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Bei einem Besuche des verfallenen Kalidhauses
in Angeklau an der Ostseite von Palau erwarb
ich eine Reihe von geschnitzten und bemalten
Holzsiguren; sie waren an den Fenstern des
oberen Stockwerkes aufgestellt und hatten mit
ihren starren Gesichtern dazu beitragen müssen,
den Hilfesuchenden in die richtige gläubige Stim-
mung zu versetzen.
Leider konnte ich bei der Abneigung der Pa-
lauer, Fremde in die Mysterien des Kalidkultus
einzuführen, nichts Authentisches über die Bedeu-
tung der Figuren erfahren. Ich vermute aber
aus verschiedenen Gründen, daß einige kleinere
Holzfiguren, schwangere Frauen darstellend, in
Beziehung standen zu der Aufgabe des Kalids,
leichte Entbindungen bei den Geistern zu erbitten.
Ferner befanden sich da noch die etwa einen
Meter hohe Statue eines Europäers mit Zylinder,
kurzer schwarzer Jacke, weißen Beinkleidern und
erheblichen O-Beinen, sowie die Figur einer
nackten weiß angemalten europäischen Frau. Ich
bemerke hierbei, daß die Palaufrauen darstellen-
den Figuren bekleidet waren. Jene beiden Puppen
standen offenbar mit der politischen Aufgabe der
Kalids, Palau von den weißen Eindringlingen
zu befreien im Zusammenhang und wurden wohl
bei den Bezauberungen als Fetische benutzt.
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Die klassischen Arbeiten von Kubary und
Semper gelten für das heutige Palau noch ebenso,
als wären sie heute verfaßt. Eine fast zwanzig-
jährige Tätigkeit der Mission hat wenig vermocht,
die Palauer ihren alten Sitten und Gebräuchen
zu entfremden. Aus der Fülle des interessanten
Volkslebens greife ich nur diejenigen Beobach-
tungen heraus, welche zu den Gesundheitsverhält-
nissen des Volkes in Beziehung stehen. Da ist
vor allem das einst blühende, seit einem Jahre
von der Regierung aufgehobene „Armongol“=
Wesen zu nennen. In jedem Dorfe existierten
(und existieren auch heute noch) mehrere Klubs,
die ihre eigenen Versammlungshäuser haben.
Diesen Klubs dienten jeweils eine Anzahl von
Mädchen längere Zeit. Nach Ablauf ihrer Zeit
kehrten sie reich belohnt in das Elternhaus zurück.
Das Motiv der Mädchen, in solche Klubhäuser
zu gehen, war, wie mir wiederholt von Palau-
frauen versichert wurde, einzig und allein das
Streben nach Geld, das Streben, ihre Familie
reich zu machen. Die Habgier ging so weit, daß
früher bei Geburt eines Kindes der Vater unge-
halten wurde, wenn es ein Knabe war, daß er
deswegen nicht selten die Frau sogar verstieß,
während ihn die Geburt eines Mädchens hoch
erfreute. Denn dieses brachte später viel Geld
ins Haus.“) Leider wurden früher auch Mädchen
im Kindesalter, mit 8 bis 9 Jahren, von ihren
habgierigen Vätern in die „Bais“, d. h. Klub-
häuser, gegeben — angeblich nur, um die älteren
Mädchen zu bedienen. In vielen Fällen wurden
aber auch diese Kinder geschlechtlich benutzt. So
fand man in den „Bais“ alle Altersklassen zu-
sammen, vom Kinde bis zur „Matrone“. Hier
spielte sich dann jenes ungenierte Leben ab, das
die alten Jesuitenmissionare zu einem so herben
Urteil über die Palauer veranlaßt hat. Nament-
lich Cautova entwirft ein abschreckendes Bild.
Außer den Mitgliedern des Klubs hatte aber
jedes Mädchen auch noch im Dorfe einige Lieb-
haber, mit denen es außerhalb des Bais zu-
sammenkam und von denen es später, wenn seine
Zeit um war, ebenfalls Geld einkassierte. Als
Folge dieses namentlich in den letzten Jahren
ausartenden Zustandes kam es vor, daß in
manchen Dörfern die jungen Männer sämtlich
Junggesellen, die jungen Mädchen aber alle
„Mongols“ (Klubmädchen) in den Bais eines
oft weit entfernten Dorfes waren. Die Kinder-
zahl ging immer mehr herab, zumal auch die
„Mongols“, wenn sie schwanger wurden, meist
die Frucht abtrieben. Der Ausbreitung geschlecht-
licher Krankheiten war Tür und Tor geöffnet.
Bald zeigten sich die guten Folgen der im
Jahre 1905 erfolgten Aufhebung dieser Landes-
sitte. Es wurden wieder Ehen geschlossen, zahl-
reiche, auch ältere Frauen wurden schwanger.
Heute beginnt sich wieder etwas mehr Familien-
leben auszubilden.
Eine zweite Volkssitte von weittragender
hygienischer Bedeutung ist die Benutzung gemein-
samer nach Geschlechtern getrennter Badeplätze.
Im Gegensatze zu den Japern sind die Palauer
Fanatiker für körperliche Sauberkeit. Mehrmals
am Tage wird ein Bad genommen, außerdem
noch nach jeder Anstrengung, die den Körper
etwa in Schweiß gebracht hat. Nach jeder Mahl-
zeit wird der Mund gereinigt und gespült, wer-
den die Hände besonders gewaschen. Leider hat
diese an sich sehr sympathische Gewohnheit ihre
großen Schattenseiten. Die Badeplätze sind große
mit Steinen ausgelegte, in die Erde gegrabene
Bassins, welche meist etwas abseits vom Dorfe
in reizender Umgebung liegen. Diese Bassins
sind 8 bis 10 m im Quadrat groß und 1½ bis
2 m tief. Wenngleich nun auch der Boden dieses
Bassins etwas durchlässig ist, so erfolgt die Er-
neuerung des Wassers doch lediglich an der Ober-
fläche durch Uberlaufen nach starken Regengüssen.
In trockener Zeit sind die Badeplätze geradezu
als stagnierende Sümpfe zu bezeichnen. Da nun
*) Ugl. Deutsch. Kol. Blatt 1906. S. 206 ff.