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Ein Berliner Blatt („Morgenpost“) ver-
offentlichte am 7. August 1905 das nachstehend mit
wenigen Auslassungen wiedergegebene Schreiben:
„Hoffentlich habt Ihr mein letztes Schreiben
ans Hafuur erhalten, worin ich von dem
Gefecht schrieb. Wir sind immer noch nicht
fertig mit den Hottentotten, und wer weiß,
wie lange es noch dauert, und was uns die
Zukunft bringt. Trotzdem die Hottentotten in
vielen Gefechten geschlagen sind, leisten sie noch
den heftigsten Widerstand.
as Land ist hier für den Krieg so un-
günstig, wie man sich in Deutschland gar nicht
denken kann, überall ungehener ausgedehnte
Steppen und Gebirge. Das Gebirge, woraus
sie so lange nicht herauszukriegen waren, ist
so zerklüftet, zerrissen und steil, daß es nur
wenige Pfade gibt, die gangbar sind. Dann
ist es ganz unbekannt, denn es gibt Stellen,
die noch keines Weißen Auge gesehen hat.
Dagegen die Hottentotten kennen jeden Schlupf-
winkel.
Die Kalahari-Wüste ist nicht so wüst, wie
man gewöhnlich annimmt, sondern nur uns
Weißen unbekannt. Daher können wir den
Hottentotten nicht weit folgen. Denkt Euch
eine ungeheure, unendliche, leichter und stärker
gewellte Fläche; am größten hat diese Ahnlich=
keit mit dem Meer, wenn Sturm ist; lanter
Sandwellen, bis 50 Meter hoch und noch
höher, bis 100 Meter. Überall steht bis meter-
hohes Gras, Sträucher und niedrige Bäume,
alles dornenartig. Große Mengen wilde Kür-
bisse und Gurken wachsen überall. Diese
Früchte sind sehr zweckmäßig für diese Wüste,
denn sie sind so wasserhaltig, daß man damit
Hunger und Durst stillen kann. Es gibt auch
einige uns unbekannte Wasserstellen. Dann ist
die Tierwelt sehr zahlreich vertreten. Alle
Sorten, von der Maus bis zum Kudn und
Jebra; Erdeichhörnchen, Hasen, Erdschweine,
Steinböcke — so groß wie unsere Rehe, auch
olche Farbe — Springböcke, eselgroß, große
Antilopen, Gemsböcke, Spießböcke, Hariebeester,
Wildebeester, Kudus, letztere so groß wie
Rinder, Zebras, wilde Esel, verwilderte Pferde,
dwen und Panther. Am meisten gibt es
Eidechsen und Schlangen in allen Größen und
gürben. Ich habe schon eine ganze Menge
on diesem Gezücht totgeschlagen. Bögel gibt
es so viel, daß es nunmöglich wärc, sich eine
Zahl zu denken, Milliarden über Milliarden,
Strauße, Adler, Geier, Trappen, größer als
Gänse, usw. ppen, groß
Win dir haben jetzt den Rand der Kalahari-
1 uͤste besetzt und lassen die Hottentotten nicht
nehr heraus. Die Regenzeit ist jetzt vorbei,
und das in Menge vorhandene Wasser ver-
dunstet wieder rasch. Wir kommen jetzt näm-
lich in die trockene, kalte Zeit, den südlichen
afrikanischen Winter. Es ist kaum glaublich,
was für eine Kälte hier ist. In der Nacht
friert sogar das Wasser. Die Sonne steht
mittags so steil, wie bei uns in Deutschland
im Hochsommer, und trotzdem friert man im
gefütterten Mantel mittags. Tag und Nacht
kein Wölkchen am Himmel. Die Sterne
leuchten so klar, daß es ziemlich hell ist. In
der Nacht überhaupt ist die Luft so klar, daß
man ungeheure Strecken weit sehen kann.
Berge, die 150 Kilometer weit sind, kann man
mit bloßem Auge erkemnnen. Wir müssen das
Wasser stundenweit holen auf Trageseln und
Blechkannen; es ist so knapp, daß es kaum
zum Essen und Trinken ausreicht. Wenn man
sich alle 14 Tage wäscht, ist das sehr oft.
Wir sehen schon meistens so aus wie die
Hottentotten, ganz verbrannt und dreckig im
Gesicht, gelblich-braun. Aber das macht nichts.
Hauptsache ist, daß wir genng zu essen und
trinken haben und gesund sind. Ja, das
Klima ist trotzalledem mir sehr zuträglich, denn
ich bin gerade so dick wie in Deutschland.“
In einem Soldatenbrief, den die „Tägliche
Rundschan“ vom 8. April 1906 mitteilt, heißt
es voll Begeisterung:
„Nun will ich mal mein Denken über
Afrika aussprechen. Wenn ich Euch schreibe,
wie es hier zugeht, da denkt Ihr immer,
daß es so sehr schlecht ist in Afrika, aber
wenn man es von der anderen Seite be-
trachtet, so ist es wunderschön. Wenn
man auf einem guten Pferde so über die
Ebenec hinfliegt oder in die Berge kommt, wo
sich wundervolle Schluchten dem Auge dar-
bieten (nur daß in solchen Schluchten gar zu
oft das Verderben lauertl!), oder wenn man
zum Beispiel auf einem Berge zur Nacht Posten
steht, über sich den afrikanischen Himmel in
seiner Sternenpracht und den hell leuchtenden
Mond, unter sich am Fuße des Berges blickt
man auf die ruhenden Kameraden. Solch ein
Anblick hebt einen über die Wirklichkeit hinweg
und versetzt uns ins Märchenland.“
Dann geben wir zwei Geistlichen das Wort,
die als Feldprediger in Südwestafrika tätig waren,
der evangelische Pfarrer Schmidt und der ka-
tholische Pater Ziegenfuß. Der Erstgenannte
erzählt die folgenden ergreifenden Erlebnisse aus
dem furchtbaren Kampf im Aub--Rivier (1. bis
4. Jannar 1905):
„Der Major mit dem Schuß in den Unter-
leib liegt hier und leidet entsetzliche Qualen
auch vor Durst. Er ruft mich — erzählt