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durch den Bulu-Häuptling Ilebandum (Lebandum
vier Tage östlich Ebolova) nach Lolodorf ver-
trieben worden. Dieser jetzt im Victoria-Bezirk
angesiedelte Bulu-Häuptling hatte nach Errichtung
der Station Ebolova eine andere Himmels-
richtung für seine Kriegszüge wählen müssen und
den nördlich des Lobo-Flusses sitzenden Bulu-
Stämmen noch vor wenigen Jahren hart zugesetzt.
Die Sprache der Ngumba ist einerseits der-
jenigen der Maka, anderseits derjenigen der an
der Südgrenze des Schutzgebiets sitzenden Ntum
sehr ähnlich.
Vor dem Erscheinen der Ngumba soll die
hiesige Gegend nur von Bagielle-Leuten (oder
Bakuelle in der Ngumba-Sprache, Bakde-Jaunde;
Bakuèa-Batanga) bewohnt gewesen sein. Hierauf
deutet auch das seltene Vorkommen der Olpalme
im Ngumba-Gebiet hin, so daß wohl angenommen
werden kann, daß dieses Zwergvolk, die Bagielle,
auch hier (wie nach Wissmann im Kongo-Becken)
die Urbevölkerung darstellt. Nach Mitteilung des
Missionsarztes Lehmann sind hier von den
Ngumba unter der Erde alte Reste von- Feuer-
holz und dergleichen gefunden worden, die auf
eine ältere Besiedlung — vielleicht aber auch
durch Bagielle — schließen ließen. Näheres
hierüber habe ich jedoch nicht erfahren können.
Bagielles habe ich hier namentlich bei Ngumba-
und Bakoko-Häuptlingen, die in der Nähe von
größeren Urwaldstrecken wohnen, gesehen bzw.
von ihnen gehört. Sie leben im hiesigen Bezirk
im Urwald in primitiven (nicht rund gebauten)
Hütten, die nur aus einem niedrigen Pultdach mit
darunterbefindlicher Lager= und Feuerstätte be-
stehen. Die Hüttenplätze werden häufig gewechselt.
Die Bagielle haben sich familienweise einzelnen
Ngumba= usw. Häuptlingen angeschlossen, von
denen sie Feldfrüchte, sowie Salz und dergleichen
gegen Fische und Jagdbeute erhalten. Natürlich
spielen die Bagielle auch bei der Gewinnung des
hier noch vorhandenen Lianengummis keine un-
bedeutende Rolle. In den von ihnen bewohnten
Urwäldern habe ich allenthalben wie freilich auch
in anderen Gebieten des Bezirks abgeschlagene
Lianen gefunden, die zur Gewinnung des Gummis
in kurze Stücke geschnitten und übereinander ge-
legt waren.
Die Station Lolodorf der amerikanischen
Mission wurde eigentlich zu dem Zwecke gegründet,
diese „Zwerge“ zum Christentum zu bekehren.
Wenn bei Wiederholung dieser Versuch vorläufig
auch noch wenig Erfolg haben würde, so nimmt
doch auch dieses Bagielle-Volk mehr und mehr,
wenigstens äußerlich, die Kultur an. Die Bagielle
tragen hier bereits wie die Ngumba in Europa
hergestellte Hüfttücher. Auf der Jaunde-Straße
sieht man nicht selten unter den Handelskarawanen
Bagielle, die für Handelsfirmen Lasten tragen.
Allerdings stammen diese Bagielle meist aus dem
Kribi-Bezirk (vom Häuptling Ediedie). Bei den
Ngumba sind die gewandten Bagielle bei nächt-
lichen Tanzfesten als Vortänzer sehr beliebt.
Die von Wissmann bei Beschreibung der
Kongo-Zwerge (Buschleute) erwähnte schweins-
lederfarbene Haut habe ich auch bei Bagielle
wiederholt gesehen. Fast durchweg sind sie heller
als die anderen hiesigen Stämme. An den
scharfgezeichneten Augenbrauen, der sehr breiten
und flachen Nase, den großen Nasenlöchern und
der meist starken Behaarung an Brust und Glied-
maßen sind sie leicht zu erkennen. Wohl durch
das viele Umherstreifen im dichten Urwald sind
die Schulterblätter häufig gekrümmt, der Hals
ist kurz, so daß die Körperhaltung „ducknackig“
ist. Die Größe ist etwa 1,52 bis 1,54 Meter;
der größte Bagielle, den ich sah, maß 1,62, der
kleinste ausgewachsene Mann 1,47, ein aus-
gewachsenes Bagielle-Weib maß nur 1,32 Meter.
Die Bagielle haben ihre eigene Sprache.
Über geographlsch- ethnographische Feststellungen
in Uordwest-Kamerun
berichtet der Bezirksleiter der Regierungsstation
Ossidinge, wie folgt:
„Es kann jetzt als definitiv festgestellt angesehen
werden, daß die Grenze der Sudan= und
Bantuvölker genau mit dem Kroßfluß einerseits
und einer von Ossidinge aus in fast genau nörd-
licher Richtung gehenden Geraden anderseits
zusammenfällt, so zwar, daß die Bewohner
Ossidinges noch Bantu-, die des gegenüberliegenden
Ufers bereits Sudanneger sind. Zur Untersuchung
wurden drei Wege eingeschlagen, der linguistische,
der ethnographische und der anthropologische.
Die Sprachaufnahmen ließen bereits vor zwei
Jahren einen deutlichen Unterschied erkennen.
Alsdann führte die Entdeckung der halb runden,
halb viereckigen Hütten dazu, die Bokis als
Sudanneger anzusehen und in letzter Zeit haben
anthropologische Messungen nach dem System
Luschan die Grundverschiedenheit des Bokistammes
gegenüber den übrigen sechs Stämmen des Bezirks
gezeigt; während alle Kamerunneger Ossidinges
zu 95 Prozent Langschändel sind, sind die Bokis
zu 100 Prozent Kurzschädel“.
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