Den Bololet ließen wir zur Linken; von Norden
kommend, läuft er am Ostrand eines bedeutenden,
mit großem Steingeröll und niedrigem Gestrüpp
bedeckten Höhenrückens entlang, der in selnem südlichen
Teil von den Wanderobbo der Dönjo Langusa in
seinem nördlichen Nekarianduo genannt wird. In
langgezogenen flachen Wellen breitet sich der Rand
nach Osten hin aus, einzelne Strecken völlig frei,
nur mit kurzem Grase, andere mit niedrigem Busch
oder mit Schirmakazien, Euphorbien, Borassuspalmen
und anderen Bäumen bedeckt.
Zahlreicher zeigte sich heute wieder Wild. Harte-
beeste, Elenn-, Swalla= und Leierantilopen, Thomson=
und Grantgazellen, Zebras und Giraffen belebten
das Landschaftsbild. Nach vierstündigem Marsch
erreichten wir den Ausläufer einer großartigen, aus
gewaltigen Granitblöcken gebildeten Mauer von viel-
leicht 40 bis 50 m Höhe, die in Richtung Nord zu
Süd das Land durchschneldet. Ganz unvermittelt
steigt dieser gewaltige Granitwall aus der Steppe
empor. Zwischen den einzelnen großen Granitblöcken
wucherten Schlingpflanzen und Dorngestrüpp, auch
vereinzelte Euphorbien hatten Wurzel geschlagen.
Eine einzige tief eingeschnittene Lücke, bedeckt mit
niedrigen Bäumen und mit auf grüner Grasnarbe
verstreut umherliegenden großen Steinen führt eng-
paßartig hindurch. "
An diesem natürlichen Felsentor sprudelt eine zu
jeder Jahreszeit reichliches und gutes Wasser liefernde
Quelle unter den Granitblöcken hervor. Das Wasser
sammelt sich in einer etwa 10 m langen und etwa
5 m breiten Vertiefung, die ringsum mit frischem,
grünem Gras bedeckt ist, gleichsam eine Oase in dem
Steingeröll. Die Wanderobbo nennen diese Wasser-
stelle Orgoß. Da die nächste Wasserstelle zehn
Stunden weiter nach Osten liegen sollte, lagerten
wir hier trotz des erst vierstündigen Marsches. Un-
sere Führer erzählten mir, daß diese Wasserstelle
von den Massais auf ihren Raubzügen mit Vorliebe
aufgesucht würde, da sie, wie schon erwähnt, mit
Sicherheit zu jeder Jahreszeit hier Wasser fönden.
Auch hier wurde wieder eine feste Dornboma ange-
legt. Diesmal auch zum Schutz gegen Löwen und
andere Raubtiere, denen die zwischen den Felsen
liegenden Löcher und Höhlen nur zu gute Schlupf-
winkel bieten. Günstigere Existenzbedingungen kann
# in der Tat für die großen Raubtiere kaum geben.
Herdenweise zieht das Wild hier zur Tränke, und
aus allernächster Nähe und sicherem Versteck können
die großen Katzen ihre Beute beschleichen und an-
springen. Daß wir mit unseren Vermutungen recht
hatten, sollten die nächsten Stunden beweisen. Am
Nachmittag kurz vor Sonnenuntergang sah Ober-
leutnant B. in unmittelbarer Nähe des Lagers zwei
starke Löwinnen hoch oben auf den Felsen. Leider
gelang es ihm nur, eine von ihnen krank zu schießen.
Eine Nachsuche war, da die Dunkelheit inzwischen
eingetreten war, ausgeschlossen, und auch am nächsten
Tage nicht möglich, da wir mit Rücksicht auf den
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zehnstündigen Marsch schon um 2 Uhr morgens auf-
brechen wollten. Ich ließ auch hier meine Falle
aufstellen, leider vergeblich. Am nächsten Morgen
war die Falle verschleppt, so daß sie erst nach län-
gerem Suchen gefunden wurde. Schließlich fanden
wir sie zugeschlagen und zwischen den eisernen Bügeln
eine Menge gelber Haare eingeklemmt, die entweder
von einer Hyäne oder einem Löwen stammten. Wieder
war die Nacht ohne Störung verlaufen. Als wir
um 2½ Uhr früh bei empfindlicher Kühle aufbrachen,
strahlte die Mondsichel noch eben so viel Licht aus,
daß man leidlich schnell über das weg= und steglose
Land ziehen konnte. Die Marschrichtung war ziemlich
genau O. Lautlos und dicht aufgeschlossen marschierte
die lange Reihe der Karawane, nur bisweilen wurde
die nächtliche Stille durch einen von Mund zu Mund
sich fortpflanzenden Ruf unterbrochen, wenn ein tief
eingeschnittener Erdspalt die Marschrichtung kreuzte,
oder wenn der Ruf eines Nachtvogels ertönte. Bis-
weilen sprang auch wohl ein im Schlaf überraschtes
Tier dicht bei der Karawane auf, um dann mit
wenigen flüchtigen Sporüngen in dem dämmernden
Licht zu verschwinden. Nach Aussage der Führer
sollten wir bald nach Verlassen des Lagers eine große,
vollkommen freie, nur mit niedrigem Gras bedeckte
Steppe erreichen. Doch Stunde um Stunde verrann,
und immer noch zogen wir durch lichten, niedrigen
Dornbusch. Vereinzelt hoben sich große Granit-
gruppen gegen den nächtlichen Himmel ab. Auch an
einzelnen höheren Bäumen fehlte es nicht, von denen
vielfach bei unserer Annäherung Perlhühner mit
lautem Flügelschlag aufstiegen.
Um 5 Uhr begannen die Mondsichel und die
Sterne zu verblassen. In der Marschrichtung brach
langsam das Frührot durch, und ein grauer Dunst-
krels blieb über dem Horizont liegen. Als um 6 Uhr
gelblichrot der Sonnenball aus dieser Dunstzone
aufstieg, rasteten wir am Rande der uns von den
Führern angekündigten, nur mit niedrigem und
trockenem Gras bedeckten Steppe. Nach Osten hin
wurde sie durch einen hohen und in dem Morgen-
nebel nur undeutlich sichtbaren Berg, den Leminingol,
abgeschlossen, an dessen Fuß wir lagern sollten. Die
Temperatur war empfindlich kalt, so daß unsere
Führer und einzelne Gruppen von Trägern trotz
der nur 20 Minuten währenden Rast schnell ein
Feuer machten.
Etwa 500 m nördlich von uns stieg ziemlich
unvermittelt etwa 150 bis 200 m hoch aus der
Steppe ein breiter Bergrücken auf, der sich nach N
und No hinzog. Die Wanderobbo nannten diesen
Höhenzug Leginga und die vor uns liegende Gras-
steppe Nguatager. Zur Regenzeit soll die ganze
Steppe unter Wasser stehen, jetzt war es ein ödes,
ausgetrocknetes und zerrissenes Erdreich, das mit
spärlichem Graswuchs bedeckt war. Das Marschieren
darauf war auch nicht sehr angenehm, da der dürre
Erdboden für den Fuß keinerlei Halt bot; bei jedem
Schritt glitt der Fuß auf der losen Oberfläche aus.