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" II. Weltlage und Kolonialpolitik.
anderg des Geheimen Rats und ordentlichen Professors
er Berliner Universität, Herrn Dr. Dietrich Schäfer,
hehalten in der Versammlung am 8. Jannar 1907.
auf Die mir zugefallene Aufgabe, Sie hinzuweisen
uf die Weltlage, in der sich die koloniale
wülvegung der Gegenwart widerspiegelt,
um ich tunlichst kurz zu lösen versuchen. Bei
Aserer Kolonialpolitik handelt es sich nicht um
stollen oder Nichtwollen des einzelnen. Wir
alsen. mitten in einer gewaltigen Bewegung, die
müs, Nationen ergriffen hat, die wir mitmachen
sien, wollen wir von ihr nicht überflutet
werden. Sie wissen alle, daß die Welt zur Zeit
Neben ist. Dieser Zustand der vollständigen
Certeilung der Erde ist noch sehr jung; erst im
etten Menschenalter hat er sich herausgebildet.
seenken Sie zurück an die Zeit, wo die deutsch-
ranzösischen Schlachten geschlagen wurden, aus
enen unser Reich erstand; damals gab es in
Mrika nur im äußersten Süden und Norden, um
* Kap und in Algerien, einen großen Kolonial=
Hab. Was sonst Europäern gehörte, waren
andelsfaktoreien ohne Anspruch auf weite Land-
noacken, Heute finden Sie in ganz Afrika nur
Liool Abessinien und die sogenannte Neger-Republik
all eria, die von sich selbst aus regiert werden;
Eis andere ist in den Händen der Europäer.
#r u Gebiet, dreimal so groß wie Europa, ist im
aaufe eines Menschenalters, richtiger in den letzten
Vichn Iahren, vollständig verteilt worden. Und
iten Sie Ihre Blicke nach Asien, so finden
Der, daß ziemlich um die gleiche Zeit, als in
wanischland die ersten Schritte unternommen
un en zur Begründung des Reiches, zum Teil
nisommenfallend mit den entscheidenden Ereig-
ebn von 1866, die Russen sich jener großen
uriete bemächtigten, die wir unter den Namen
de estan und Transkaspien zusammenfassen und
ich is dahin selten den Blick der Europäer auf
oyr gelenkt hatten. Sie haben ihre Grenzen
Mngcrückt über Wüsten, Seen, Gebirge und weite
leichuflöchen, und die Engländer sind ihnen in
von her Weise, mit den Waffen in der Hand,
Indien her entgegengekommen. Jetzt, nach
iet vahren, stoßen russisches und englisches Ge-
aimmittelbar aneinander. Zwischenländer gibt
gelane . mehr. Ein Gebiet ist zur Aufteilung
½## „das halb so groß ist wie Europa. Sie
Seiten auch, daß das chinesische Reich von allen
speist b her gleichsam bei lebendigem Leibe ver-
seier zde, bis Japan Einhalt getan hat. Trotz
in No Wederlages behauptet Rußland noch jetzt
balben china weiten Besitz, den es im letzten
is fast Jahrhundert erworben hat. Hinterindien
g 9 ganz in der Hand der Europäer, während
or 30, 40 Jahren noch seine einheimischen
Herrscher hatte. In Anstralien sind Neu-Guinea
und die benachbarten Inseln Besitz europäischer
Mächte geworden. Es ist nirgends mehr etwas
zu vergeben, und das im unmittelbaren Anschluß
an eine Zeit, wo in England, der größten enro-
päischen Kolonialmacht, die Abneigung nicht nur
gegen Erwerb, sondern auch gegen Besitz von
Kolonien weiten Boden gewonnen hatte, ja
herrschend geworden war. Es war geschehen im
Anschluß an die Freihandelsidee. Sice hat ihre
größten Siege in England erfochten in der Mitte
des vorigen Jahrhunderts. Es hieß, im Grunde
seien die Kolonien nur eine Last; Handel treiben
könne man mit ihnen auch wenn man sie nicht
besitze; man spare dann Geld, brauche keine
Mittel für Kriegszwecke usw. Ich brauche nur
an die Namen Stnart Mill und John Bright
zu erinnern, die Richtung zu kennzeichnen. Robert
Peel hat sich um 1850 zu ihr hinübergeneigt.
Als Disraeli-Beaconsfield zum erstenmal Mit-
glied eines Kabinetts war (1852), hat er den
Ausspruch getan: Die Kolouien sind Mühlsteine
an unserem Hals. Seeley, der Vertreter eng-
lischer Expansion, suchte den Besitz Indiens zu
rechtfertigen mit der Erwägung, daß die Kultur
des Landes englischen Schutz brauche. Bis in
den Anfang der 80er Jahre hinein hat diese
Strömung gedauert. Noch 1880 konnte Allen
fragen: Why keep India? Und an diese Periode
schließt sich unmittelbar die Zeit, die letzten 25
bis 30 Jahre, in der England fast die Hälfte
seines gegenwärtigen Kolonialbesitzes sich ange-
eignet hat. Der Grund liegt allein darin, daß
auch andere VBölker ihre Hände ausstreckten nach
Kolonialland. Es sind in einigen Tagen fünf
Jahre, daß Waldeck-Roussean, der damalige
französische Minister-Präsident, vor den In-
dustriellen von St. Etienne, als er ihnen die
Leistungen und Errungenschaften der Republik
auseinandersetzte, unter lebhaftem Beifall erklären
konnte, daß Frankreich seit dem Sturze des
Kaisertums seinen Kolonialbesitz von 800 000 auf
10 Millionen Quadratkilometer vermehrt habe,
vom 1½ fachen Frankreichs auf das 18 bis
19fache. Für die Franzosen ist die Niederlage
von 1870/71 ein Sporn gewesen, ein Kolonial-
reich zu errichten, wie sie es nie besaßen, ohne
daß sie darum das verlorene Grenzland aufsge-
geben oder vergessen hätten. Sie besitzen große
Kolonien in Hinterindien, noch weit größere in
Afrika. Vom Kongo, vom Senegal, von Algerien
und von Dahomé aus haben sie sich ein Gebiet
angeeignet fast so groß wie Europa, dazu ganz
Madagaskar genommen. Erst nach ihnen kamen
die Deutschen. Als diese in den Jahren 1883,
1884, 1885 anfingen, einige bescheidene Kolonien
zu erwerben, entschlossen sich die Engländer, nun