Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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schaftliche Entwicklung unter dem Gesetz des 
Fortschreitens von engeren zu weiteren Räumen. 
Und die Bölker, welche sich diesem Gesetze zu 
entziehen suchen, sind gerade so in Gefahr, von 
den Weltreichen überflügelt und in Abhängigkeit 
gebracht zu werden, wie dereinst die deutschen 
Frãdte und Landschaften von den neu entstehenden 
Nationalstaaten. Zunächst in wirtschaftlicher Hin- 
sicht. Schon jetzt sind die Amerikaner in der Lage, 
gelegentlich allen anderen die Preise für wichtigste 
· ohstoffe, Baumwolle und Kupfer, schon jetzt, in 
den Handelsverträgen den schwächeren Kontrahenten 
die Austauschbedingungen vorzuschreiben. Gerade 
i Ländern wie Nordamerika mit kompaktem 
Territorialbesitz und den mannigfaltigsten Hilfs- 
Juellen herrscht aber auch die stärkste Neigung, 
sich nach außen wirtschaftlich abzuschließen und 
alle ihre Erwerbsmöglichkeiten durch eigene In— 
dustrie vollständig auszunntzen. 
Stets hat aber die wirtschaftliche schließlich 
auch eine politische Abhängigkeit nach sich ge- 
bogen. Heinrich v. Treitschke hatte deshalb 
Recht, wenn er sagte: 
ein „Für die zulunft der Welt ist die Kolonisation 
ühr alior von ungeheurer Bedeutung geworden. Von 
Loltwird es abhängen, in welchem Maße ein jedes 
Ce ! an der Beherrschung der Erde teilnehmen wird. 
leint. sehr gut denkbar, daß ein Land, das gar 
enir Kolonien hat, garnicht mehr zu den 
mie dpäischen Großmächten zählen wird, so 
ächrig cs sonst sein mag.“ 
Hieraus orgeben sich die Gesichtspunkte für 
Beurteilung unseres kolonialen Besitzes: Er 
oll verhüten, daß die natürlichen Schäte des 
rdballs zu einem Monopol einiger weniger 
abuter werden, soll uns neue Elemente der Un- 
M bängigkeit sichern, indem er uns eigene Rohstoff- 
*rt Absatzgebiete erschließt. Die Kolonien sollen 
seurerer Bevölkerung ein erweitertes Tätigkeits- 
vberschaffen und zu jenem Ellbogenraum ver- 
lund der den letzten Grund für den großen 
den kreiheitlichen Lebenszuschnitt in England und 
san Vereinigten Staaten bildet. Die Deutschen 
beit vermöge ihres raschen Wachstums, der Klein- 
han und Unergiebigkeit ihres cigenen Landes 
weis, besonders darauf augewiesen, einen er- 
Volferten Spielraum für ihr Volkstum und ihre 
swirtschaft zu gewinnen. 
gabe ind unsere Kolonien geeignet, dieser Auf- 
Land u genügen? Sie um fassen freilich weniger 
sanzainnd Bevölkerung als die englischen oder 
. schen Kolonien, als das nordamerikanische 
so russische Reich. Immerhin sind sie fünfmal 
1 88 wie das Deutsche Reich, sie haben 12 bis 
unsere ##### farbige Einwohner, und je genauer 
licher an onien erforscht werden, um so deut- 
schleg tritt hervor, daß sie keineswegs von 
)terer Beschaffenheit sind als die anderen 
die 
  
Kolonialreiche, genauer, daß das Verhältnis des 
durch Ackerbau und Viehzucht nutzbar zu machenden 
Landes zu den unbrauchbaren Wüstenbezirken nicht 
ungünstiger ist als dort. Hochwertige Bezirke 
bilden überall nur kleine Bruchteile des Ganzen; 
Landschaften, wo die Kultur mit Schwierigkeiten 
zu kämpfen hat, machen überall den Hauptteil 
der Kolonien aus. Von Britisch-Nordamerika ist 
nur der 10. Teil anbaufähig, von der riesigen 
Fläche Sibiriens und Zentralasiens vielleicht der 
14. Teil. Anstralien ist nur an den Rändern 
bewohnbar, Ostindien als ein Ganzes kaum vor 
dem tropischen Afrika bevorzugt. Und in den 
afrikanischen Besitzungen Englands und Frank- 
reichs ist der Prozentsatz des fruchtbaren Landes 
nicht größer als in unseren. Freilich ist eine 
Einschränkung zu machen. Keine unserer Kolonien 
ist für eine absehbare Zeit geeignet, eine wirkliche 
Masseneinwanderung deutscher Ackerbauer aufzu- 
nehmen, wir dürfen deshalb nicht darauf rechnen, 
dort ein verjüngtes und vergrößertes Abbild des 
Mutterlandes entstehen zu sehen. Gewiß hat 
der Herr Kolonialdirektor mit Recht auf die Er- 
folge hingewiesen, die in Südwestafrika mit der 
Wassererschließung durch Bohrungen und Stau- 
werke an vielen Stellen zu erzielen sind. Ich 
habe die erstaunlichen Wandlungen beobachten 
können, welche die künstliche Bewässerung in den 
Steppen= und Wüstengebieten des westlichen 
Amerika hervorbrachte. Im großen und ganzen 
wird aber Deutsch-Südwestafrika, vom Bergbau 
abgesehen, ein Land der Steppenviehzucht bleiben; 
aus ihr können unter den heutigen Bedingungen 
vielleicht 10 000 deutsche Großbauern ein reich- 
liches Auskommen finden. Auch in den Höhen- 
distrikten Ostafrikas werden, wie heute feststeht, 
deutsche Bauern in größerer Zahl mit der Zeit 
anzusiedeln sein. Aber im übrigen handelt es 
sich, wenn wir den Hafenplatz Kiautschon außer 
Betracht lassen, um echte Tropenbezirke, in denen 
der Weiße auf körperliche Arbeit verzichten und 
sich auf die Rolle des leitenden Unternehmers 
und Beamten, des Lehrers, Missionars usw. be- 
schränken muß. 
Es ist schwer, mit drei Worten ein genaues 
Bild von den Produktionsmöglichkeiten dieser 
Gebiete zu geben. Die Verhältnisse sind sehr 
mannigfaltig. Neben ausgedehnten Steppen mit 
geringeren Niederschlägen besitzen wir weite, reich 
bewässerte Bezirke, an der Küste von Kamerun 
eines der regenreichsten Gebiete der Erde mit 
7 bis 9 und 10 m Regenhöhe im Jahre. Ich 
will mich darauf beschränken, einige der wich- 
tigsten Rohstoffe zu nennen, welche heute schon 
von unseren Tropengebieten in erheblichem Um- 
fang geliefert werden. In allen Steppengebieten 
Ostafrikas gedeiht die Sisalagave, deren Hanf
	        
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