Full text: Deutsches Kolonialblatt. XVIII. Jahrgang, 1907. (18)

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durch den Bulu-Häuptling Ilebandum (Lebandum 
vier Tage östlich Ebolova) nach Lolodorf ver- 
trieben worden. Dieser jetzt im Victoria-Bezirk 
angesiedelte Bulu-Häuptling hatte nach Errichtung 
der Station Ebolova eine andere Himmels- 
richtung für seine Kriegszüge wählen müssen und 
den nördlich des Lobo-Flusses sitzenden Bulu- 
Stämmen noch vor wenigen Jahren hart zugesetzt. 
Die Sprache der Ngumba ist einerseits der- 
jenigen der Maka, anderseits derjenigen der an 
der Südgrenze des Schutzgebiets sitzenden Ntum 
sehr ähnlich. 
Vor dem Erscheinen der Ngumba soll die 
hiesige Gegend nur von Bagielle-Leuten (oder 
Bakuelle in der Ngumba-Sprache, Bakde-Jaunde; 
Bakuèa-Batanga) bewohnt gewesen sein. Hierauf 
deutet auch das seltene Vorkommen der Olpalme 
im Ngumba-Gebiet hin, so daß wohl angenommen 
werden kann, daß dieses Zwergvolk, die Bagielle, 
auch hier (wie nach Wissmann im Kongo-Becken) 
die Urbevölkerung darstellt. Nach Mitteilung des 
Missionsarztes Lehmann sind hier von den 
Ngumba unter der Erde alte Reste von- Feuer- 
holz und dergleichen gefunden worden, die auf 
eine ältere Besiedlung — vielleicht aber auch 
durch Bagielle — schließen ließen. Näheres 
hierüber habe ich jedoch nicht erfahren können. 
Bagielles habe ich hier namentlich bei Ngumba- 
und Bakoko-Häuptlingen, die in der Nähe von 
größeren Urwaldstrecken wohnen, gesehen bzw. 
von ihnen gehört. Sie leben im hiesigen Bezirk 
im Urwald in primitiven (nicht rund gebauten) 
Hütten, die nur aus einem niedrigen Pultdach mit 
darunterbefindlicher Lager= und Feuerstätte be- 
stehen. Die Hüttenplätze werden häufig gewechselt. 
Die Bagielle haben sich familienweise einzelnen 
Ngumba= usw. Häuptlingen angeschlossen, von 
denen sie Feldfrüchte, sowie Salz und dergleichen 
gegen Fische und Jagdbeute erhalten. Natürlich 
spielen die Bagielle auch bei der Gewinnung des 
hier noch vorhandenen Lianengummis keine un- 
bedeutende Rolle. In den von ihnen bewohnten 
Urwäldern habe ich allenthalben wie freilich auch 
in anderen Gebieten des Bezirks abgeschlagene 
Lianen gefunden, die zur Gewinnung des Gummis 
in kurze Stücke geschnitten und übereinander ge- 
legt waren. 
Die Station Lolodorf der amerikanischen 
Mission wurde eigentlich zu dem Zwecke gegründet, 
diese „Zwerge“ zum Christentum zu bekehren. 
Wenn bei Wiederholung dieser Versuch vorläufig 
auch noch wenig Erfolg haben würde, so nimmt 
doch auch dieses Bagielle-Volk mehr und mehr, 
wenigstens äußerlich, die Kultur an. Die Bagielle 
tragen hier bereits wie die Ngumba in Europa 
hergestellte Hüfttücher. Auf der Jaunde-Straße 
  
sieht man nicht selten unter den Handelskarawanen 
Bagielle, die für Handelsfirmen Lasten tragen. 
Allerdings stammen diese Bagielle meist aus dem 
Kribi-Bezirk (vom Häuptling Ediedie). Bei den 
Ngumba sind die gewandten Bagielle bei nächt- 
lichen Tanzfesten als Vortänzer sehr beliebt. 
Die von Wissmann bei Beschreibung der 
Kongo-Zwerge (Buschleute) erwähnte schweins- 
lederfarbene Haut habe ich auch bei Bagielle 
wiederholt gesehen. Fast durchweg sind sie heller 
als die anderen hiesigen Stämme. An den 
scharfgezeichneten Augenbrauen, der sehr breiten 
und flachen Nase, den großen Nasenlöchern und 
der meist starken Behaarung an Brust und Glied- 
maßen sind sie leicht zu erkennen. Wohl durch 
das viele Umherstreifen im dichten Urwald sind 
die Schulterblätter häufig gekrümmt, der Hals 
ist kurz, so daß die Körperhaltung „ducknackig“ 
ist. Die Größe ist etwa 1,52 bis 1,54 Meter; 
der größte Bagielle, den ich sah, maß 1,62, der 
kleinste ausgewachsene Mann 1,47, ein aus- 
gewachsenes Bagielle-Weib maß nur 1,32 Meter. 
Die Bagielle haben ihre eigene Sprache. 
Über geographlsch- ethnographische Feststellungen 
in Uordwest-Kamerun 
berichtet der Bezirksleiter der Regierungsstation 
Ossidinge, wie folgt: 
„Es kann jetzt als definitiv festgestellt angesehen 
werden, daß die Grenze der Sudan= und 
Bantuvölker genau mit dem Kroßfluß einerseits 
und einer von Ossidinge aus in fast genau nörd- 
licher Richtung gehenden Geraden anderseits 
zusammenfällt, so zwar, daß die Bewohner 
Ossidinges noch Bantu-, die des gegenüberliegenden 
Ufers bereits Sudanneger sind. Zur Untersuchung 
wurden drei Wege eingeschlagen, der linguistische, 
der ethnographische und der anthropologische. 
Die Sprachaufnahmen ließen bereits vor zwei 
Jahren einen deutlichen Unterschied erkennen. 
Alsdann führte die Entdeckung der halb runden, 
halb viereckigen Hütten dazu, die Bokis als 
Sudanneger anzusehen und in letzter Zeit haben 
anthropologische Messungen nach dem System 
Luschan die Grundverschiedenheit des Bokistammes 
gegenüber den übrigen sechs Stämmen des Bezirks 
gezeigt; während alle Kamerunneger Ossidinges 
zu 95 Prozent Langschändel sind, sind die Bokis 
zu 100 Prozent Kurzschädel“. 
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