Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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Bei einem Besuche des verfallenen Kalidhauses 
in Angeklau an der Ostseite von Palau erwarb 
ich eine Reihe von geschnitzten und bemalten 
Holzsiguren; sie waren an den Fenstern des 
oberen Stockwerkes aufgestellt und hatten mit 
ihren starren Gesichtern dazu beitragen müssen, 
den Hilfesuchenden in die richtige gläubige Stim- 
mung zu versetzen. 
Leider konnte ich bei der Abneigung der Pa- 
lauer, Fremde in die Mysterien des Kalidkultus 
einzuführen, nichts Authentisches über die Bedeu- 
tung der Figuren erfahren. Ich vermute aber 
aus verschiedenen Gründen, daß einige kleinere 
Holzfiguren, schwangere Frauen darstellend, in 
Beziehung standen zu der Aufgabe des Kalids, 
leichte Entbindungen bei den Geistern zu erbitten. 
Ferner befanden sich da noch die etwa einen 
Meter hohe Statue eines Europäers mit Zylinder, 
kurzer schwarzer Jacke, weißen Beinkleidern und 
erheblichen O-Beinen, sowie die Figur einer 
nackten weiß angemalten europäischen Frau. Ich 
bemerke hierbei, daß die Palaufrauen darstellen- 
den Figuren bekleidet waren. Jene beiden Puppen 
standen offenbar mit der politischen Aufgabe der 
Kalids, Palau von den weißen Eindringlingen 
zu befreien im Zusammenhang und wurden wohl 
bei den Bezauberungen als Fetische benutzt. 
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Die klassischen Arbeiten von Kubary und 
Semper gelten für das heutige Palau noch ebenso, 
als wären sie heute verfaßt. Eine fast zwanzig- 
jährige Tätigkeit der Mission hat wenig vermocht, 
die Palauer ihren alten Sitten und Gebräuchen 
zu entfremden. Aus der Fülle des interessanten 
Volkslebens greife ich nur diejenigen Beobach- 
tungen heraus, welche zu den Gesundheitsverhält- 
nissen des Volkes in Beziehung stehen. Da ist 
vor allem das einst blühende, seit einem Jahre 
von der Regierung aufgehobene „Armongol“= 
Wesen zu nennen. In jedem Dorfe existierten 
(und existieren auch heute noch) mehrere Klubs, 
die ihre eigenen Versammlungshäuser haben. 
Diesen Klubs dienten jeweils eine Anzahl von 
Mädchen längere Zeit. Nach Ablauf ihrer Zeit 
kehrten sie reich belohnt in das Elternhaus zurück. 
Das Motiv der Mädchen, in solche Klubhäuser 
zu gehen, war, wie mir wiederholt von Palau- 
frauen versichert wurde, einzig und allein das 
Streben nach Geld, das Streben, ihre Familie 
reich zu machen. Die Habgier ging so weit, daß 
früher bei Geburt eines Kindes der Vater unge- 
halten wurde, wenn es ein Knabe war, daß er 
deswegen nicht selten die Frau sogar verstieß, 
während ihn die Geburt eines Mädchens hoch 
erfreute. Denn dieses brachte später viel Geld 
  
ins Haus.“) Leider wurden früher auch Mädchen 
im Kindesalter, mit 8 bis 9 Jahren, von ihren 
habgierigen Vätern in die „Bais“, d. h. Klub- 
häuser, gegeben — angeblich nur, um die älteren 
Mädchen zu bedienen. In vielen Fällen wurden 
aber auch diese Kinder geschlechtlich benutzt. So 
fand man in den „Bais“ alle Altersklassen zu- 
sammen, vom Kinde bis zur „Matrone“. Hier 
spielte sich dann jenes ungenierte Leben ab, das 
die alten Jesuitenmissionare zu einem so herben 
Urteil über die Palauer veranlaßt hat. Nament- 
lich Cautova entwirft ein abschreckendes Bild. 
Außer den Mitgliedern des Klubs hatte aber 
jedes Mädchen auch noch im Dorfe einige Lieb- 
haber, mit denen es außerhalb des Bais zu- 
sammenkam und von denen es später, wenn seine 
Zeit um war, ebenfalls Geld einkassierte. Als 
Folge dieses namentlich in den letzten Jahren 
ausartenden Zustandes kam es vor, daß in 
manchen Dörfern die jungen Männer sämtlich 
Junggesellen, die jungen Mädchen aber alle 
„Mongols“ (Klubmädchen) in den Bais eines 
oft weit entfernten Dorfes waren. Die Kinder- 
zahl ging immer mehr herab, zumal auch die 
„Mongols“, wenn sie schwanger wurden, meist 
die Frucht abtrieben. Der Ausbreitung geschlecht- 
licher Krankheiten war Tür und Tor geöffnet. 
Bald zeigten sich die guten Folgen der im 
Jahre 1905 erfolgten Aufhebung dieser Landes- 
sitte. Es wurden wieder Ehen geschlossen, zahl- 
reiche, auch ältere Frauen wurden schwanger. 
Heute beginnt sich wieder etwas mehr Familien- 
leben auszubilden. 
Eine zweite Volkssitte von weittragender 
hygienischer Bedeutung ist die Benutzung gemein- 
samer nach Geschlechtern getrennter Badeplätze. 
Im Gegensatze zu den Japern sind die Palauer 
Fanatiker für körperliche Sauberkeit. Mehrmals 
am Tage wird ein Bad genommen, außerdem 
noch nach jeder Anstrengung, die den Körper 
etwa in Schweiß gebracht hat. Nach jeder Mahl- 
zeit wird der Mund gereinigt und gespült, wer- 
den die Hände besonders gewaschen. Leider hat 
diese an sich sehr sympathische Gewohnheit ihre 
großen Schattenseiten. Die Badeplätze sind große 
mit Steinen ausgelegte, in die Erde gegrabene 
Bassins, welche meist etwas abseits vom Dorfe 
in reizender Umgebung liegen. Diese Bassins 
sind 8 bis 10 m im Quadrat groß und 1½ bis 
2 m tief. Wenngleich nun auch der Boden dieses 
Bassins etwas durchlässig ist, so erfolgt die Er- 
neuerung des Wassers doch lediglich an der Ober- 
fläche durch Uberlaufen nach starken Regengüssen. 
In trockener Zeit sind die Badeplätze geradezu 
als stagnierende Sümpfe zu bezeichnen. Da nun 
*) Ugl. Deutsch. Kol. Blatt 1906. S. 206 ff.
	        
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