Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVI. Jahrgang, 1905. (16)

nicht zu beurtellen; das muß vielmehr den Erwä- 
gungen der diesbezüglichen Verwaltungsorgane über- 
lassen bleiben. « 
Die Schwierigkeit der Fortbewegung größerer 
hfen auf Negerpfaden machte sich denn auch 
e 
am zweiten Tage nach dem Abmarsche von 
Ussuwi unliebsam fühlbar. Allnächtlich entliesen 
Träüger und täglich mußte ich Patroulllen aus- 
senden, um Flüchtlinge einzufangen. Andere wie- 
der wollten zwar nicht entwelchen, drückten sich 
aber allmorgendlich zunächst in die Büsche, 
um als Reserveträger leer neben der Karawane 
herzulaufen. 
Trotzdem ist es mir allmählich gelungen, die 
Karawane nach dem Wecken so schnell auf die Beine 
zu bringen, daß die ersten Träger etwa dretviertel 
Stunden später abmarschieren konnten. Reveille 
wurde um 5 Uhr gemacht, um 5¾ Uhr setzten sich 
dle ersten Leute mit ihren Lasten in Bewegung; die 
letzten folgten dann in etwa 1¼ bis 1½ Stunden; 
denn selbst bei Vermeidung größerer Lücken zog sich 
ie Karawane auf den Negerpfaden auf eine 
Strecke von etwa 4 km hin. Die Askaris und die 
Hilfsrrieger waren auf die einzelnen Abteilungen des 
Zuges vertellt. Marschtert wurde dann ohne Unter- 
Vrechung bis gegen 81½ Uhr; dann eine etwa 
astündige Pause gemacht und dann ohne weitere 
Station bis in das neue Lager marschiert. Ich 
richtete es, wenn irgend möglich, so ein, daß die 
Spitze des Zuges zwischen 11 und 12 Uhr dort 
eintraf. Die Quene kam dann so etwa um 1½ Uhr 
im Lager an, und die schwereren Lasten folgten bis 
gegen 4 Uhr. Die Nachmittagszelt mußte ich zur 
Verfügung haben, um die für die Expedition erforder- 
liche Nahrung herbeizuschaffen und zur Verteilung 
gelangen zu lassen. 
Die Verpflegung der 1200 Leute hat mir im 
allgemeinen weniger Schwierigkeiten bereitet, als ich 
anfangs anzunehmen geneigt war. Mehrfach waren 
Gerüchte über Hungersnot in Urundi infolge Hagel- 
schlages zu mir gedrungen und sowohl brieflich wie 
mündlich hat mir der Stationschef von Usumbura 
dieselben bestätigt. Ich habe aber auf meinem 
ganzen Marsche irgendwelche Anzeichen einer 
Hungersnot nicht entdecken können; es ist mir auch 
nicht ein einziges schwarzes Wesen begegnet, das 
verhungert aussah. Ich erkläre mir das daher, 
daß die Hungersnot bereits fast fünf Monate 
vor meiner Reise durch Urundi eingetreten war. 
An Wasser hat es nie gefehlt und ich glaube 
aucg, daß selbst in der Trockenzeit hier ein 
ochtiger Wassermangel, der den Durchzug von 
— gewöhnlichen Umfanges in Frage stellen 
bünnte, nicht eintreten wird. Die Träger wurden, 
hrer Gewöhnung gemöß, hauptsächlich mit Bananen 
verpflegt; ich bin auf der ganzen Tour überaus 
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großen und vielen Bananenpflanzungen begegnet; 
allerdings in Ussumt und den Bukoba-Bezirken mehr 
als in Urundi; dagegen schelnt in der letztgenannten 
Landschaft größerer Wert auf den Anbau von Bohnen 
und Erbsen gelegt zu werden. Von den Bananen- 
trauben reichte eine sehr große für den täglichen 
Bedarf von zwei Waheiaträgern. Bel mlttlerer 
Größe erhielten je drei Mann zwel Trauben und 
bei kleiner Größe jeder Mann eine Traube. An 
Zuspeise habe ich meist Rindvieh, sonst Ziegen 
und Schafe, erstanden. Für die Askaris, die 
indischen Handwerker, Boys usw. sowie für unvor- 
hergesehene Fälle führte ich einen Reservevorrat von 
80 Reislasten mit mir. Sie haben mir auch in den 
letzten vier Tagen der Reise recht wertvolle Dienste 
gelelstet. Außerdem habe ich bel sehr reichlicher 
Nahrungszufuhr immer Gelegenheit genommen, die 
Bohnen und Erbsen in kleinen, etwa 15 bis 20 Pfund 
haltenden Beuteln zu sammeln und von den Reserve- 
trägern mit transportieren zu lassen. Hiermit habe 
ich in den letzten Tagen die Leute des Sultans 
Kassussura, die die Reisnahrung nicht nehmen wollten, 
verpflegt. 
Bis Ussuwi, ja bis an die erste Kagera (7. April) 
wurde die Verpflegung durch die Fürsorge der Sul- 
tane stets prompt geliefert. Nach überschreitung des 
Ruwuwu aber fand ich in der Beschaffung der 
Lebensmittel Schwierigkeiten. Die Bevölkerung ließ 
sich entweder gar nicht sehen oder floh, sobald sie der 
Karawane ansichtig wurde. Die Eingeborenen waren 
ganz außerordentlich schen und furchtsam oder miß- 
trauisch. Es war mir, trotzdem ich sie durch des 
Kirundi kundige Leute rufen ließ, lange Zeit nicht 
möglich, mit ihnen in einen friedlichen Verkehr zu 
gelangen. Sobald das Lager bestimmt war, ließ ich 
nach allen Richtungen ausrufen, daß ich Lebensmittel 
haben und dieselben reichlich bezahlen wolle, daß 
nlemandem etwas geschehen würde und daß ich Führer 
wünsche. Diese Kundgebungen verliefen stets ohne 
Erfolg. Ich war daher gezwungen, mir Lebens- 
mittel auf dem Wege der Requisition zu verschaffen. 
Zu diesem Zwecke wurden Abteilungen von je 20 
bis 30 Mann, von zwei Askaris oder einem Askari 
und einem Ruga-Ruga geführt, in die naheliegenden 
Dörfer und Schamben entsendet. Die überaus zahl- 
reichen und sehr ausgedehnten Anpflanzungen, die 
alle Berge, Hügel, Täler und Schluchten bedecken, 
machten mir dies nicht schwer und ermöglichten mir 
auch, daß ich die Abteilungen wenigstens tellweise 
im Auge behalten konnte, um so eher, als ich meist 
auf erhöhten Punkten Lager machte. Diese Requt- 
sitionen habe ich nicht gern vorgenommen; denn fie 
konnten die Leute leicht noch mißtrauischer und 
weniger genelgt zum Verkehr stimmen, außerdem 
konnte ich nie wissen, ob die abgesandten Abteilungen 
nicht plünderten und raubten. Um den Eingeborenen 
zu zeigen, daß ihnen nichts geraubt werden solle,
	        
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