbrachen, 
strahlte die Mondsichel noch eben so viel Licht aus, 
daß man leidlich schnell über das weg= und steglose 
Land ziehen konnte. Die Marschrichtung war ziemlich 
genau O. Lautlos und dicht aufgeschlossen marschierte 
die lange Reihe der Karawane, nur bisweilen wurde 
die nächtliche Stille durch einen von Mund zu Mund 
sich fortpflanzenden Ruf unterbrochen, wenn ein tief 
eingeschnittener Erdspalt die Marschrichtung kreuzte, 
oder wenn der Ruf eines Nachtvogels ertönte. Bis- 
weilen sprang auch wohl ein im Schlaf überraschtes 
Tier dicht bei der Karawane auf, um dann mit 
wenigen flüchtigen Sporüngen in dem dämmernden 
Licht zu verschwinden. Nach Aussage der Führer 
sollten wir bald nach Verlassen des Lagers eine große, 
vollkommen freie, nur mit niedrigem Gras bedeckte 
Steppe erreichen. Doch Stunde um Stunde verrann, 
und immer noch zogen wir durch lichten, niedrigen 
Dornbusch. Vereinzelt hoben sich große Granit- 
gruppen gegen den nächtlichen Himmel ab. Auch an 
einzelnen höheren Bäumen fehlte es nicht, von denen 
vielfach bei unserer Annäherung Perlhühner mit 
lautem Flügelschlag aufstiegen. 
Um 5 Uhr begannen die Mondsichel und die 
Sterne zu verblassen. In der Marschrichtung brach 
langsam das Frührot durch, und ein grauer Dunst- 
krels blieb über dem Horizont liegen. Als um 6 Uhr 
gelblichrot der Sonnenball aus dieser Dunstzone 
aufstieg, rasteten wir am Rande der uns von den 
Führern angekündigten, nur mit niedrigem und 
trockenem Gras bedeckten Steppe. Nach Osten hin 
wurde sie durch einen hohen und in dem Morgen- 
nebel nur undeutlich sichtbaren Berg, den Leminingol, 
abgeschlossen, an dessen Fuß wir lagern sollten. Die 
Temperatur war empfindlich kalt, so daß unsere 
Führer und einzelne Gruppen von Trägern trotz 
der nur 20 Minuten währenden Rast schnell ein 
Feuer machten. 
Etwa 500 m nördlich von uns stieg ziemlich 
unvermittelt etwa 150 bis 200 m hoch aus der 
Steppe ein breiter Bergrücken auf, der sich nach N 
und No hinzog. Die Wanderobbo nannten diesen 
Höhenzug Leginga und die vor uns liegende Gras- 
steppe Nguatager. Zur Regenzeit soll die ganze 
Steppe unter Wasser stehen, jetzt war es ein ödes, 
ausgetrocknetes und zerrissenes Erdreich, das mit 
spärlichem Graswuchs bedeckt war. Das Marschieren 
darauf war auch nicht sehr angenehm, da der dürre 
Erdboden für den Fuß keinerlei Halt bot; bei jedem 
Schritt glitt der Fuß auf der losen Oberfläche aus.
	        
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