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Bei zweifelhaften Stämmen verlangte die Kom-
pagnie Träger, die an der Küste bezahlt wurden,
um die Leute mit der Küste und vor allen
Dingen mit den Preisen für die Bedürfnisse der
Eingeborenen bekannt zu machen. Gelegentlich
wurden auch Häuptlinge mit Patronillen zur
Station Jabassi gesandt, um Elfenbein in den
Faktoreien zu verkaufen, damit ihnen die Vor-
teile eines direkten Verkehrs mit den Weißen vor
Augen geführt würden.
Die Straße ist geöffnet. Allerdings verlangt
die Offenhaltung einen Posten von etwa fünfund-
zwanzig Mann, der die inneren Streitigkeiten
schlichten und zugleich das ganze Gebiet bis Bafia
und Bakoko hin verwalten kann.
Die Kompagnie traf am 28. September nach
achttägigem Marsche in Jabassi ein und wurde
am 30. desselben Monats auf dem Wasserwege
nach Duala übergeführt. Eine Abteilung in
der Stärke von 40 Mann unter Leutnant
Weyse verblieb zur Verfügung der Station
Jabassi zur Befriedung weiterer Stämme, die
der Station Schwierigkeiten bereiteten.
Das Gelände zwischen Musche nach Süden
hin ist ein Hügelland von etwa 700 Meter
absoluter Höhe. Es ist in der Hauptsache Gras-
land, meistens sind nur die Berghänge und
Flußniederungen von Busch bewachsen. Im
Süden wird das Hochplateau von einer hohen
Gebirgskette, wahrscheinlich der Fortsetzung des
Manengubagebirges, abgeschlossen. Südlich der
Straße Musche— Biongele erheben sich vier Berg-
züge, von Norden nach Süden laufend. Diese
sind abgeschlossen gegen die Bafia= und Bakoko-
Landschaften durch weitere unregelmäßige Ge-
birgsstöcke. Die dadurch entstandenen Täler
öffnen sich gegen die Straße und sind leicht zu-
gänglich. Südlich Degenimagi führt die Straße
jäh in das Waldgebiet hinab. Auf der Hoch-
fläche bietet der Weg einer Marschkolonne keine
besonderen Schwierigkeiten. Im Waldgebiet da-
gegen, wird es noch großer Arbeit bedürfen, um
die Gangbarkeit bei bescheidenen Ansprüchen an-
nehmbar zu machen. Das Hochplatean entwässern
Nebenflüsse des Nun und Mbam. Die Bäche
des Waldgebietes ergießen sich in den Inubu,
einen Nebenfluß des Mukombi.
Die Bevölkerung dieses Hochlandes ist der
Sprache nach mit den Stämmen des südlich
davon gelegenen Waldlandes verwandt. Die
Station Jabassi nennt sie Banen. Der Kom-
pagnie wurde der Dialekt vom Waldlande bis
Biongele als Mes-hia bezeichnet. Nördlich der
Linie Biongele — Guyo wohnen die Stämme der
Ngone, Gone oder Guine. Nördlich davon
wohnen die sog. Wonangleute in Musche, die
den Wutes angehören. Südlich an die Ngone
schließen sich die Stämme der Is-hio oder Mes-
hio-Sprache an, die doch den Mes-hias nicht so
nah verwandt sind, als man der Sprachbezeich-
nung nach annehmen könnte.
Die Bewohner waren in der Hauptsache schön
gewachsen und gut genährt. In Musche war
eine große Anzahl von Syphiliskranken auffällig;
auch wurde vielfach Lepra konstatiert. Ferner
wurden einzelne Fälle von Himbeerkrankheit be-
obachtet. Auffallend groß war im ganzen Gebiet
die Zahl der Geisteskranken.
Mit Ausnahme von Musche, Biongele und
Djebem wohnen die Eingeborenen in verstreuten
Gehöften, in losen Stammesverbänden, jeder als
freier Mann. Nur geringes Interesse, wie zum
Beispiel Anlage gemeinsumer Farmen, Kämpfe
mit Nachbarn, teilweise auch innere Streitigkeiten,
bewegt sie dazu, sich einem Führer oder
Häuptling unterzuordnen. Um die Produkte der
Hauswirtschaft zu erweitern, ist die Familie durch
Vielweiberei, weniger durch Sklaverei vergrößert
worden. Die Männer besorgen wohl die schwere
Arbeit, wie das Fällen der Bäume für die Farmen
und beschäftigen sich mit der Jagd; im übrigen
aber lassen sie sich von den Frauen erhalten,
die die Farmen bebauen und die Feldfrüchte
für den Verbrauch im Haushalte herrichten.
Jeder Fremde, der das Land betritt, wird als
Feind betrachtet und getötet. Nur die Stämme,
die einen gemeinsamen Markt besitzen, pflegen
einen friedlichen Verkehr. Auf den Märkten
werden die wenigen Bedürfnisse gedeckt, die der
Eingeborene außer den Produkten seines Landes
hat. Gesuchte Artikel sind Salz und Gewehre,
auch Tuchstücke als Kleidung fangen an Eingang
zu finden. Naturgemäß sind die Preise dieser
Waren sehr hoch, da die Stämme nach der Küste
hin den Durchzug verwehren oder dem Händler
einen hohen Durchgangszoll auferlegen. Der
Handel liegt vorläufig in den Händen der
Haussas. Allerdings wurde erfreulicherweise be-
obachtet, daß einzelne intelligente Eingeborene
sich durch feindliche Stämme hindurchschleichen
und direkt mit der Küste verkehrten. Jedoch
kann eine Zunahme dieses Verkehrs nur mit der
Unterstützung des Europäers möglich gemacht
werden. Es wird künftighin ganz besondere
Aufmerksamkeit dem Haussaverkehr zugewendet
werden müssen. Da sie in großen Karawanen
reisen, sind sie den Eingeborenen weit überlegen,
die sich schwer zu gemeinschaftlicher Abwehr auf-
raffen können. Die Haussas nützen ihre Über—
legenheit den Eingeborenen gegenüber schonungs-
los aus und geben dauernd Anlaß zu immer
neuen Reibereien.
Die Häuptlinge sind vielfach nicht, wie im